Gemeinderat lässt Bürgerentscheid zu

Lachwald August 2017

Beitragsbild: Thomas Riedel

Von Martin Strohal | 19.10.2017 20:06 | 2 Kommentare

Der Stutenseer Gemeinderat hat in seiner Sondersitzung am Donnerstag Abend den Antrag der Bürgerinitiative “Lachwald erhalten” auf Durchführung eines Bürgerentscheids einstimmig zugelassen.

Die Abstimmung soll am 18. Februar nächsten Jahres stattfinden. Die Abstimmungsfrage lautet: „Sind Sie dafür, dass der Lachwald in seiner jetzigen Form erhalten bleibt und der Beschluss des Gemeinderats zur Aufstellung eines Bebauungsplans „Lachwald II“ aufgehoben wird?“

In seiner Begrüßung betonte Oberbürgermeister Klaus Demal, dass er ein Bürgerbegehren als Teil des demokratischen Diskurses sehe. Die Stärke eines solchen Begehrens sei, dass es eine für alle verbindliche Entscheidung herbeiführe.

Susanne Suhr, Bürgerinitiative

“Langfristige Planung fehlt”

Susanne Suhr als Vertrauensperson des Bürgerbegehrens “Lachwald erhalten” bekam die – gesetzliche vorgeschriebene – Möglichkeit, die Auffassung der Bürgerinitiative vorzutragen. “In Zeiten des Klimawandels holzt man keinen Wald ab”, begann sie ihr Statement und ging dabei auf die ökologische und klimatische Bedeutung des Waldes ein. Die Sommer würden immer heißer werden, und es gebe in ganz Blankenloch und Büchig keinen Spielplatz, den man bei über 30 Grad nutzen könne – außer dem im Lachwald. Generell müsse Stutensee seine Planungen überdenken. Es gebe kein Gesamtkonzept für ganz Stutensee, das öffentlich diskutiert wurde. Es fehle an einer langfristigen Planung. “Wo soll der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum nach der Lachwaldteilbebauung gestillt werden?” fragte sie. “Wie will sich die Gemeinde finanzieren, wenn das letzte städtische Grundstück verkauft worden ist? Warum wird heute nicht darüber gesprochen?”

“Gemeinderat muss mehr Transparenz schaffen”

Zudem glaube sie nicht, dass es bei dem Projekt nur um bezahlbares Wohnen gehe. Vorwürfen, die Bürgerinitiative würde nur ablehnen, aber keine eigenen Vorschläge machen, wies sie zurück. Im Gegensatz dazu würden Stadtverwaltung und Gemeinderat das Projekt im Lachwald als alternativlos darstellen. “Wenn man keine Ideen hat, muss man sich Hilfe von außen holen”, empfahl sie. Damit ging sie vom konkreten Thema Lachwald-Bebauung über zu ihrer Sicht auf die Kommunalpolitik in Stutensee allgemein. Im Gemeinderat müsse mehr Transparenz geschaffen werden. Die wichtigeren Ausschusssitzungen, in denen noch diskutiert werde, seien in Stutensee entgegen der gesetzlichen Vorgabe überwiegend nichtöffentlich. Dadurch werde der Gemeinderat zum Abnickgremium und habe kaum Relevanz. “Diskussionen sind öffentlich auszuhalten.” Wenn die Öffentlichkeit früher eingebunden werde, gebe es mehr Ideen und eine breitere Akzeptanz von Entscheidungen. Um ein Zeichen für einen Neuanfang zu setzen könne der Gemeinderat seine Entscheidung, gegen die sich das Bürgerbegehren richtet, selbst zurücknehmen. Alternativ könne der Bürgerentscheid auch zusammen mit der Gemeinderatswahl 2019 stattfinden, um die von der Stadt veranschlagten Kosten von  etwa 35.000 Euro zu sparen.

Zum Schluss rief Suhr die Stutenseer Bevölkerung dazu auf, zur Abstimmung zu gehen und eine Änderung des Politikstils in Stutensee zu verlangen. “Retten Sie mit uns den Lachwald, und gestalten Sie mit uns die Zukunft!”

