Weihnacht bei den ‘Neigschmecktn’ – Teil4

Symbolbild: Weihnachtskarpfen

Beitragsbild: Olaf Matthei-Socha

Von Olaf Matthei-Socha | 24.12.2024 13:07 | Keine Kommentare

Bis Heiligabend ist es keine ganze Woche mehr. Wir haben ‘neigschmeckte’ Stutenseerinnen und Stutenseer gefragt, wie in ihrer Heimat eine traditionelle Weihnachtsfeier ausgesehen hat. In einer kleinen vorweihnachtlichen Reihe möchten wir ihre Antworten hier vorstellen. Heute zum Heiligabend schließen wir die Reihe mit einem Text von Lenka Wagner aus Blankenloch. Frohe Weihnachten Euch und Ihnen!

“Ich komme aus Opava (Troppau) in der Region Schlesisch-Mähren in Tschechien. Die Weihnacht meiner Kindheit in dieser Region an der polnischen Grenze war geprägt von österreichisch-schlesischer Geschichte und meinen im Krieg geflohenen katholischen Großeltern. Im Advent erwachte in uns die Vorfreude auf den Heiligen Abend.

Tradition und Aberglaube

Der wichtigste Tag war der 24 Dezember. Die Kinder mussten den ganzen Tag artig sein. Alles, was als schlechtes oder unartiges Benehmen gewertet werden konnte, würde das Christkind verärgern und hätte bedeuten können, dass man nicht so schöne Geschenke bekam. Auch die gesamte Familie hielt sich in großer Harmonie vor dem Heiligen Abend, denn hatte man Streit und Ärger, so konnte es ein ganzes Jahr anhalten.

Es war Tradition einen lebenden Karpfen auf dem Markt zu besorgen, was meist die Männer übernommen haben. Der Karpfen wurde noch im Wasser schwimmend nach Hause gebracht und manchmal auch in die Badewanne bis zum Abend gelegt, damit er noch ein wenig schwimmen konnte.

Manche Kinder haben noch etwas mit dem Tier im Bad gespielt. Nachmittags wurde der schöne Fisch schließlich geschlachtet und beim Verarbeiten behielt die Familie 3 Schuppen, um sie zu trocknen und dann in den Geldbeutel zu legen. Das brächte Geld und Segen für das ganze Jahr.

Das Abendessen

Im Fernsehen liefen den ganzen Tag tschechische Märchen, auch der in den Prager Barandov-Studios gedrehte weltberühmte Film “Drei Nüsse für Aschenbrödel”. Wir Kinder durften natürlich alle Filme sehen. Als man den Christbaum geschmückt hatte, wurde allmählich mit dem Kochen begonnen, sodass bei Anbruch der Dunkelheit das Menü bereitstehen würde. Man war elegant angezogen und der Tisch war festlich gedeckt.

Die Großmutter war für das Essen am heiligen Abend zuständig, auch die Mütter, wenn sie nicht noch den halben Tag gearbeitet haben. Wir Kinder durften nicht vorher naschen oder Fleisch essen, nur kleine Dinge und nichts Süßes. Das Menü begann mit einer Fischsuppe. Danach kam der Karpfen als panierte Filetstücke mit schlesischem Kartoffelsalat auf den Tisch. Zuletzt durften die ersten Plätzchen genascht werden. Dazu gab es meist nur Perlwein, Sekt oder Selbstgemachte Liköre.

Bescherung und Glaube

Als endlich alles Kulinarische abgeschlossen war, durften wir Kinder noch nicht zum Christbaum, sondern mussten in einen Nebenraum ganz still warten, bis ein Glöckchen klingelte. Dann wussten wir Kinder: Jetzt ist das Christkind schnell hineingeflogen und verteilt rasch alle Geschenke. Die Erwachsenen riefen nach den Kindern und voller Freude rannten sie zum Christbaum, um alles auszupacken.

Die Großeltern gingen um 23.00 Uhr zur Nachtmesse in eine nahegelege Kirche, allerdings war diese Gottesdiensttradition im alten Osten verboten. So gingen nur ein paar ältere Menschen bei Kerzenlicht heimlich und leise zur Kirche. Meist wurde ohne Priester gebetet und sie gingen ohne die begleitenden Rituale wieder nach Hause. Wir feierten ausschließlich die Geburt Jesu Christi, und beteten am Abend das “Vater Unser” nur im Kreise der Familie. Manchmal wurden auch ins Tschechische übersetzte Weihnachtslieder gesungen.”

forum Kommentare

Kommentare sind geschlossen