Dr. Klaus Mayer hielt am 16.12.2013 die Haushaltsrede für die Fraktion der Freien Wähler:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Demal,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ehrlein,
sehr geehrte Herren Amtsleiter,
werte Kolleginnen und Kollegen aus Gemeinderat und Ortschaftsräten,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
das Risiko ist groß, das Risiko ist sogar ganz erheblich, dass bei der vierten Haushaltsrede ihre Aufmerksamkeit erlahmt und ihr Interesse ermüdet ist. Denn was kann jetzt noch kommen? Sind nicht schon alle wichtigen Zahlen genannt, ist nicht schon alles gesagt, nur eben noch nicht von jedem? Nun, Politik lebt davon, dass unterschiedliche Meinungen zu gleichen Sachfragen zu einer Entscheidung zusammen gebracht werden müssen.
Lassen Sie mich heute Abend den deutschen Philosophen Georg Hegel bemühen um die Position der Freien Wähler zum Haushalt 2014 heraus zu arbeiten. Seine Methode etwas zu begreifen beruhte darauf durchaus unterschiedliche Ansichten zur Darstellung zu bringen, also aus These und Anti-These zu einer Synthese zu kommen. Sie werden sehen, das funktioniert bei der Diskussion des Haushaltes ganz gut.
Die „Welt“ schrieb am 3. Dezember: „die deutschen Unternehmer blicken immer zuversichtlicher in die Zukunft – ihre finanzielle Lage könnte kaum besser sein“. Niedrige Zinsen in Kombination mit einer hohen Sparquote sind der Nährboden für eine steigende Inlandsnachfrage. „Bild“ verwies – wie zur Bestätigung – am gleichen Tag darauf, dass deutsche Autobauer Überstunden schieben müssen und sogar die Weihnachtsferien verkürzen. Am 6. Dezember war es wieder die „Welt“, die sagte dass die öffentlichen Haushalte insgesamt, also Bund, Länder und Gemeinden schon in 2012 einen kleinen Überschuss von 0.1 % erzielt haben. Für die Jahre 2016 und 2017 werden gar Überschüsse von 0.5% der jährlichen Wirtschaftsleistung voraus gesagt. DAX Titel, so die gleiche Zeitung weiter, seien trotz der aktuellen Rekordwerte, noch unterbewertet, Deutschland biete also hervorragende Anlagemöglichkeiten. Die These, die wir daraus ableiten können heißt also: Es geht uns gut und auch die wirtschaftlichen Aussichten für die kommenden Jahre sind gut.
Die Anti-These, in Sinne der Hegel’schen Dialektik wäre dann also: Es geht uns nicht gut, jedenfalls nicht wirklich und auch in den kommenden Jahren sind die Aussichten nicht wirklich gut. Darauf wies der Bundesrechnungshof erst vor einigen Tagen hin, der einige der teuren Versprechungen im Koalitionsvertrag anprangert und den damit verbundenen Verzicht auf einen Schuldenabbau, trotz Rekordeinnahmen durch Steuern und Abgaben. Dies belastet die öffentlichen Haushalte langfristig. Insbesondere natürlich die Kommunen, denn die stehen am unteren Ende der Nahrungskette. Somit passt auch die Prognose unseres Oberbürgermeisters zur mittelfristigen Entwicklung der städtischen Finanzen ganz gut ins Bild: während Stutensee in 2014 noch 10.6 Mio Euro Rücklagen und 7.6 Mio Euro Schulden hat, werden sich in 2017 voraussichtlich 2.5 Mio Euro Rücklagen und 6.6 Mio Euro Schulden gegenüber stehen.
In der Synthese bedeutet das – und ich beschränke mich natürlich auf Stutensee – es geht uns relativ gut. Stutensee ist gut aufgestellt durch eine in den letzten Jahren und Jahrzehnten vernünftige Kommunalpolitik und eine ordentlichen Ansiedlungspolitik sowohl im Wohnbereich als auch im Gewerbebereich. Diese soliden Strukturen, die uns gut durch die Krisenjahre gebracht haben, müssen wir aber weiter ausbauen um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein. Diese Herausforderungen lassen sich auf zwei Bereiche reduzieren:
- Demographie, also eine schrumpfende, alternde zugleich aber buntere Gesellschaft und
- Finanzen, also Bereitstellung der notwendigen Mittel um die Aufgaben der Stadt bewältigen zu können.
