Bundestagswahl 2017 – Teil 4: Europa

Symbolbild

Beitragsbild: pixel2013/pixabay.com

Von Martin Strohal | 26.08.2017 14:40 | Keine Kommentare

Am 24. September 2017 findet die nächste Bundestagswahl statt. Um die Stutenseer (Wahlkreis „Karlsruhe-Land“) über ihre Wahlmöglichkeiten zu informieren, hat meinstutensee.de die Direktkandidaten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gebeten, zu acht Themenbereichen Stellung zu nehmen. Geantwortet haben uns Axel E. Fischer (CDU), Patrick Diebold (SPD) und Pascal Haggenmüller (Grüne). Vom Kandidaten der Linken, Klaus Huska, gab es leider keine Reaktion.

Weitere Direktkandidaten im Wahlkreis „Karlsruhe-Land“ sind Christian Jung (FDP), Alexander Arpaschi (AfD) und Lars Hannemann (Die PARTEI). Diese können Sie z.B. über die Website abgeordnetenwatch.de kennenlernen und direkt befragen.

In einer Folge von acht Artikeln werden wir die Antworten der Kandidaten zu dem jeweiligen Themenbereich veröffentlichen.

Themenschwerpunkt: Europa

meinstutensee.de: Wie sehen Sie die Weiterentwicklung der Europäischen Union? Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, um Menschen wieder mehr für Europa zu begeistern? Was ist Ihr Zielbild und wie soll mit Mitgliedsländern umgegangen werden, die gegen die Grundwerte der EU verstoßen wie Ungarn und Polen?

Axel E. Fischer (CDU): CDU und CSU wollen ein starkes, selbstbewusstes und dynamisches Europa. Ein Europa, das imstande ist, seine Interessen zu wahren und sich seiner internationalen Verantwortung zu stellen. Ein Europa der Freiheit, der Sicherheit und der Prosperität, die es – falls erforderlich – auch gemeinsam verteidigen kann.

Die Zustimmung der Bürger zu Europa ist gestiegen. Zehntausende in ganz Europa gingen für „Pulse of Europe“ auf die Straße, Frankreich und Deutschland sind näher zusammengerückt. Diesmal müssen wir die Chance ergreifen und Europa fit machen für Gegenwart und Zukunft. Die Gründung der EU war die Lehre aus den verheerenden Zivilisationskatastrophen des Ersten und
des ZweitenWeltkrieges. Seither sind über 60 Jahre vergangen. Seitdem gab es zwischen EU-Mitgliedstaaten keinen einzigen Krieg, keinen einzigen Ausbruch von Gewalt. Europa ist ein Friedensprojekt. Das ist ein einzigartiger Erfolg, Rechtfertigung und Auftrag zugleich: Wir müssen unsere gemeinsame geostrategische Verantwortung für Freiheit und Frieden wahrnehmen und bei der Bewältigung von Konflikten in unserer Nachbarschaft mithelfen.

Europa muss eine wirksame Sicherheitsgarantie für die innere und äußere Sicherheit seiner Mitgliedstaaten sein. In einer zunehmend globalisierten Welt kann kein Land in Europa seine Interessen alleine und ohne Unterstützung durch andere wahren.

Mit dem Gemeinsamen Markt und dem europäischen Binnenmarkt hatte die EU die Voraussetzungen für einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen Aufschwung ihrerMitgliedstaaten geschaffen. Dafür sorgten die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit, das Beihilfen- und Wettbewerbsrecht und die Abschaffung der Grenzkontrollen. In den letzten Jahren haben einige Länder ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren. Eine immer höhere Staatsverschuldung war die Folge.

Die EU war vom ersten Tag ihres Bestehens an eine Wertegemeinschaft. Dem Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Religionsfreiheit verpflichtet. In der Europäischen Grundrechtecharta wird die Todesstrafe geächtet und die Menschenwürde geschützt. An diesen Kriterien mussten sich alle Länder messen lassen, die bisher der EU beigetreten sind. Die deutsch-französische Freundschaft, wie sie von Präsident de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer begründet wurde, war seit ihrem Bestehen der Dreh- und Angelpunkt der Europäischen Union. Viele wichtige Initiativen sind von unseren beiden Ländern ausgegangen. Frankreich und Deutschland hatten immer wieder die Kraft, sich auf große Projekte zu verständigen. So soll es auch künftig
wieder sein.

