„Wenn wir unsere Wirtschaft zukunftsfähig machen wollen, ist es an der Zeit für einen grundlegenden Wandel“. So lautete die Kernbotschaft des informativen und eingängigen Vortrags von Dr. Gerhard Schick. Zur Diskussionsveranstaltung mit dem finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion hatte die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz am vergangenen Freitag gemeinsam mit dem grünen Kreisverband und den Stutenseer Grünen in die Blankenlocher Festhalle eingeladen. Zentrales Anliegen der grünen Bundestagsfraktion ist die doppelte Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch.
„Die Einstellung ,Wir machen es effizienter’ reicht einfach nicht aus“, eröffnete der Mannheimer Bundestagsabgeordnete seinen Vortrag vor einem gut gefüllten Saal in der Blankenlocher Festhalle. Haushaltsgeräte, die in den vergangenen 25 Jahren immer stärker auf Energieeffizienz produziert würden, stünden einem gestiegenen Energieverbrauch gegenüber. Verantwortlich dafür sei auf Verbraucherseite unter anderem die gewachsene Zahl an hoch spezialisierten Geräten sowie der Boom des Mobilfunk- und Computersektors. Diese Entwicklung stehe symbolhaft für die Endlosspirale eines Wirtschaftswachstums, das schon jetzt die Lebensgrundlagen für die Mehrheit der Weltbevölkerung zerstört.
„Allein wirtschaftliche Aspekte, wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP), dürfen in Zukunft nicht mehr ausschlaggebendes Kriterium für die Bewertung von Unternehmen sein“, führte Schick den Gedanken weiter aus. Die globale Gesellschaft verfüge über soviel notwendiges Wissen, technologische Möglichkeiten und Kommunikationsmittel, dass ein Wandel mehr denn je möglich sei. Hierbei ginge es in erster Linie um die doppelte Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch, wie sie im Positionspapier der grünen Bundestagsfraktion formuliert wurde. „Das BIP spiegelt in keiner Weise ökologische, soziale und kulturelle Werte wider. Wir müssen dahin kommen, dass wir für Wohlstand und Lebensqualität wirtschaften, nicht mehr für Rendite und Gewinnmaximierung“, so der promovierte Finanzwissenschaftler.
Unternehmen sollten künftig nicht allein nach betriebswirtschaftlichem Aspekt bewertet werden, sondern auch danach, wie sie mit Energie, Ressourcen und den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen. Gleichzeitig müssten unter diesem sozialen Aspekt unsere Lebensstile überdacht werden. Dort wo es sinnvoll ist, sollte an die Stelle des Gedankens vom individuellen Besitz derjenige der „Sharing Economy“ oder des Teilens an sich treten. Innovative Konzepte wie das Car-Sharing, Unterkunftsplattformen wie „airbnb“ oder die günstige Gerätemiete im Baumarkt um die Ecke seien hier zukunftsweisende Beispiele. Diese soziale Entkopplung wird von der technologischen Entkopplung begleitet, bei der Produktionsmechanismen noch energie- und materialschonender gestaltet werden, um den überbordenden Ressourcenverbrauch einzudämmen.
Auch in der sogenannten westlichen Welt seien wir bereits in einer Ära des Niedrigwachstums angelangt, erklärte Schick weiter. Darum gelte es, den Vorrang für Gemeingüter zu betonen und die derzeitigen Arbeitsmodelle endlich den veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Wenn nicht einerseits der Staat verstärkt in die öffentliche Infrastruktur investiert, um deren Verschleiß aufzuhalten, und andererseits Kapitalanhäufung und Steuerflucht massiv unterbunden werden, drohe uns in einigen Jahren ein gesellschaftlicher Zusammenbruch ungeahnten Ausmaßes. Global müsse man zudem den Emissionshandel reformieren und strikt durchsetzen.
Im Anschluss an den Vortrag gab es zahlreiche Rückfragen und kritische Hinweise der rund 70 Anwesenden. An der Diskussion beteiligten sich auch der Fraktionsvorsitzende der Stutenseer SPD Heinrich Sickinger und Stadtkämmerer Andreas Hambrecht. Besonderes Interesse zeigte das Publikum an globalen Zusammenhängen, es wurde teils starke Kritik an der Finanzmarktpolitik und Ausbeutungsmechanismen geäußert sowie nach Einkommensmöglichkeiten für die Kommunen im Rahmen der Grünen Ökonomie gefragt. „Mit der Veranstaltung wollen wir vor allem Bewusstsein für die Wechselwirkungen des Wachstumsgedankens auf globaler und kommunaler Ebene schaffen“, erklärt die entwicklungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion Andrea Schwarz. Als Verbraucher nähmen wir durch unser Konsumverhalten nicht nur Einfluss auf lokale Entwicklungen, sondern auch auf Umwelt und Lebensbedingungen in weit entfernten Teilen der Erde. Wohlstandsgefälle, vergiftete Umwelt und ausbeuterische Produktionsmechanismen würden letzten Endes auch zu den massiven Migrationsströmen und kriegsbedingten Flüchtlingsbewegungen beitragen.
Quelle: Bündnis 90/Die Grünen Stutensee
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