Eine These zur demographischen Entwicklung könnte also lauten: wir brauchen keinen neuen Wohnraum – schon gar keine Neubaugebiete, keine neuen Schulen und Kindergärten; wir brauchen im wesentlichen Altenheime und seniorengerechtes Wohnen. Wenn man sich allein auf die Zahlen des statistischen Landesamtes beruft, dann kann man durchaus so argumentieren, denn wir werden immer weniger und immer älter. Die Anti-These dazu wäre dann: wenn wir der Entwicklung entgegen wirken wollen, dann müssen wir neuen Wohnraum schaffen um neue Mitbürger nach Stutensee zu ziehen. Die anderen Kommunen im Land mögen überaltern und schrumpfen, aber wir ziehen durch eine offensive Wohnungsbaupolitik junge Menschen in unsere Stadt.
Die Synthese, also die Position der Freien Wähler, ist dazu: Stutensee ist eine attraktive Stadt in strategisch günstiger Lage im Herzen der Technologieregion Karlsruhe. Hier gibt es Arbeitsplätze, hier wird Wohnraum gebraucht, aber auch Gewerbeflächen. Die derzeit hohe Nachfrage und die stark gestiegenen Preise sprechen eine deutliche Sprache. Wir müssen also bedarfsorientiert Möglichkeiten zum Wohnungsbau schaffen in der Außenentwicklung und in der Innenentwicklung. Außenentwicklung heißt konkret: mit der Erschließung der Gewerbegebietes Süd III sind wir auf dem richtigen Weg: Gewerbe heißt Arbeitsplätze, heißt Steuereinnahmen, heißt Wohnansiedlung. Die Ausweisung eines Sondergebietes in Staffort zur Ansiedlung eines Einkaufsmarktes bedeutet einen Quantensprung in Sachen Nahversorgung für diesen Stadtteil. Die Realisierung wird im kommenden Jahr erfolgen. Die Umsetzung des dritten und letzten Unterabschnitts von „Wohnen mit der Sonne“ im Stadtteil Friedrichstal steht noch aus. Weiterhin, und das liegt mir besonders am Herzen: das Baugebiet 24-Morgen Äcker muss endlich auf den Weg gebracht werden. Ein Planungsansatz ist dafür im Haushalt vorgesehen, doch das allein bedeutet keinen Fortschritt, wenn nicht die konkrete Umsetzung erfolgt, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Unser Oberbürgermeister hat sich hierzu erst jüngst öffentlich klar positioniert, so dass wir optimistisch sind, dass es nach dieser Zusage hier endlich voran geht. Schließlich sollte der westlichen Teils des Baugebietes „Unterfeld II“ zur Baureife gebracht werden mit dem Ziel der Schaffung von finanzierbarem Wohnraum insbesondere von kleineren Wohnungen für Senioren und Singles.
Wir sollten dabei aber auch die Innenentwicklung unserer Stadtteile nicht außer Acht lassen. Hier müssen wir die Balance finden zwischen Ökologie und Kleinklima und deshalb zu schützenenden Grüngerüsten einerseits und der sinnvollen Umnutzung leer stehender Ökonomiegebäude andererseits. Konkret stellen wir hierzu den Antrag, das Stadtbauamt möge Vorschläge erarbeiten für Zielvorgaben bezüglich der Umnutzung ehemaliger Ökonomiegebäude zu Wohnraum und einer sinnvollen Definition von „Bebauung der zweiten bzw. dritten Reihe“ in den alten Ortsettern. Genau in diesem Bereich bietet sich mit der Ortskernsanierung in Blankenloch die Chance qualitativ und quantitativ an privaten Immobilien und im öffentlichen Raum wesentliche Verbesserungen zu erreichen. Mit dem Neise-Gelände besteht in Blankenloch die weitere Chance, wieder einmal ein innovatives Gebiet, zum Beispiel auch unter sozialen Gesichtspunkten auf den Weg zu bringen.
Doch reichen Wohnraum und Gewerbe alleine aus um Stutensee im Wettbewerb mit umliegenden Kommunen attraktiv und zukunftsfähig zu machen? Die These dazu lautet: Stutensee steht gut da. Bei uns gibt es schon alles von der Kleinkindbetreuung über ein breites Bildungsangebot, Schwimmbad, öffentlicher Personennahverkehr, reichlich Naherholungsmöglichkeiten bis hin zu Seniorenbetreuung in den unterschiedlichsten Facetten. Die Anti-These dazu lässt sich ebenso leicht formulieren: Stutensee muss was tun. In der Kleinkindbetreuung benötigen wir noch Kapazitäten, die Schullandschaft verändert sich erheblich, beide Schwimmbäder sind marode, die Seniorenangebote werden nicht ausreichen, unsere Natur kommt immer mehr unter die Räder und die ÖPNV Anbindung an Bruchsal ist immer noch schwach.