Ansgar Mayr, CDU

CDU/FDP: “Kostendeckungsvorschlag ist dilettantisch vorbereitet”

“Der Kostendeckungsvorschlag ist nicht durchführbar und dilettantisch vorbereitet”, erwiderte CDU/FDP-Fraktionsvorsitzender Ansgar Mayr. Seine Fraktion sehe sich in der Lage, das Bürgerbegehren abzulehnen. Da die Bürger jedoch vermutlich auch bei einem anderen Kostendeckungsvorschlag unterschrieben hätten, stimme die Fraktion zu, um die Entscheidung in die Hand der Bürger zu geben. Für das Projekt im Lachwald spreche die spürbare Entlastung beim Wohnraum. Außerdem werde durch die Ausgleichsmaßnahmen in höherer ökologischer Wert geschaffen als heute existiere. Alternativen für diese Fläche sehe die CDU/FDP-Fraktion nicht. An allen anderen Stellen müsse die Stadt erst Grundstücke erwerben, was sich negativ auf die Mieten auswirke. Zudem fehle Geld für Investitionen.

Klaus Mayer, Freie Wähler

Freie Wähler: “Diskussion nicht nur auf Naturschutz reduzieren”

“Die Bürgerinitiative macht Gebrauch von einer gesetzlichen Möglichkeit, das ist legitim und ein demokratisches Recht”, stellte Klaus Mayer, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler fest. Für seine Fraktion sei der Kostendeckungsvorschlag formaljuristisch in Ordnung, auch wenn die Umsetzung unrealistisch sei. Er hält es für fatal, die Diskussion auf den Aspekt Naturschutz zu reduzieren. In Bezug auf das weitere Vorgehen verwies Mayer auf die Erfahrung anderer Städte mit Bürgerentscheiden. Oft hinterließen sie bleibende Schäden und eine Spaltung in der Bevölkerung. Polemische Briefe ohne sachlichen Inhalt, beleidigende Äußerungen, Verunglimpfungen und Angriffe gegen Gemeinderatsmitglieder seien inakzeptabel. “Unterschiedliche Ansichten müssen toleriert werden.” Die von der Landesregierung vorgenommene Senkung des Quorums bei Bürgerentscheiden auf 20 % hält Mayer für zutiefst undemokratisch. Da entscheide eine Minderheit über eine Mehrheit.

Heinrich Sickinger, SPD

SPD: “Es geht nur um bezahlbaren Wohnraum, nicht um Einnahmen”

Diese Aussage wies SPD-Fraktionsvorsitzender Heinrich Sickinger zurück, schließlich habe seine Partei in der Landesregierung für diese Senkung gestimmt. “Beide Seiten müssen ihre Argumente nun in allem Anstand vortragen”, empfahl er. Anschließend widersprach er einigen Argumenten der Bürgerinitiative. Die Bebauung würde sich nicht in Blankenloch und Büchig konzentrieren. Vielmehr sei die Verteilung der Einwohner über Stutensee heute immer noch so wie zur Gründung der Stadt. Höhergeschossigkeit, wie vielmals gefordert, sei Bürgern, insbesondere den Grundstückseigentümern, nicht zu vermitteln. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ließe sich nur mit einer Millioneneinlage oder eigenen Flächen ausstatten. Stutensee habe keine Mittel für solche Subventionen, bliebe also nur die Fläche im Lachwald. “Der SPD geht es ausschließlich um bezahlbaren Wohnraum, nicht um Einnahmen”, betonte Sickinger. Die Bürger müssten nun die Verantwortung übernehmen, wenn es auf lange Zeit kein bezahlbares Wohnen in Stutensee gebe.