Patrick Diebold (SPD): Die Bedeutung Europas wird deutlich, wenn man den jahrzehntelangen Friedensprozess betrachtet, der aus Erbfeinden Brüder und Schwestern gemacht hat. Klar ist aber auch, dass sich unser Europa nicht mehr allein durch das Friedensversprechen legitimieren kann. Denn ein Friedensversprechen allein vermag nicht einem jungen Spanier einen Ausbildungsplatz anzubieten. Es vermag nicht einer jungen Griechin die lebensnotwendige Operation zu bezahlen, seit das Gesundheitswesen vor Ort zusammengebrochen ist. Es vermag nicht Renten zu zahlen, für faire Löhne zu verhandeln oder Steuerbetrug zu bekämpfen.

Europa für die Zukunft zu gestalten und gerechter im Sinne der Menschen zu machen, bedeutet daher für mich, das Friedensversprechen durch ein soziales Versprechen zu ergänzen. Hierzu gehört für mich ein breit angelegtes Investitionsprogramm in die grenzüberschreitenden europäischen Verkehrs- und Energienetze, in den Aufbau der modernsten Infrastruktur der Welt für schnelles Internet (europäisches Gigabit-Netz), in Bildung und Ausbildung, Forschung und Entwicklung und die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.

Es bedeutet aber auch, dass überall faire Löhne gezahlt werden und dafür gesorgt wird, dass jeder vom Fortschritt profitiert. Unternehmen sollen dort Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, nicht da, wo sie am meisten in die eigene Tasche stecken können.

Und für mich zählt die globale Verantwortung dazu, dem Europa mehr als bisher nachkommen muss. Ein Europa, das in Zukunft, auf Abrüstung, Entspannung und auf die friedliche Lösung von Konflikten setzt. Ein Europa, das Hunger und Armut in der Welt bekämpft und für gerechte Entwicklung und Menschenrechte weltweit eintritt. Und ein Europa, das den Klimaschutz ernst nimmt und Umweltschutz zum europäischen Markenzeichen macht.

Ein solidarisches Europa ist für mich ein Europa, welches die Lasten, die z.B. durch die Flüchtlingskrise entstanden sind, gerecht auf die Mitgliedsländer verteilt. Solidarität ist keine Einbahnstraße, es bedeutet ein ständiges Geben und Nehmen. Länder, die eher letzteres als Solidarität begreifen, die europäisches Recht und damit auch Menschenrechte schleifen und demokratische Errungenschaften ersetzen wollen, können nicht länger auf die Unterstützung der Union setzen. Viel mehr sollten sie sich überlegen, ob ihre weitere Mitgliedschaft sinnvoll ist.

Pascal Haggenmüller (Grüne): Die Europäische Union ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Zukunft. Eine von Werten geleitete Außenpolitik und die Sicherung des Wohlstandes und der Demokratie kann es nur mit ihr geben. Europa ist zu einem großen Teil Opfer seines eigenen Erfolgs geworden. Noch nie hatte Europa solch eine lange Periode des Friedens und der Stabilität erreicht wie zu diesen Zeiten. Wir brauchen eine transparentere Aufteilung der Aufgaben zwischen Brüssel, dem Bund, dem Land und den Kommunen. Europa muss dabei die übergeordneten großen Fragen beantworten wie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Fragen der Währungsunion und der Wirtschaftskooridnation. Dazu kommt, dass wir das europäische Parlament stärken müssen und als demokratisch legitimiertes Organ der europäischen Union mit mehr Mitspracherecht ausstatten müssen. Hier müssen die zentralen Debatten der EU geführt werden und nicht in Pariser oder Berliner Hinterzimmer oder Gipfeln.

Um beim Thema Demokratie und Rechtsstaatlichkeit glaubhaft zu bleiben, muss vom gegebenen Recht schlichtweg Gebrauch gemacht werden und Staaten im Ministerrat das Stimmrecht entzogen werden, welche versuchen die Justiz zu beengen oder die Pressefreiheit einzuschränken. Ebenso würde ich eine Einstellung der Förderungszahlungen begrüßen. Europa braucht keine neuen starken Männer, sondern eine Breite an mündigen und demokratischen Bürgerinnen und Bürger. Europa ist für mich mehr als nur eine Wirtschaftsunion, das muss aber auch im Handeln der Organe deutlich werden.

In Teil 5 wird es um Flüchtlinge und Integration gehen sowie die Sicherung der EU-Außengrenzen.

Übersicht aller Artikel zur Bundestagswahl 2017.

forum Kommentare

Kommentare sind geschlossen