In der Synthese zu diesem Themenkomplex stellen wir Freien Wähler folgendes fest:
- Im Bereich Erziehung und Bildung werden wachsende Aufgaben und steigende Ausgaben uns begleiten, nicht nur im kommenden Jahr, sondern noch deutlich darüber hinaus. Die Investitionen zum Ausbau von Kindertagesstätten und zur Einrichtung von Kleinkindgruppen können wir noch meistern, aber die erhöhten Betreuungskosten werden unseren Haushalt dauerhaft belasten. Dennoch steht die Unterstützung der Eltern, die nach kurzer Elternzeit wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, für uns im Vordergrund. Und jede qualitative Verbesserung im Kindergartenbereich kommt letztlich unseren Kindern zu Gute. Das Schulsystem ist im Wandel. Egal wie viele Säulen in der Bildungspolitik das Land vorgibt, als Schulträger müssen wir vor Ort unseren Kindern optimale Voraussetzungen zum Lernen schaffen. Dazu gehört auch die Einrichtung einer Ganztagesgrundschule in Blankenloch, aber auch in den Stadtteilen Friedrichstal und Spöck, sofern Bedarf besteht. Investitionen für Kinder sind Investitionen in die Zukunft. Schließlich sind sie die nächste Generation, die künftig diese Stadt und dieses Land gestalten soll. Dazu gehört weiterhin die Errichtung einer neuen Mehrzweckhalle im Stadtteil Staffort, die sowohl der Schule und Kindergarten als auch den Vereinen zu Gute kommt. Die altehrwürdige Dreschhalle sollte damit nicht automatisch in Frage gestellt werden.
- Spielplätze sind ein wichtiges Element in der Struktur unserer Wohnquartiere. Für unsere Kinder ein Ort der Begegnung und Entspannung, aber auch für die etwas reiferen Generationen. Der Bau des großen Abenteuerspielplatzes in Stadtteil Blankenloch und dessen hohe Akzeptanz zeigen, dass sich auch in diesem Bereich große Investitionen lohnen. Diesem Erfolgsmodell sollen ähnliche Abenteuerspielplätze in den Stadtteilen Friedrichstal, Spöck und Staffort in jährlichem Rhythmus folgen.
- Unsere Schwimmbäder sind in die Jahre gekommen, um nicht zu sagen sie sind abgewirtschaftet. Der Gemeinderat hat beschlossen das Stutensee-Bad durch einen Neubau zu ersetzen. Dieser Neubau muss den Badebetrieb aus beiden bisherigen Bädern aufnehmen, denn Schwimmunterricht muss an allen Stutenseer Schulen gleichermaßen zum Programm gehören. Heute soll der Beschluss für den Standort fallen und die nächsten Schritte eingeleitet werden. Eine ganz erhebliche Investition! Aber auch ein wesentlicher Standortfaktor. Um langfristig die laufenden Kosten, insbesondere die Energiekosten auf erträglichem Niveau zu halten sollten sparsame und umweltschonende Energiequellen, wie beispielsweise ein Blockheizkraftwerk, Wärmepumpentechnologie oder Solarnutzung in die Betrachtungen mit einfließen.
- Angebote für Senioren müssen verstärkt geschaffen werden. Dazu zählt nicht allein der Bereich Wohnen und Betreuung. Dazu zählen auch Einkaufsmöglichkeiten, Personennahverkehr, Begegnungsmöglichkeiten und generationenübergreifendes Zusammenleben. Diese Faktoren müssen bei allen Planungen für Infrastrukturmaßnahmen und bei Baugebieten sehr viel stärker berücksichtigt werden. Das neu eingeweihte Bürgerbüro in Staffort ist ein Paradebeispiel hierfür: es verbindet Barrierefreiheit und deutlich verbesserten Bürgerservice mit optimierten Arbeitsbedingungen. Gerade im Seniorenbereich sollte die Zusammenarbeit mit Kirchen und Vereinen weiter intensiviert werden. Im Stadtteil Spöck bietet sich mit dem Kauf der Immobilie am östlichen Ortseingang, dem ehemaligen Regenbogenland, eine hervorragende Möglichkeit zusammen mit „Kreuz und Quer“, mit den Kirchen und mit anderen Vereinen wie beispielsweise den „Heimat und Kulturfreunden“ neue Angebote zu schaffen.
