Das Bundesverfassungsgericht hatte die alte Grundsteuer für ungültig erklärt. In den vergangenen Jahren musste deshalb ein neues Verfahren festgelegt werden. Am 1. Januar tritt dieses in Kraft. Der Stutenseer Gemeinderat hat als letzten Schritt die neuen Hebesetze dafür festgelegt. Am 26. November gibt es eine Informationsveranstaltung dazu, im Anschluss schaltet die Stadtverwaltung eine Hotline.
Die Bundesregierung hatte an die Kommunen appelliert, die neuen Hebesetze aufkommensneutral zu gestalten. “Ein Appell”, wie Stutensees Kämmerin Anja Leyerle dem Gemeinderat erläuterte, “keine Verpflichtung.” Anhand mehrerer realer Beispiele veranschaulichte sie die Auswirkung unterschiedlicher Hebesätze.
Auch wenn die Stadtverwaltung am Ende in Summe dieselben Einnahmen hat, kann das für einzelne Betroffene eine Erhöhung der Grundsteuer um mehrere hundert Prozent bedeuten, während andere weniger zahlen als bisher. “Die großen Änderungen liegen am Grundsteuer-Messbetrag, nicht am Hebesatz”, so Leyerle. Die Stadt habe deshalb keinen großen Einfluss.
Gleiche Einnahmen für die Stadt mit neuem Hebesatz
Stutensee nimmt bislang etwa 30.000 Euro über die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) ein und etwa 3,2 Millionen Euro über die Grundsteuer B. Die Hebesätze liegen bei 300 vom Hundert in Grundsteuer A, seit 1996 nicht verändert, und bei 370 vom Hundert in Grundsteuer B, zuletzt erhöht im Jahr 2022.
Laut Transparenzregister würden Hebesätze im Bereich von 164 bis 182 vom Hundert als “aufkommensneutral” für die Stadt Stutensee gewertert werden, so Leyerle.
Der Gemeinderat beschloss, den Hebesatz für Grundsteuer A unverändert zu lassen und für die Grundsteuer B auf 179 vom Hundert festzusetzen. Noch lägen nicht alle Daten vom Finanzamt vor, aber laut bisherigen Berechnungen würde dieser Satz zu Einnahmen in Höhe von 3,104 Millionen Euro führen statt bisher von 3,163 Millionen. 57 Prozent der Grundstückseigentümer würden künftig weniger zahlen als bisher, alle anderen folglich mehr, da sich das Gesamtaufkommen kaum verändert.
Die Grundsteuer ergibt sich aus folgender Berechnung:
- Schritt: Grundsteuerwert = Grundstücksfläche x Bodenrichtwert
- Schritt: Grundsteuermessbetrag = Grundsteuerwert x Steuermesszahl
- Schritt: Grundsteuer = Grundsteuermessbetrag x Hebesatz
Nur der Hebesatz wird von der Stadt festgelegt. Da der Grundsteuermessbetrag durch die neue ermittelten Werte höher ausfällt als bisher, führt ein geringerer Hebesatz über alle Grundstücke trotzdem zum gleichen Steueraufkommen.
Veranstaltung und Hotline
Da die Stadtverwaltung mit Fragen zu der neuen Grundsteuer rechnet, führt sie am 26. November 2024 um 19 Uhr eine Infoveranstaltung in der Blankenlocher Festhalle durch. Dazu eingeladen ist ein Vertreter des gemeinsamen Gutachterausschusses. Ab dem 27. November soll zum einen eine telefonische Hotline geschaltet werden. Außerdem soll jeder die Möglichkeit bekommen, über die städtische Website seinen persönlichen Grundsteuerbetrag auszurechnen.
Das sagt der Gemeinderat
“Für die Stadt gibt es keine Mehreinnahmen”, betonte Tobias Walter (CDU/FDP). Es handele sich um eine Landesreform, Stutensee könne nichts dafür. Er freue sich, dass die Stadt dem Vorschlag seiner Fraktion nach Durchführung einer Infoveranstaltung nachkomme.
“Das neue Verfahren führt zu Steuergerechtigkeit”, so Sven Schiebel (Freie Wähler). Auch wenn es für manche nachteilig sei.
“Der Grund für das Urteil war die Ungerechtigkeit bei vergleichbaren Grundstücken”, so Kathrin Weisser (Grüne). Sie schlug vor, in ein bis zwei Jahren auch über eine Einführung der neuen Grundsteuer C nachzudenken, die sich speziell an unbebaute, aber baureife Grundstücke richte.
Gleichzeitig beschloss der Gemeinderat, die Gewerbesteuer von 360 auf 370 vom Hundert zu erhöhen, um sich den Werten aller umliegender Gemeinden anzupassen. Das führe zu Mehreinnahmen von etwa 250.000 Euro.
Fünf Mitglieder des Gremiums stimmten gegen die Anpassungen. Sie wurden aber mit großer Mehrheit angenommen.
Ergänzung 23.11.2024: Berechnungsformeln hinzugefügt, um das Verfahren verständlicher zu machen.
Korrektur 04.12.2024: Es stimmten nicht, wie angegeben, nur zwei Mitglieder des Gemeinderats gegen die Anpassung, sondern fünf. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
forum Kommentare
Die aufkommensneutrale Umsetzung der Grundsteuerreform in Stutensee ist begrüßens- und lobenswert, denn nicht alle Kommunen folgen dem Appell der Bundespolitik!
