Bundestagswahl 2017 – Teil 5: Flüchtlinge

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Beitragsbild: Jonathan Stutz/fotolia.com

Von Martin Strohal | 28.08.2017 20:57 | Keine Kommentare

Am 24. September 2017 findet die nächste Bundestagswahl statt. Um die Stutenseer (Wahlkreis „Karlsruhe-Land“) über ihre Wahlmöglichkeiten zu informieren, hat meinstutensee.de die Direktkandidaten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gebeten, zu acht Themenbereichen Stellung zu nehmen. Geantwortet haben uns Axel E. Fischer (CDU), Patrick Diebold (SPD) und Pascal Haggenmüller (Grüne). Vom Kandidaten der Linken, Klaus Huska, gab es leider keine Reaktion.

Weitere Direktkandidaten im Wahlkreis „Karlsruhe-Land“ sind Christian Jung (FDP), Alexander Arpaschi (AfD) und Lars Hannemann (Die PARTEI). Diese können Sie z.B. über die Website abgeordnetenwatch.de kennenlernen und direkt befragen.

In einer Folge von acht Artikeln werden wir die Antworten der Kandidaten zu dem jeweiligen Themenbereich veröffentlichen.

Themenschwerpunkt: Flüchtlinge

meinstutensee.de: Die Zahl der in Deutschland eintreffenden Flüchtlinge ist inzwischen gesunken, weltweit ist die Zahl der Menschen, die aufgrund von bewaffneten Konflikten oder Naturgewalten fliehen müssen, aber so hoch wie noch nie. Im Mittelmeer sterben weiterhin täglich Menschen, die sich eine Zukunft in Europa erhoffen. Wie soll Deutschland in Zukunft mit Asylsuchenden umgehen? Braucht Deutschland eine geregelte Zuwanderung? Sollen weiterhin die Länder an den EU-Außengrenzen wie Griechenland oder Italien die Hauptlast tragen? Wie möchten Sie die hier lebenden Flüchtlinge schnell integrieren?

Axel E. Fischer (CDU): Wir wollen Menschen in Not helfen, die Migration steuern und reduzieren und abgelehnte Bewerber konsequent zurückführen.

Wir haben uns der Herausforderung der bislang größten Flüchtlingsbewegung der Nachkriegszeit gestellt.Wir haben vielen Menschen in Not geholfen und ihnen Aufnahme und Bleibe gewährt. Wir haben die Zahl derer, die kein Bleiberecht haben, wirksam reduziert. Wir haben Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien Montenegro und Serbien zu sicheren Herkunftsländern erklärt und so die Asylbewerberzahlen wesentlich senken können. Gleiches muss für Algerien, Marokko und Tunesien gelten.

Wir haben in einem neuen Kerndatensystem die Daten aller Asylbewerber gespeichert und wirksame Maßnahmen gegen diejenigen ergriffen, die keinen Schutzanspruch haben. Wir verstärken unsere Bemühungen, diejenigen zurückzuführen und gegebenenfalls abzuschieben, deren Anträge auf Asyl rechtskräftig abgelehnt werden.

Noch immer ertrinken Menschen bei dem Versuch, insbesondere von Nordafrika aus nach Europa zu gelangen. Wir werden die menschenverachtenden Aktivitäten der Schleuser energisch bekämpfen und Möglichkeiten schaffen, dass Migranten ohne Schutzanspruch von der Überfahrt nach Europa abgehalten werden. Gleichzeitig wollen wir helfen, gemeinsam mit internationalen Organisationen ihre Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens wollen wir entsprechende Verträge auch mit afrikanischen Ländern abschließen. Eine Situation wie im Jahre 2015 soll und darf sich nicht wiederholen, da alle Beteiligten aus dieser Situation gelernt haben. Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt. Das macht es möglich, dass wir unseren humanitären Verpflichtungen durch Resettlement und Relocation nachkommen.

Europa muss seine Außengrenzen wirksam gegen illegale Migration schützen, die Grenzschutzagentur Frontex stärken und das Europäische Asylsystem vollenden. Bis der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniert, halten wir an Binnengrenzkontrollen fest. Europa muss Abkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens auch mit anderen Ländern in der Region und im nördlichen Afrika schließen. Wir müssen verhindern, dass tausende Flüchtlinge von gewissenlosen Schleppern durch halb Afrika geschleust werden, um dann auf dem Mittelmeer elend zu ertrinken.

