Wie jedes seriöse Unternehmen muss auch eine Stadt jederzeit wissen, wie es um ihre finanzielle Situation bestellt ist, was sie sich im kommenden Jahr leisten kann und was womöglich noch etwas warten muss. Während in einer Regierung ein Finanzminister der Herr des Geldes ist, übernimmt diese Rolle in einer Verwaltung der Kämmerer. In Stutensee ist das seit zehn Jahren Andreas Hambrecht.
Wir haben uns mit ihm getroffen, um zu erfahren, was die Aufgaben eines Kämmerers sind und warum Steuern und Gebühren erhöht werden mussten, obwohl Stutensee doch angeblich nicht über seine Verhältnisse lebe.
“Die Aufgaben eines Kämmerers sind vielfältig”, erklärt Hambrecht, der als Amtsleiter im Rathaus für ein Team von Mitarbeitern verantwortlich ist. Mit einem Finanzminister gebe es die Gemeinsamkeit, dass beide die Haushaltsaufstellung für alle Ressorts koordinieren. Während ein Finanzminister seinen Kabinettskollegen jedoch Wünsche abschlagen und politische Entscheidungen treffen kann, hat ein Kämmerer hauptsächlich eine beratende Funktion. “Ich trage keine externe Verantwortung gegenüber Bürgern, Gemeinderat oder Aufsichtsbehörden”, so Hambrecht. Er sei nur intern gegenüber der Oberbürgermeisterin verantwortlich. Diese habe Weisungsrecht ihm gegenüber und treffe letztlich die Entscheidungen, die sie dann auch nach außen verantworte.
Haushaltsplanung
Die Kämmerei überwache den Haushalt, erstelle den Nachtrag bei hohen überplanmäßigen Ausgaben sowie die Jahresrechnung und verwalte Vermögen und Schulden der Stadt. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Aufstellung des Haushaltsplans. Darin wird festgehalten, mit welchen Einnahmen und welchen Ausgaben die Stadt im kommenden Jahr rechnet. “Damit man nicht im luftleeren Raum für ein Jahr plant und dann nicht weiß, wie es weitergeht, gibt es zudem eine mittelfristige Finanzplanung”, erläutert Hambrecht. Diese berücksichtige das zu Ende gehende und das kommende Jahr und zudem die drei Folgejahre, aktuell also bis 2022.
Wie kommt so ein Haushaltsplan zustande? Vor der Sommerpause werden alle Ämter der Stadtverwaltung aufgefordert, der Kämmerei mitzuteilen, was bis 2022 geplant ist. “Mittelanmeldung” nennt man das. So kann das Hauptamt, das u.a. für Schulen und Kindergärten zuständig ist, anmelden, dass ein neuer Kindergarten benötigt oder ein bestehender saniert werden muss. Da immer auch die Folgejahre betrachtet werden, tauche selten etwas plötzlich und unerwartet auf.
Liegen alle Mittelanmeldungen vor, prüft die Kämmerei, was finanzierbar ist. Dabei kann sie aber nicht entscheiden, ob die eine oder die andere Straße dringender saniert werden muss oder ob eine Kindergartensanierung auch noch ein Jahr warten kann. Vielmehr zeigen die Finanzfachleute auf, was machbar ist, und was mögliche Risiken sind. Die Amtsleiter müssen über eine Priorisierung entscheiden, welche Aufgaben umgesetzt werden und welche warten müssen. “Das letzte Wort bei der Erstellung des Haushaltsentwurfs hat die Oberbürgermeisterin. Über den Haushalt selbst entscheidet der Gemeinderat.”
Ein Großteil der Einnahmen der Stadt basieren auf Zuweisungen wie dem Einkommensteueranteil, die konjunkturabhängig sind. “Das muss man beachten”, betont Hambrecht. Denn wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtere, entstehen durch neu geschaffene Gebäude oder neu angestelltes Personal weiterhin laufende Kosten, was bei sinkenden Einnahmen zum Problem werden könne. “Ich verstehe mich nicht als Pessimist, sondern eher als Realist, weise aber auf Risiken hin”, beschreibt Hambrecht seine Rolle.
Umstellung des Haushaltsrechts
Seit 1974 wird bei der Haushaltsrechnung eine “Geldvermögensrechnung” eingesetzt, die sogenannte “Kameralistik”. Das ändert sich nun. Spätestens zum 1.1.2020 muss laut Gesetzgebung des Landes in allen öffentlichen Haushalten Baden-Württembergs – außer dem Landeshaushalt selbst – das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR, auch “Doppik” genannt) eingeführt werden.
Verwaltungs- und Vermögenshaushalt
Was ändert sich dadurch? Bisher wird betrachtet, woher die Stadt Geld bekommt und wofür sie es ausgibt. Dabei gibt es einen “Verwaltungshaushalt” und einen “Vermögenshaushalt”. Über den Verwaltungshaushalt laufen alle laufende Einnahmen (Steuern, Gebühren usw.) und Ausgaben (Personal- und Sachkosten u.a.). Im Vermögenshaushalt geht es um die Investitionen der Stadt wie Straßen, Kindergärten, Schulen, Friedhöfe usw. Einnahmen hier erfolgen beispielsweise aus dem Verkauf von Grundstücken, Kredite oder Zuschüsse, Ausgaben z.B. durch Neubau oder Sanierung eines Kindergartens.
