Jugendeinrichtung Schloss Stutensee feiert 100. Geburtstag

Beitragsbild: Cirsten Rieger

Von Cirsten Rieger | 03.04.2019 8:23 | Keine Kommentare

Am 1. April 1919 zogen Dr. Heinrich Wetzlar und seine Frau Therese mit 24 männlichen Jugendlichen aus einem Heim in der Karlsruher Werderstraße ins Schloss Stutensee. Damit war der Grundstein für die noch heute bestehende Jugendeinrichtung gelegt. Damals wie heute ging es um die Pflege von in Not geratenen oder straffällig gewordenen Jugendlichen und Kindern. Mit einer großen Geburtstagsparty für die jungen Menschen erinnerte die Einrichtung nun an ihre Gründung. Als besonderer Gast war auch eine Nachfahrin der Wetzlars angereist.

Mouis Blans ist eine Urenkelin von Heinrich Wetzlar. Um das Jubiläum zu feiern und die offizielle Geburtstagstorte anschneiden zu dürfen, war sie eigens aus den Niederlanden angereist. Dorthin war auch ihr Urgroßvater Heinrich Wetzlar geflohen. Der Jurist, der Landgerichtsdirektor in Karlsruhe und Landgerichtspräsident in Mannheim war, wurde 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft nicht nur gezwungen, seine Ämter niederzulegen. Ihm und seiner Frau wurde auch untersagt, weiterhin dem gemeinsamen pädagogischen Engagement in der Jugendeinrichtung auf dem Schloss nachzugehen. 1943 wurden sie im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Der besondere pädagogische Gedanke der Wetzlars, die nicht an die „Minderwertigkeit“ der Zöglinge glaubten, sondern sie durch persönliche Zuwendung und sinnstiftende Tätigkeiten in ihrer Entwicklung zu „wertvollen Gemeinschaftsmitgliedern“ unterstützen wollten, wirkt bis heute fort. Und so kommentierte Oberbürgermeisterin Petra Becker auch ganz hoffnungsvoll den Höhepunkt der Veranstaltung mit den Worten:„Die vielen Ballons, die ihr starten lasst, symbolisieren euren Start ins Leben.“ Denn auch Kinder höben auf ihrem Lebensweg in „unbekannte Lüfte“ ab. Ganz der Weisheit folgend, man solle Kindern Flügel, aber auch Wurzeln verleihen, pflanzte Becker gemeinsam mit dem Aufsichtsrat der Einrichtung im Anschluss eine junge Eiche.

Vertreter von Stadt und Landkreis mit Wetzlar-Urenkelin Mouis Blans (3. v.l.)

Schon in seiner Eröffnungsrede betonte Geschäftsführer Jens Brandt, dass „heute der wichtigste Tag unseres Jubiläumsjahres“ sei. Denn im Mittelpunkt der Veranstaltung am Montagvormittag standen vor allem die Kinder und Jugendlichen aus dem Schloss. So hatten sich die Veranstalter neben zahlreichen Aktionen, Spielen und dem Luftballonwettbewerb auch eine besondere Bühnenshow ausgedacht. Kindgerecht und kurzweilig führten die Mitarbeiterinnen Isabelle Gotschlich (Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit) und Solveig Schudeiske (Theaterpädagogin) als Romina Larina Katharina Roth von Kraichbergen und Friederike Agathe Mathilde Ritz von Waldenstein durch das offizielle Programm. Die zwei Damen aus dem 18. Jahrhundert waren dafür extra aus dem Land der Jubiläen gekommen.

Gemeinsam mit den Kindern zählten sie auch den Countdown für das neue Logo der Jugendeinrichtung. Entwickelt wurde es von den Mitarbeitern der Einrichtung im Rahmen eines Workshops. „Das alte Logo sind wir nicht mehr“, erklärte Brandt dazu. „Denn wir sind heute total bunt unterwegs.“ Das Ergebnis wird künftig nicht nur repräsentativ den Eingang schmücken, sondern auch als Flagge über dem Schlossgelände wehen.

Neues Logo

Wie sich die Einrichtung Schloss Stutensee weiterentwickeln soll, darüber berichtete Ragnar Watteroth, Dezernent beim Landratsamt Karlsruhe. Der Landkreis ist seit dem 1. Januar 2009 alleiniger Träger der Jugendeinrichtung. In Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg ist ein Neubau des Angebotes zur U-Haftvermeidung geplant. Dazu finden gerade erste Gespräche statt. Außerdem steht die Sanierung des Heinrich-Wetzlar-Hauses an, das im Juni 1984 in Gedenken an den Gründer eröffnet wurde. Es wird auch über die Entwicklung eines neuen Nutzungskonzeptes nachgedacht. Darüber hinaus wird die Heizungsanlage im Rahmen eines Nahwärmekonzeptes auf dem kompletten Areal erneuert. Neben den technischen Aufgaben wird zudem kontinuierlich an den pädagogischen Konzepten gefeilt. Von Stillstand kann also 100 Jahre nach der Gründung keine Rede sein, die Zeichen stehen auf Zukunft.

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