Europa hat eine gemeinsame Verantwortung für Flüchtlinge, die verfolgt oder in großer Not sind und somit einen Schutzanspruch haben. Hier müssen alle europäischen Staaten ihrer Verantwortung nachkommen. Die EU muss das auf unser Drängen beschlossene europäische Ein- und Ausreiseregister schnellstmöglich umsetzen, damit wir wissen, welche Drittstaatsangehörigen sich bei uns aufhalten, und um terroristischen Gefährdern und Schleppern leichter das Handwerk zu legen.

Unser Land braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl. Den Fachkräftezuzug nach Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren bereits erheblich verbessert und vereinfacht. Dieser Bedarf wird in den nächsten Jahren weiter steigen – aufgrund unserer guten wirtschaftlichen Entwicklung und wegen der rückläufigen Zahl junger Menschen, die neu ins Erwerbsleben eintreten. Ausreichend Fachkräfte, die dem Arbeitsmarkt in den verschiedenen Bereichen zur Verfügung stehen, ziehen ihrerseits die Schaffung weiterer Arbeitsplätze nach sich. Deshalb braucht Deutschland ein Regelwerk zur Steuerung von Einwanderung in den Arbeitsmarkt, das sich am Bedarf unserer Volkswirtschaft orientiert. Ein solches „Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“ wird die bereits bestehenden Regelungen zusammenfassen und, wo nötig, effizienter gestalten. Voraussetzung sind der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und die Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme lehnen wir ab. Mit einer klug gesteuerten und begrenzten Einwanderungspolitik für Fachkräfte unterstützen wir die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland und verringern spürbar die Attraktivität von illegaler Einwanderung und Migration.

Wir erwarten von allen Menschen in Deutschland, ganz gleich ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die Achtung des Grundgesetzes und der Gesetze. Hiervon wird es auch künftig keine Ausnahmen geben. Darüber hinaus ist jedes Land angewiesen auf ein einigendes Band in Form von innerem Zusammenhalt und Identität. Dies ist unsere freiheitliche Leitkultur, die wir bewahren und stärken: Für die Gegenwart und für die Zukunft. Die Leitkultur ist eine ungeschriebene Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben in Deutschland. Deshalb treten Staat, Politik und Gesellschaft, für sie ein und fördern sie: Zu unserem Land gehören alte und neue Deutsche, Menschen mit und ohne deutschen Pass, mit und ohne Migrationshintergrund. Die große Mehrheit ebenso wie ethnische und gesellschaftliche Minderheiten. Wir schließen niemanden aus und bitten alle, an einer guten Zukunft Deutschlands mitzuwirken.

Es ist in beiderseitigem Interesse, dass Integration stattfindet und gelingt. So werden wir das Entstehen von Parallelgesellschaften und von Multi-Kulti verhindern. Die deutsche Sprache ist ein besonders wichtiger Teil unserer Identität und Leitkultur. Wir wollen sie künftig noch stärker fördern und wertschätzen, als Amtssprache, als Kultursprache und als Umgangssprache, in der Familie, in der Schule und im Alltag, auf allen Ebenen. Dabei haben wir durch frühkindliche Sprachförderung, durch Sprach- und Integrationskurse in den vergangenen Jahren bereits große Fortschritte gemacht. Wir streben an, dass Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, Deutsch lernen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und an gesellschaftlicher Teilhabe zu verbessern. Weil wir ein weltoffenes Land mit starker internationaler Verflechtung sind, wollen wir umgekehrt auch das Erlernen von Fremdsprachen stärker unterstützen. Unsere Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen ist unser gemeinsames unverwechselbares Erbe. Wir wollen sie allen vermitteln, die dauerhaft in Deutschland leben, nicht nur im Schulunterricht. Jeder, der neu zu uns kommt, soll sich damit vertraut machen.

Patrick Diebold (SPD): Der Rückgang der in der Bundesrepublik eintreffenenden Asylsuchenden darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es weiterhin mit einer ernsten und für die betreffenden Menschen dramatischen und existenziellen Krise zu tun haben, deren Auswirkungen derzeit nur auf die europäische Peripherie aufschlagen. Wieder einmal lässt die Bundesrepublik Länder wie Italien oder Griechenland mit den dort um Asyl suchenden Menschen allein. Länder, die selbst durch eine Wirtschafts- und Finanzkrise in Schieflage geraten sind. Das Massengrab im Mittelmeer ist eine Schande für Europa und ein Symbol für das Scheitern der Entwicklungspolitik in Afrika.