Ein Blick in die Beschlussvorlage des Gemeinderats offenbart bei genauer Betrachtung interessante Details. Während das Gesamtvolumen der Grundsteuer B mit ca. 3,1 M€ ab 2025 geringfügig sinkt, gibt es systembedingt eine Verschiebung der Belastung von Gewerbe- hin zu Wohngrundstücken. Nach Hochrechnung der Verwaltung werden Stutenseer Gewerbegrundstücke ab 2025 um ca. 50% in Höhe von rund 0,3 M€ bei der Grundsteuer entlastet. Da aufkommensneutral wird der Differenzbetrag logischerweise nun zusätzlich von Besitzern der Wohnbauflächen aufgebracht werden. Insofern ergibt sich eine Mehrbelastung von Wohnbauflächen, die jedoch nicht die Stadt zu vertreten hat. Bevor nun ein ungerechtfertigter Shitstorm gegen wen auch immer Fahrt aufnimmt, sollte die Änderung der Gewerbesteuer genauer betrachtet werden. Der Hebesatz steigt mit demselben Beschluss von 360% auf 370%. Das bringt der Stadt Mehreinnahmen von ca. 0,25 M€ ein. Ist es nun Zufall, dass die Entlastung von Gewerbeflächen bei der Grundsteuer durch die Erhöhung Gewerbesteuer nahezu kompensiert wird? Warum muss das Gewerbe in Summe nicht auch einen zusätzlichen Beitrag wie die Wohnbauflächen aufbringen?
Achja, unverständlich ist mir auch, weshalb die Stadt auf die lukrative Einnahmequelle der Grundsteuer C (baureife Grundstücke) verzichtet oder zumindest nicht konsequent weiterverfolgt. Ist die Grundsteuer C etwa kein probates Mittel gegen Brachflächen und Zersiedelung sowie zur Befüllung der Stadtkasse?
Aber auch das Abstimmungsverhalten zweier Räte ist interessant. Was waren wohl die Beweggründe der Herren Mohrhardt und Dörflinger gegen die Vorlage zu stimmen? Ist da ein Schelm, der Böses dabei denkt?
Um die Aufkommensneutralität zu gewährleisten, verzichtet die Stadt / der Gemeinderat für den Umstellungszeitpunkt auf die Einführung der Grundsteuer C. Das ist vollkommen nachvollziehbar. Sämtliche Regelungen bis auf die Hebesätze wurden vom Land vorgegeben.
Dass zwei Stadträte gegen die Hebesätze stimmen ist ihr gutes Recht, auch wenn man sich fragen kann, was denn die Alternative für die aufkommensneutralen Grundsteuer- Hebesätze sein sollte.
Die Reform der Grundsteuer
1. ändert die Berechnungsmethode des Grundsteuerwerts und damit auch des Messbetrags, und
2. führt die Grundsteuer C wieder ein.
Letztere findet sich nun auch wieder im Landesgrundsteuergesetz BW wieder.
Der Appell zur Aufkommensneutralität bezog sich nicht nur auf eine Grundsteuerart, sondern auf die Reform als Ganzes. Letztlich gibt es auch innerhalb der Grundsteuer B – wie die Verwaltung selbst ausführt – Verschiebungen. Entgegen den Darstellung von Daniel steht den Kommunen neben dem Hebesätzen auch die Grundsteuer C als Werkzeug zur Aufkommensneutralität zur Verfügung.
Auf die Grundsteuer C zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten, mag dem Aufwand zur Einführung, dem erwarteten Widerstand, usw. geschuldet sein. Aber in Anbetracht der Option ist das Verhalten der Stadt nicht zwangsläufig und damit auch nicht “vollkommen nachvollziehbar”.
Ja, Stadträte sind in ihrer Entscheidung frei, jedoch nach § 4 Abs. 4 Geschäftsordnung dem öffentlichen Wohl verpflichtet.
Unter dem Strich bleibt die Grundsteuer in Stutensee aufkommensneutral und das ist doch für den Umstellungszeitpunkt entscheidend.
Was ist hier das öffentliche Wohl und wie ist dieses durch das Abstimmungsverhalten gefährdet?
Hallo maction, die neue Grundsteuer in Baden-Württemberg wird als modifizierte Bodenwertsteuer baureife, unbebaute Grundstücke im Vergleich zum bisherigen Einheitswertverfahren verteuern. Ganz unabhängig von einer zusätzlichen Einführung der Grundsteuer C, für die auch städtebauliche Gründe vorliegen müssten. Dementsprechend werden wir als Gemeinderat beobachten, ob bereits die neue Grundsteuer zu einer “Nutzung” bislang brachliegender Grundstücke führt.
Es gibt Gründe, die sowohl für als auch gegen die Einführung einer Grundsteuer C sprechen. Grundsätzlich war mir bei meiner Entscheidung am Montag allerdings wichtig, dass die Grundstückseigentümer zur Einführung am 01.01.2025 transparent nachvollziehen können, wie sich ihre individuelle Steuerlast durch die neue Grundsteuer verändert, ohne dass die Stadt noch weitere Verschiebungen (z.B. durch eine Steuererhöhung oder eine Grundsteuer C) verursacht.
Viele Grüße, Tobias Walter
Hallo Herr Walter, vielen Dank für die sachbezogenen Hinweise und das Offenlegen ihrer Motivation in der Sache. :-)
Da das neue Grundsteuermodell vorzugsweise bei großen Altgrundstücken einen spürbaren Effekt erwarten lässt, gehe ich davon aus, dass die neue Grundsteuer B nur in Einzelfällen zu einer verstärkten Nutzung von Brachflächen führen wird bzw. nur die Grundsteuer C einen breiten, “steuernden” Effekt erzielt.
Um so mehr freue ich mich darauf, wenn der Gemeinderat die Situation in absehbarer Zeit erneut bewertet.