Bürgerentscheid: Streit über Informationsschrift

Lachwald August 2017

Beitragsbild: Thomas Riedel

Von Martin Strohal | 15.01.2018 21:42 | 1 Kommentar

Dem Amtsblatt “Stutensee Woche”, das diese Woche an alle Stutenseer Haushalte (auch an Nicht-Abonnenten) verteilt wird, wird eine Informationsbroschüre zum anstehenden Bürgerentscheid “Lachwald soll erhalten bleiben” beiliegen. In ihr sollen sowohl Stadtverwaltung und Gemeinderat als auch die Bürgerinitiative ihre Argumente darlegen können. Das legt die Gemeindeordnung fest:

(5) Wird ein Bürgerentscheid durchgeführt, muss den Bürgern die innerhalb der Gemeindeorgane vertretene Auffassung durch Veröffentlichung oder Zusendung einer schriftlichen Information bis zum 20. Tag vor dem Bürgerentscheid dargelegt werden. In dieser Veröffentlichung oder schriftlichen Information der Gemeinde zum Bürgerentscheid dürfen die Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens ihre Auffassung zum Gegenstand des Bürgerentscheids in gleichem Umfang darstellen wie die Gemeindeorgane.Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO), § 21

Die einleitende Seite der Informationsschrift soll neutral gehalten werden und in das Thema einführen. Bis zum Redaktionsschluss des Amtsblatts vor einigen Tagen gab es Streit über Formulierungen zwischen den Vertrauenspersonen und der Stadtverwaltung.

Die Vertrauenspersonen warfen der Stadtverwaltung vor: “Sie hatten sich Ihre Version von der Aufsichtsbehörde (das Regierungspräsidium, Anm. d. Red.) ‘absegnen’ lassen, ohne diese vorher mit den Vertrauenspersonen abzusprechen.”

“Wir haben großen Wert darauf gelegt, die Seiten 1 und 8 neutral zu gestalten”, erklärte Kornel Stiegeler, Referent des Oberbürgermeisters. “Daher war es uns wichtig, dem Regierungspräsidium den Entwurf zuvor vorzulegen, um ein von der Rechtsaufsicht geprüftes Dokument übersenden zu können.” Stiegeler wies darauf hin, dass die Stadtverwaltung mehrere Änderungen auf Vorschlag der Vertrauensleute vorgenommen habe. So werde nun auf die Briefwahlmöglichkeit hingewiesen, die Anzahl der Personen, die dem Bürgerbegehren zugestimmt haben, sei aufgenommen worden, und der Hinweis, welche Gemeinderatsfraktionen die Auffassung “Nein” vertreten, sei entfernt worden.

Insbesondere störten sich die Vertrauensleute der Bürgerinitiative an der Darstellung der Antwortmöglichkeiten. Die Stadt bevorzugte folgende Variante:

Mit „Ja“ stimmen Sie gegen das Wohngebiet „Lachwald II“ und für den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form. […]

Mit „Nein“ stimmen Sie für das Wohngebiet „Lachwald II“ auf einer Teilfläche des Lachwalds.

“Das Regierungspräsidium hat uns mitgeteilt, dass diese Fassung nicht geändert werden muss”, so Stiegeler.

Die Vertrauensleute sehen diese negative Formulierung als gezielten Affront. Sie bevorzugten die folgende Erläuterung:

Mit „Ja“ stimmen Sie für den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form und für die Aufhebung des vorhandenen Gemeinderatsbeschlusses. […]

Mit „Nein“ stimmen Sie gegen den Erhalt des Lachwalds und gegen die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses.

Auch wenn eine Änderung nicht erforderlich gewesen sei, habe die Stadtverwaltung nun einen Kompromissvorschlag des Regierungspräsidiums umgesetzt. Die Formulierung in der Informationsschrift lautet daher:

Mit JA stimmen Sie

  • für den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form,
  • für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses und folglich
  • gegen das Wohngebiet Lachwald II

Sie vertreten damit die Position des Bürgerbegehrens “Lachwald soll erhalten bleiben“, vertreten durch dessen Vertrauenspersonen Joachim Heger, Susanne Suhr, Dr. Rainer Badent.

Mit NEIN stimmen Sie

  • gegen den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form,
  • gegen die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses und folglich
  • für das Wohngebiet Lachwald II

Sie vertreten damit die mehrheitliche Position des Gemeinderats Stutensee sowie die Position der Stadtverwaltung.

Stiegeler betonte gegenüber meinstutensee.de, dass sich die ursprüngliche Formulierung eng an dem Beschluss des Gemeinderats zur Aufstellung des Bebauungsplans “Lachwald II” orientiert habe, gegen den sich der Bürgerentscheid richtet. Zentrales Element sei die wohnbauliche Entwicklung auf einer Teilfläche des Lachwalds. Der o.g. Vorschlag der Bürgerinitiative sei hingegen nur eine Umformulierung der Abstimmungsfrage und zeige nicht die Bedeutung des Abstimmungsverhaltens.

In den nächsten Wochen bis zum 18. Februar, dem Tag des Bürgerentscheids, wird meinstutensee.de alle Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen sowie die Vertreter der Bürgerinitiativen zu ihrem jeweiligen Standpunkt befragen und die Interviews veröffentlichen.

Aktualisierung 16.01.2018, 8.15 Uhr:

Auch mit dem oben genannten Kompromisstext sei die Bürgerinitiative nicht einverstanden, teilte uns Vertrauensperson Joachim Heger mit. “Wir sind der Auffassung, dass die Wähler weder für noch gegen das Wohngebiet Lachwald stimmen können.” Da es um das Bebauen einer Grünzäsur gehe, müsse der Regionalplan geändert werden, woran noch andere Stellen wie der Regionalverband beteiligt seien.

“Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass sich aus § 21 Abs. 5 GemO keine Verpflichtung der Stadt herleiten lässt, den Änderungswünschen der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens bzgl. der neutralen Seiten der Informationsbroschüre zu entsprechen”, antwortete Stefani Frank vom Regierungspräsidium darauf. Dennoch wurde mit der Stadtverwaltung die Änderung des Textes wie folgt vorgenommen:

Mit JA stimmen Sie

  • für den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form,
  • für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses und folglich
  • gegen das Verfahren zur Schaffung von Wohnraum in einem Wohngebiet “Lachwald II”

Mit NEIN stimmen Sie

  • gegen den Erhalt des Lachwalds in seiner jetzigen Form,
  • gegen die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses und folglich
  • für die Weiterführung des Verfahrens, welches die Schaffung von Wohnraum in einem Wohngebiet “Lachwald II” zum Ziel hat.

Da gestern (15. Januar) Redaktionsschluss war, bleibt abzuwarten, welche Variante letztlich in der Veröffentlichung erscheint. “Interessant wird die Geschichte, wenn die Stadt in Alleinverantwortung ihren Text veröffentlicht”, so Heger. “Dann kommen Paritätszweifel in Bezug auf § 21, Abs. 5 GemO auf.”

forum Kommentare

FH...

Eine “neutrale Seite” ist dann neutral, wenn beide Parteien, Stadt und Bürgerinitiative, dieser zustimmen. Im übrigen ist hier § 21 Abs. 5 GemO gar nicht einschlägig, da dort eine “neutrale Seite” gar nicht definiert ist, und nur festgelegt wird, dass beide Parteien ihre Auffassung im gleichen Umfang darstellen dürfen. Wenn nun die “neutrale Seite” nur von einer Parteien abgenommen wird, ist dies eindeutig nicht mehr der Fall.