Das Asylrecht ist ein Menschenrecht und Menschenrechte kennen keine Obergrenzen. Es muss jedoch klar sein, dass das Asylrecht nur ein zeitlich befristetes Recht ist, und auch kein Einwanderungsrecht darstellt. Ist der Asylgrund nicht mehr gegeben oder liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Sinne unserer Verfassung nicht vor, so muss klar sein, dass diese Menschen nicht hierbleiben können. Viel mehr benötigen wir eine geordnete Einwanderung, welche durch ein Einwanderungsgesetz gestaltet sein muss.

Fluchtursachen bekämpfen, bedeutet primär die Lage vor Ort kurzfristig zu verbessern. Hier sehe ich vor allem ein großes Potenzial im Bereich der Entwicklungshilfe und der Förderung des zivilen Friedensdienstes. Völlig überzogene Forderungen nach Erhöhung der Militärausgaben wären im Bereich der Entwicklungshilfe besser aufgehoben. Eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit halte ich für notwendig.

Ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Integration ist die Vermittlung der deutschen Sprache. Nur dadurch lassen sich später geeignete Ausbildungs- und Arbeitsplätze finden, welche die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen berücksichtigen. Leider hat die Landesregierung von Baden-Württemberg die Wochenstundenzahl für das Fach Deutsch für Asylbewerber und Zugewanderte ohne Deutschkenntnisse an den Berufsschulen reduziert. Dies ist eindeutig der falsche Weg.

Pascal Haggenmüller (Grüne): Zunächst einmal müssen wir die Trennung von Asylrecht und Einwanderung festhalten. Asylrecht ist ein Recht auf Zeit und schützt Menschen vor Verfolgung und Tod im Herkunftsland. Das heißt jedoch nicht, dass bei uns Asylsuchende nicht auch Einwanderer werden können. Das Asylrecht ist jedoch für mich aus humanitären Gesichtspunkten nicht verhandelbar. Das Dublin-Abkommen hat sich schlicht nicht bewährt. Wir wollen ein neues, solidarisches System, das auf  einer gerechten Verantwortungsteilung unter den Mitgliedstaaten basiert. Bisher ist es ein großes Problem der Flüchtlingspolitik, dass sich einige EU-Staaten dieser Solidarität verweigern. Griechenland und Italien dürfen mit diesen Herausforderungen nicht allein gelassen werden. Wenn sich ein Land nicht an einer gerechten Verteilung beteiligen will, finde ich, dass es für die Unterbringung und Integration in anderen Ländern zahlen soll.

Beim Thema Flucht und Asyl müssen wir zwei Punkte besonders beachten. Einerseits müssen wir die Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, bei uns aufnehmen, auf der anderen Seite müssen wir viel stärker die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das heißt für mich: weltweite Eindämmung des Klimawandels, um die Zahl der Klimaflüchtlinge möglichst gering zu halten. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Entwicklungsländer herstellen und dort regionale Wirtschaftskreisläufe herstellen. Ein fairer Handel ist dabei wichtiger als ein freier Handel. Und schließlich dürfen wir autoritäre Regime nicht noch stärken indem wir Waffen in diese Gebiete liefern.

Aber auch mit Blick auf die Einwanderung wollen wir das Staatsbürgerschaftsrecht endlich der Realität anpassen. Wir GRÜNE wollen das Einwanderungsrecht liberalisieren und entbürokratisieren, ohne die nachhaltige Entwicklung in anderen Ländern zu gefährden. Fachkräfte, deren Ideen und Motivation unser Land dringend braucht, sollen einfacher als bisher einen Arbeitsplatz in Deutschland suchen können.

„Integration“ ist kein Prozess, der in zwei oder drei Monaten abgeschlossen ist, sondern dauert Jahre. Wir brauchen auf der einen Seite mehr Verständnis dafür, dass man Integration nicht im Hauruck-Verfahren umsetzen kann, auf der anderen Seite müssen wir die Kommunen gut ausstatten und beim Thema Integration unterstützen. Integration funktioniert nur durch andere Menschen, nicht per Gesetz.  Derzeit entscheidet der Aufenthaltsstaus beziehungsweise die sogenannte Bleibeperspektive über die Integration. Das schließt viele Geflüchtete aus und es geht wertvolle Zeit verloren. Wir wollen Integrationsangebote von Anfang an allen Schutzsuchenden öffnen. Gerade Ehrenamtliche müssen in ihrem Engagement durch gut ausgebildete Integrationshelfer unterstützt werden.

In Teil 6 wird es um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit gehen.

Übersicht aller Artikel zur Bundestagswahl 2017.

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