Gibt es im Verwaltungshaushalt zum Ende eines Jahres einen Überschuss, wird dieser als “Zuführungsrate” an den Vermögenshaushalt übertragen. Überschüsse im Vermögenshaushalt landen in der Rücklage, dem Sparbuch der Stadt.
Wird eine neue Investition getätigt, zum Beispiel ein Schwimmbad gebaut, ist zu berücksichtigen, dass dieses in jedem Jahr nach Fertigstellung an Wert verliert. Dieser Wertverlust wird in der Finanzbuchhaltung als “Abschreibung” berücksichtigt. Im alten Haushaltsrecht geschieht das nur bei Einrichtungen, die sich überwiegend aus Einnahmen refinanzieren, wie Friedhöfe oder Kindergärten. Bei Straßen, für deren Nutzung die Bürger keine Gebühr bezahlen müssen, erfolgt keine Abschreibung.
Muss sich die Stadt Geld in Form eines Kredits leihen, um eine Investition tätigen zu können, muss dieser Kredit über mehrere Jahre wieder zurückgezahlt werden (Tilgung und Zinsen). Zinsen werden dabei als laufende Kosten im Verwaltungshaushalt verbucht, während Tilgungen im Vermögenshaushalt stehen. “Die Finanzsituation einer Kommune war bisher ok, solange die Tilgungen durch die Zuführungsrate gedeckt sind”, erklärt Hambrecht. Ziel sei, dass für die Tilgung eines Kredits keine neuen Kredite aufgenommen werden sollen. Gut sei es, wenn auch noch die bisher erfolgten Abschreibungen durch die Zuführungsrate gedeckt sind. Dies sei bisher in Stutensee der Fall gewesen.
Neues Haushaltsrecht
Das neue Haushaltsrecht, das ab dem 1.1.2020 gilt, hat einen etwas anderen Ansatz: Es soll den kompletten Ressourcenverbrauch eines Jahres nachweisen. Es muss künftig alles erwirtschaftet werden, was die Bewohner der Stadt verbraucht haben. Das bedeutet, dass auch der Wertverlust von Straßen und anderen Vermögensgegenständen berücksichtigt werden muss, was bisher nicht der Fall war. Damit das möglich ist, ist derzeit ein Dienstleister damit beauftragt, das Vermögen der Stadt zu bewerten. Künftig müssen also nicht nur Tilgungen erwirtschaftet werden, sondern sämtlicher Wertverlust (Abschreibungen). Solange die Vermögensbewertung noch nicht abgeschlossen ist, ist unklar, wie hoch dieser Wert sein wird. “Dann wird sich zeigen, ob die Erträge im Ergebnishaushalt ausreichen”, so Hambrecht.
“Die Finanzsituation der Stadt Stutensee ist gut”, betont der Kämmerer. Da die Summe der Abschreibungen nach dem neuen Haushaltsrecht jedoch höher sein werde als die bisherigen Abschreibungen, mussten die Einnahmen erhöht werden. Bei der Reduzierung der Kosten sehe er kein großes Potenzial. Auf Einnahmenseite seien Gebühren und Grund- und Gewerbesteuer auf das Niveau der Nachbargemeinden angehoben worden. Im Jahr 2020 wird sich zeigen, ob das ausgereicht hat oder ob nachjustiert werden muss. “Das hat nichts mit Misswirtschaft oder Fehlern zu tun”, hält Hambrecht fest, “sondern der Gesetzgeber definiert das jetzt anders.”
Da jede neue Investition wieder neue Abschreibungen erzeuge – unabhängig davon, ob sie aus Rücklagen oder aus Krediten finanziert wird -, sei die Stadt derzeit zurückhaltend mit Investitionen. Man könne aber auch nicht ganz auf Investitionen verzichten. “Als Beispiel: Wenn eine Schule wegen mangelhaftem Brandschutz geschlossen werden müsste, kann ich nicht mit dem neuen Haushaltsrecht kommen.”
Hambrecht sieht im neuen Haushaltsrecht jedoch auch einen Vorteil: Es sei nun besser darstellbar, wo Mittel fehlen. Entsprechende Forderungen ließen sich an das Land stellen, wenn dieses die Kommunen mit weiteren Aufgaben betraue.
Haushalt 2019
Der Entwurf des Haushaltsplans für 2019 – der letzte nach altem Recht – befindet sich derzeit in Arbeit, weshalb sich Hambrecht dazu noch nicht äußern wollte. Am 26. November werde die Oberbürgermeisterin den Entwurf im Gemeinderat vorstellen. Die Vorberatung des Haushalts erfolge öffentlich in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse am 30. November. Am 17. Dezember solle der Haushalt dann vom Gemeinderat abschließend öffentlich beraten und beschlossen werden, so der aktuelle Plan.
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