- Mit der Stadtbahn, DB und Bussen ist der öffentliche Personnenahverkehr zu einem wesentlichen Mobilitätsfaktor bei uns geworden. Die aktuelle Diskussion um die Finanzlage von KVV und AVG hat nicht nur die Kreisräte aufgeschreckt sondern hat uns alle hellhörig werden lassen, wie lange wir diesen deutschlandweit vorbildlichen Service noch zu einem erschwinglichen Preis haben können. Auch die beabsichtigte Senkung der Zuschüsse durch das Land trägt nicht zu Beruhigung der Gemüter bei. Die Verlegung des DB Haltepunktes in Friedrichstal und die behindertengerechte Umgestaltung des Bahnsteiges in Blankenloch bleiben davon allerdings voraussichtlich unberührt.
- Aber Stutensee besteht nicht nur aus bebauter Fläche. Mindestens ebenso wichtig sind die Wiesen, Felder und Wälder um uns herum. Das Flurbereinigungsverfahren Stutensee-Nord wird in 2014 mit der vorläufigen Besitzeinweisung einen wesentlichen Meilenstein erleben. Damit einher gehen Pflanzungen von Bäumen und Büschen und einige Wege, die noch anzulegen sind. Bäume sollen in Stutensee reichlich gepflanzt werden, unser Oberbürgermeister hat seine Vorstellungen dazu ja bereits in der Haushaltsrede im vergangenen Jahr erläutert und das darin beinhaltete Programm „1150 Bäume für Spöck“, das Ortsvorsteher Beimel auf den Weg gebracht hat, will unsere Gärten und Wiesen mit frischem Grün versehen. Frisches Grün können unsere gemeindeeigenen Obstanlagen auch gut gebrauchen, denn der Bestand an Totholz überschreitet bei weitem das Maß dessen was ökologisch sinnvoll scheint. Die Pflege der Grasflächen unter den Bäumen sollte auch nicht ganz vergessen werden. Pflege brauchen auch unsere Gewässer zweiter Ordnung, also die Pfinz-Heglach.
Bei allen Bemühungen Stutensee zukunftsfest zu machen, müssen wir aber auch bei unseren kommunalen Ausgaben vernünftig wirtschaften.
Wir müssen die energetische Optimierung öffentlicher Gebäude weiter verfolgen. Im Bereich der Straßenbeleuchtung werden wir mit der Umstellung auf moderne LED Leuchten dauerhaft die Betriebskosten senken und damit den Verwaltungshaushalt entlasten. Wir sollten auch die erhebliche Anzahl von Ingenieur- und Gutachterleistungen auf den Prüfstand stellen und kritisch das Kosten-Nutzen Verhältnis beleuchten.
Die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen müssen auch in den nächsten Jahren genau überprüft werden. Im Koalitionsvertrag gibt es Hinweise auf eine Neuauflage der Diskussionen, die vor einigen Jahren schon einmal geführt wurden, seinerzeit allerdings mit nur wenigen Verbesserungen für die Kommunen. Wir brauchen diese Vereinbarungen mit dem Land ganz dringend, um – wie bereits angesprochen – die Investitions- und Unterhaltungskosten für die Kinderbetreuung, aber auch um die immer weiter steigenden Aufwendungen im Sozialbereich dauerhaft schultern zu können.
Aus These und Anti-These leiten wir die Schlussfolgerung ab: Insgesamt ist Stutensee gut aufgestellt um die Herausforderungen der nächsten Jahre zu meistern. Lassen Sie mich zum Ende dieser Haushaltsrede nochmals den Philosophen Georg Hegel bemühen, der sagte: „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit“. Wir sind auf gutem Kurs, wir haben die Notwendigkeiten erkannt und wir haben die Weichen richtig gestellt um uns auch in Zukunft unsere Handlungsfreiheit zu bewahren.
Dem Haushalt 2014 stimmt die Fraktion der Freien Wähler zu.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen um allen, die an der Ausarbeitung des Haushaltsplanes mitgewirkt haben, den aufrichtigen Dank der Fraktion der Freien Wähler auszusprechen. Insbesondere gilt der Dank unserem Kämmerer, Herrn Hambrecht, und seinen Mitarbeitern für die sorgfältige Vorbereitung des Entwurfes und für das Einarbeiten der Änderungswünsche der letzten Wochen.
Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich für ihr aufmerksames Zuhören.
Quelle: Freie Wähler Stutensee
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