[Video] Paprika-Siedlung und Känguru-Viertel

Paprika-Siedlung

Beitragsbild: Aus "Friedrichstal 1962"/Amateurfilmclub Friedrichstal

Von Martin Strohal | 27.11.2024 7:00 | Keine Kommentare

Friedrichstals Keimzelle liegt rund um die Kirche am Marktplatz. Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs das Dorf nur langsam. Direkt danach gab es jedoch zwei größere Entwicklungen: Zum einen kamen nach dem Krieg Flüchtlinge, sogenannte Heimatvertriebene, aus osteurpäischen Ländern, die auch in Friedrichstal einquartiert wurden, zum anderen entwickelte sich mit dem Gebiet “Schöneichenjagen” ein großes Neubaugebiet, das die Einwohnerzahl nach oben schnellen ließ und das Leben im Ort anonymer machte.

Das Dorf wuchs langsam. Zwischendurch kam es sogar vermehrt zu Auswanderungen nach Amerika, da das knappe Flächenangebot nur eine begrenzte Anzahl an Menschen ernähren konnte. “Kanada-Weg” wurde der Weg von der Mühle, an der Schule (heute Oskar-Hornung-Haus) und dem Gasthaus Löwen vorbei, genannt, der bis zum Hafen in Schröck, heute Leopoldshafen, führte. Dort bestiegen die Auswanderer Schiffe in ihre neue Heimat.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen Flüchtlinge aus Ungarn, Jugoslawien und anderen Ländern nach Friedrichstal. Zunächst wurden sie in bestehende Häuser einquartiert. Dann wurde mit einigem Abstand zum damaligen Dorf westlich der Bahnstrecke eine eigene Siedlung für sie angelegt. “Paprika-Siedlung” wurde sie genannt. Denn wie die Hugenotten damals den Tabak mitbrachten, hatten die neuen Flüchtlinge Paprika im Gepäck, das in Friedrichstal bis dahin nicht bekannt gewesen war. Die Mehrzahl war zudem katholisch, während die bisherige Bevölkerung protestantisch war.

In den Siebzigerjahren schließlich wurde mit “Schöneichenjagen” im Südwesten des Orts ein großes Neubaugebiet angelegt für Chemiker und Physiker, die im damaligen Kernforschungszentrum, heute “KIT Campus Nord”, beschäftigt waren. Durch den großen Bevölkerungszuwachs änderte sich das Dorfleben. Anonymität hielt Einzug. Es kannte nicht mehr jeder jeden. Etwas abfällig wurde das Gebiet von den Einheimischen “Känguru-Viertel” genannt. Die neu Zugezogenen würden “große Sprünge mit leerem Beutel” machen.

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Dieses Video ist Teil 7 unserer achtteiligen Video-Reihe über die Friedrichstaler Geschichte, erzählt von Zeitzeug:innen.

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