Lars Zinow, Grüne

Grüne: “Entscheidungswege müssen transparent sein”

Die Grünen begrüßten die Zulassung des Bürgerentscheids, so ihr Fraktionsvorsitzender Lars Zinow. “Das ist aber nur der zweitbeste Weg zur Einbeziehung der Bürger.” Die Grünen würden eine frühzeitige Einbindung der Bürger fordern, auch vor einer einheitlicher Meinung des Gemeinderats. So könne man Verständnis für schwierige Entscheidungen wecken. “Der Weg sollte transparent sein.” Das seien auch die Beweggründe für die Durchführung der Infoveranstaltung im Februar gewesen, da der Gemeinderat eine öffentliche Diskussion 2015 und 2016 abgelehnt habe. “Die Kommune muss jetzt Versäumnisse von Bund und Land regeln”, bedauerte Zinow den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, da der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt worden sei. Für Stutensee sei leider unklar, was “bezahlbar” bedeute, wie viele Wohnungen benötigt würden und welche Einwohnerdichte die Stadt brauche. Die Vorhaben sollten zuerst präzisiert, der Bedarf gegen die Möglichkeiten gehalten und dabei auf wichtige Impulse aus der Bürgerwerkstatt gehofft werden. “Damit hätten wir schon vor Jahren anfangen sollen.” Die Ersatzpflanzungen für den Lachwald würden zwei bis drei Generationen benötigen, bis sie einen gleichwertigen Ausgleich darstellten. Wenn die Not so groß sei, solle man die geplante Bebauung auf dem Neisegelände um zwei oder drei Stockwerke erhöhen. Er sehe eine ganze Reihe an Möglichkeiten.

Die formale Entscheidung über die Zulassung des Bürgerbegehrens fiel einstimmig. Ebenso alle damit zusammenhängenden Aspekte wie die Zusammensetzung des Wahlausschusses, der Abstimmungstermin am 18. Februar und die Bürgerinformation, die Ende Januar über eine Beilage zur Stutensee-Woche in Vollverteilung erfolgen soll.

forum Kommentare

FH...

Eine Anmerkung zu Herrn Mayer, Freie Wähler: Zitat “Die von der Landesregierung vorgenommene Senkung des Quorums bei Bürgerentscheiden auf 20 % hält Mayer für zutiefst undemokratisch. Da entscheide eine Minderheit über eine Mehrheit.”
Herr Mayer hat wohl den Abstimmungsmodus nicht verstanden: Selbstverständlich gewinnt immer noch die Mehrheit über die Minderheit. Gibt es mehr “Nein” als “Ja”-Stimmen, so hat das Bürgerbegehren verloren. Im Gegenteil: Das Bürgerbegehren braucht >50% “JA”-Stimmen (bezogen auf die abgegebenen Stimmen) UND mindestens 20% “Ja”-Stimmen bezogen auf die Absolutzahl der Wahlberechtigten, während ein “Nein” kein Quorum (Mindeststimmenanzahl) braucht.

Wenn ein Qurom von 20% bei einem Bürgerentscheid “zutiefst undemokratisch” sein soll, wie undemokratisch ist dann laut Herrn Mayer (Freie Wähler) erst einer Gemeinderatswahl? Dort gibt es ÜBERHAUPT KEIN Quorum. Das heißt es kann theoretisch ein einzige Person über den Gemeinderat bestimmen!

Tatsächlich ist es genau anders herum, zutiefst undemokratisch ist es dass ein Quorum größer als 0% existiert. Denn dadurch kann die Situation entstehen, dass ein Bürgerbegehren scheitert, obwohl die MEHRHEIT aller Stimmen dafür ist, nur weil eine bestimmte Wahlbeteiligung nicht übertroffen wurde. Durch das Vorhandenseins dieses Quorums entscheidet dann wirklich eine Minderheit über die Mehrheit.

Der Grund weshalb Herr Mayer das Quorum gerne höher sehen würde liegt vermutlich daran, dass bei Unterschreiten des Quorums die Entscheidung wieder zurück an den Gemeinderat und damit an Herr Mayer selbst geht. Damit hätte man die renitenten Bürger vom Hals und könnte in bekannter Manier erneut die Abholzung des Lachwaldes beschließen.