Sexualisierte Gewalt: Schutz von Kindern in Stutenseer Vereinen

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Von Martin Strohal | 03.09.2018 20:44 | Keine Kommentare

Seit Januar 2012 gilt das Bundeskinderschutzgesetz. Sein Ziel ist es, Lücken zu schließen, die in den bis dahin geltenden gesetzlichen Regelungen bestanden, was den Schutz von Kindern und Jugendlichen angeht. Einer dieser Punkte: Einschlägig Vorbestrafte sollen von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen werden. Diese Regelung wurde durch das Kinderschutzgesetz auch auf Ehren- und Nebenamtliche ausgeweitet. Es sei nicht akzeptabel, dass jemand, der rechtsgültig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde, eine Kindergruppe betreut, so die Idee des Gesetzes.

“Einschlägig vorbestraft” umfasst dabei eine ganze Liste an Paragrafen des Strafgesetzbuches. Sexueller Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen gehört dazu, aber auch die Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, Zuhälterei, exhibitionistische Handlungen, sexuelle Belästigung, Menschenhandel, Menschenraub und Entziehung Minderjähriger.

Doch wie kann man kontrollieren, wer in der Kinderbetreuung tätig ist? Im Landkreis Karlsruhe ist das Jugendamt des Landratsamts für dieses Thema zuständig. Irene Schuchart von der Koordinierungsstelle Kinderschutz im Ehrenamt hat im vergangenen Jahr erstmals alle Vereine in Stutensee kontaktiert. Einige hatten bereits davor Kontakt mit dem Thema über ihre Dachverbände wie Kirchen oder die Badische Sportjugend. In diesem Sommer soll ein zweites Anschreiben erfolgen an alle, die noch nicht geantwortet haben.

“Dem TV Friedrichstal und seinen Verantwortlichen ist es wichtig, diesem Thema offen zu begegnen und sich durch entsprechende Präventionsarbeit nach außen sowie nach innen klar zu positionieren, dass Gewalt jeglicher Art keine Chance gegeben wird”, sagt Lena Butzer, Jugendleiterin des Turnverein Friedrichstal. Der Verein hat mit dem Landratsamt bereits eine Vereinbarung abgeschlossen. Darin wird schriftlich festgehalten, dass sich der Verein mit Unterstützung des Jugendamts an § 72a SGB VIII hält. Dieser legt fest, dass keine einschlägig Vorbestraften in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten dürfen und legt auch das Vorgehen dazu fest. Der Verein verpflichtet sich, von all seinen Übungs- und Gruppenleitern, die mit Kindern arbeiten, regelmäßig – alle fünf Jahre – ein erweitertes Führungszeugnis einzufordern und dessen Überprüfung zu dokumentieren.

“Der CVJM Blankenloch-Büchig e.V. hat bereits im Juli 2016 eine entsprechende Vereinbarung mit dem Jugendamt geschlossen”, erklärt Jürgen Eisele, der 1. Vorsitzende der kirchlichen Einrichtung. Der gesamte Qualifizierungsprozess mit Einsicht in alle Führungszeugnisse habe etwa ein halbes Jahr beansprucht. Der Vorstand habe aber inzwischen von jedem Mitarbeiter, der in der Jugendarbeit tätig ist, das Führungszeugnis eingesehen.

Auch bei der TSG Blankenloch werde der Kinder- und Jugendschutz sehr ernst genommen, wie Vorstand Heinz Beierstorf mitteilt. Die Übungsleiter würden aufgefordert werden, entsprechende Seminare zu besuchen. “Auch sind die Übungsleiter aufgefordert, ein erweitertes Führungszeugnis abzugeben. Von einigen Übungsleitern haben wir die Unterlagen, andere sind noch im Verzug.”

“Einsicht in die Führungszeugnisse sind nicht der einzige Handlungspunkt”, wie Irene Schuchart vom Jugendamt im Gespräch mit meinstutensee.de sagt. Übungsleiter würden zu den Vertrauenspersonen von Kindern und Jugendlichen gehören. Sie müssten auch damit umgehen können, wenn ein Kind ihnen eine erfolgte Grenzüberschreitung anvertraut. Dafür sollen Vereine einen Notfallplan entwickeln. Insgesamt solle ein Verein für die ausreichende Qualifizierung seiner Verantwortlichen und Engagierten sorgen.

Der CVJM Spöck hat im vergangenen Jahr bereits eine Vereinbarung mit dem Landratsamt geschlossen. Der Organisationsaufwand sei recht groß, sagt Joel Hees, Vorstand des Vereins. “Aber das nimmt man gern in Kauf für die gute Sache.” Er habe bei dem Seminar “Alle Achtung!” der Evangelischen Jugend Baden teilgenommen und bietet die Schulung als Multiplikator im Verein zweimal jährlich an.

Der Karnevalsclub “Die Piraten” Stutensee  sei bereits jugendschutzzertifiziert, wie Melanie Reinschmidt mitteilt. Die aktuelle Sache werde aber noch intern diskutiert. “Große Bedenken, dass das Sorge bei den Eltern auslöst, haben wir aber nicht.” Bislang wurden bei den “Piraten” noch keine Führungszeugnisse der Jugendtrainerinnen und -trainer eingesehen.

“Gab es etwa einen Vorfall?” ist eine nicht unwahrscheinliche Reaktion von Eltern auf die Etablierung der neuen Regelungen in ihrem Verein. In der Tat kam es im Landkreis Karlsruhe bereits zu Missbrauchsfällen in Vereinen, so Irene Schuchart vom Jugendamt. Die gesetzliche Regelung muss von allen Vereinen mit Kinder- und Jugendarbeit eingehalten werden.

Immer wieder kommt es auch vor, dass sich ehrenamtliche Übungs- oder Gruppenleiter vor den Kopf gestoßen fühlen, dass sie sich plötzlich mit einem Führungszeugnis “rechtfertigen” müssen – hat der Verein denn kein Vertrauen mehr in sie? “Die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis stellt keinen ‘Generalverdacht’ gegen die in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Personen dar, sondern ist ein Baustein eines umfassenden Präventions- und Schutzkonzeptes”, betont das Jugendamt.

Beim TV Friedrichstal wurde bereits ein Infoabend für Übungsleiter durchgeführt, bei dem die Bildungsreferentin der Badischen Sportjugend zu Gast war. Lena Butzer, die Jugendleiterin, nahm dieses Jahr an einer Fortbildung für geschulte Ansprechpersonen in Vereinen und Verbänden teil.

Eltern können anschließend ganz beruhigt ihre Kinder in die Vereine schicken. Durch das Einführen einer “Kultur der Grenzachtung” sind Missbrauchsfälle zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, sie werden aber immer unwahrscheinlicher, wenn jeder weiß, worauf er achten muss und dass Vertuschen nicht akzeptiert wird.

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