Mit dem Fahrrad auf der Überholspur

Beitragsbild: Cirsten Rieger

Von Cirsten Rieger | 05.06.2018 8:36 | Keine Kommentare

Arbeitsblatt für Bürger

Menschen vor Ort früh einbeziehen

Am 18. Juni 1817 präsentierte Freiherr Karl von Drais sein Laufrad der Öffentlichkeit. Gut 200 Jahre nach seiner Erfindung startet das Fahrrad seine Karriere zum Massenfortbewegungsmittel im Alltag. Jährlich steigt die Zahl der Deutschen, die mit ihrem Drahtesel zur Arbeit fahren. Und die starke Verbreitung der E-Bikes verändert das Nutzungsverhalten noch einmal – denn diese Fahrräder ermöglichen einen wesentlich größeren Aktionsradius. Da liegt es nahe, die Infrastruktur Baden-Württembergs bis 2025 um zehn Radschnellwege zu verbessern.

Im Rahmen der laufenden Machbarkeitsstudie für Radschnellwege hatten die Bürger der Stadt Stutensee am Montagabend die Gelegenheit, sich im Bürgersaal des Rathauses mit Fachleuten über erste Streckenverläufe in der Region Mittlerer Oberrhein auszutauschen. Im Detail ging es hier um die Teilstrecken Bruchsal – Stutensee – Karlsruhe. Auch die Strecke nach Eggenstein-Leopolshafen hatten die 40 anwesenden Bürgerinnen und Bürger im Visier.

Cyril Chollet vom Regionalverband Mittlerer Oberrhein freut sich, dass die Menschen vor Ort in einem solch frühen Stadium in die Streckenbestimmung mit einbezogen werden. „Wir können nicht alle Strecken selbst abfahren. Da liegt es nahe, sich die Anregungen und Bedenken der Radfahrer einzuholen, die dort unterwegs sind“, argumentierte er.

Uwe Petry, Verkehrsplaner im Planungsbüro VAR und Leiter des Arbeitskreises „Radschnellwege“, stellte die verschiedenen Streckenabschnitte vor und erklärte die wichtigsten Punkte. Hauptaspekt sei, dass das Fahrrad entlang wichtiger Achsen des Pendlerverkehrs über größere Entfernungen sinnvoll und effektiv genutzt werden kann. Die Highways für Zweiräder sollen also ein wichtiger Baustein in der zukünftigen Mobilitätsentwicklung sein.

Uwe Petry (links)

Aber was macht einen Radweg eigentlich zu einem Radschnellweg?

Aber was macht einen Radweg eigentlich zu einem Radschnellweg? Fest steht: Es reicht nicht, Feld- und Waldwege zu asphaltieren und diese dann mit der neuen Bezeichnung zu deklarieren. Laut eines Arbeitspapiers der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) aus dem Jahr 2014 sollen Radschnellwege mindestens fünf Kilometer lang sein und so breit, dass zwei Fahrräder nebeneinander verkehren und problemlos durch ein drittes überholt werden können. Außerdem sollte die Schnellverbindung ein durchschnittliches Tempo von mindestens 20 Stundenkilometern erlauben und eine direkte und weitgehend umwegfreie Linienführung gewährleisten.

Doch hat auch Stutensee dafür Bedarf? „Ja“, meint Hans-Jörg Merkle aus Büchig. Er fährt regelmäßig mit dem Fahrrad nach Durlach ins Büro. „Und ich möchte die Radschnellwege auch nutzen, um meinen Radius in der Freizeit zu erweitern“, erzählte er. Denn aktuell fährt er mit dem Mountainbike etwa zwei Stunden nach Rastatt. „Auf gut ausgebauten Radschnellverbindungen könnte ich locker mehr schaffen und somit auch mehr sehen und erleben.“

Bäume fällen für Radweg?

Nicht nur er beteiligte sich mit vielen Anregungen und einiger Kritik an der Diskussion an insgesamt vier Stellwänden, auf denen die von Fachleuten ausgearbeiteten Streckenabschnitte zu sehen waren. Es wurden aktuelle Mängel wie die Frostgefahr auf Brücken, schlechte Oberflächen, mangelnde Beleuchtung sowie lange Wartezeiten an Querungen genauso gewissenhaft aufgenommen wie das Lob über gut ausgeklügelte Wegstrecken. Für Diskussionen sorgte eine angedachte Linienführung durch den Hardtwald, denn um die vorgeschriebene Breite eines Radschnellweges zu erreichen, müssten Bäume gefällt werden. „Auf der anderen Seite wird die Attraktivität der Wege jedoch die Zahl der Radfahrer steigern“, argumentierte Uwe Petry. Somit sei die Umwelt weniger von Autoabgasen belastet. Petry betonte mehrfach, dass die Umsetzung solcher Schnellstrecken immer unter Berücksichtigung des Naturschutzes und mit Einplanung bereits vorhandener Wege stattfinden wird, ohne dabei den Nutzen für die Radfahrer aus den Augen zu verlieren.

Mehr Lebensqualität – Umsetzung braucht Zeit

Begeistert stellte sich der Verkehrsplaner den Fragen und Anregungen der anwesenden Radler. Als Fahrlehrer in Frankfurt war er tagtäglich mit den Verkehrsproblemen einer Großstadt konfrontiert und widmete sich darum nach seinem Studium den Belangen von Fußgängern und Fahrradfahrern. Er sieht im Fahrrad wegen seiner hohen Energieeffizienz ein großes Potenzial. „Auf uns kommt eine spannende Zeit bezüglich Mobilität zu“, erklärte er. Überzeugt machte er seinen Zuhörern klar, dass es ihm persönlich um die gewonnene Lebensqualität geht – mal Luft holen, Fitness und Bewegung, Kontakte knüpfen beim Fahrradfahren. Und das auf einem Weg, den man sowieso jeden Tag macht – dem Weg zur Arbeit! Die vielen „Hausaufgaben“, die das Team des Arbeitskreises nach der Veranstaltung zu erledigen hat, sind für Petry seine Leidenschaft.

Resümee der anwesenden Bürger: Eine gute Sache, deren Umsetzung jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Und jedem recht machen, kann man es nicht! Interessierte Radfahrer können am 30. Juni sowie am 07. Juli an einer gemeinsamen Befahrung mit den Fachleuten teilnehmen und sich einen weiteren Eindruck über einige Strecken machen. Nähere Informationen werden rechtzeitig in der Presse bekanntgegeben. Fotos der Stellwände mit den Ergebnissen der Diskussionen können Anfang nächster Woche (KW24) auf www.region-karlsruhe.de eingesehen werden.

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