Digitalisierung ohne Ausgrenzung

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 17.11.2018 13:13 | Keine Kommentare

Bürgerschaft diskutierte über digitale Zukunft von Stutensee

Ein erstes Beispiel dafür, wie Beteiligung künftig in Stutensee aussehen soll, erlebten die rund dreißig interessierten Bürgerinnen und Bürger, die am vergangenen Freitag in die Spöcker Spechaahalle gefunden hatten. Dorthin hatte die Stadtverwaltung zum ersten Bürgercafé zum Thema „Digitalisierung“ geladen. Unter fachkundiger Anleitung des Teams Kommunalberatung der Hochschule für Verwaltung in Kehl konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Vor- und Nachteile der aktuellen Entwicklung austauschen. Dabei wurde schnell klar, dass bei aller Euphorie der Mensch nie ins Hintertreffen geraten dürfe.

“Trotz Digitalisierung soll der Mensch bei uns weiter im Mittelpunkt stehen”, fasste Bürgermeister Edgar Geißler die wichtigste Erkenntnis des ersten Bürger-Cafés zur digitalen Zukunft Stutensees zusammen. Vorangegangen war ein zweieinhalbstündiger Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern allen Alters aus allen Ortsteilen. Nachdem die Anwesenden passend zum Thema ihre Antworten zu ausgewählten Fragen direkt vom Smartphone über das Internet auf die Leinwand bringen konnten, lud das Team um Jürgen Kegelmann, Professor für Verwaltungsmanagement an der Uni Kehl, die Gäste zu einem lockeren Austausch nach der World-Café-Methode ein.

Kleingruppen diskutierten dabei im Rotationsprinzip an Tischen mit fester Themensetzung. An den Tischen ging es um die Themen “Wo können Maßnahmen der Digitalisierung bei Bildung, Vereinen, Sport, Kultur und Zivilgesellschaft helfen?”, ebenso im Bereich „Handel, Wirtschaft und Verkehr“, “Welche Bedenken sehen Sie mit der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft?” und schließlich “Wie stelle ich mir die Stadt Stutensee als digitale Zukunftskommune in fünf Jahren vor?”.

“Ich wünsche mir eine Stutensee-App”, wurde an einem Tisch vorgebracht, auch ein Live-Chat mit der Stadtverwaltung sei sicher sinnvoll. Der Handel ließe sich mit Lieferservice und Drohnen unterstützen, im Verkehrsbereich könnten sich Mitfahrgelegenheiten digital über eine “Mitfahrbank” bilden. Nicht zuletzt sei der Breitbandausbau ein wichtiger Standortfaktor. “Warum lässt sich der Vertretungsplan in der Schule nicht auf dem Handy abrufen”, fragte ein Schüler. Genauso könne man den Hallenbelegungsplan digitalisieren. Allgemein könne die Stadt die örtlichen Vereine stärker unterstützen, beispielsweise bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Auch wenn sich die Teilnehmer offen für Digitalisierung zeigten und eine Menge Ideen einbrachten. Sie sahen durchaus auch Nachteile der Entwicklung. “Vereinsamung”, “Entmenschlichung” und “Internet vergisst nicht” standen schnell auf der Liste. Auch um den Datenschutz und IT-Sicherheit sorgten sich die Bürgerinnen und Bürger. Das digitale Mobbing, Fake News und die Ausgrenzung von Personen, die nicht so digitalaffin sind, wurden ebenfalls als Probleme benannt.

In einem nächsten Schritt der Beteiligungsoffensive soll die Online-Beteiligung mit einigen Fragen auch über die Website der Stadt Stutensee durchgeführt werden. Im Januar 2019 sei ein Treffen mit den Gewerbetreibenden des ASS geplant, um den Baustein “Handel, Wirtschaft und Gewerbe” zu besprechen. In der Stadtverwaltung werde es auch intern eine Projektgruppe geben, um die Mitarbeiter fit zu machen. Im Mai 2018 hatte Stutensee einen Förderpreis für die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie vom Land Baden-Württemberg erhalten. Im Lauf des nächsten Jahres soll ein neues Konzept zur Digitalisierung vom Gemeinderat beschlossen und an das Innenministerium geschickt werden, um bei der nächsten Stufe dabei zu sein.

“Auch wenn wir nicht dabei sein sollten, werden wir an dem Thema dranbleiben”, betonte Geißler. “Wir haben die Bedeutung und Wichtigkeit erkannt.”

Mit durchwachsenen Gefühlen beurteilten die Veranstalter die Beteiligung an diesem ersten Versuch, die Bürgerbeteiligung in der großen Kreisstadt auf eine neue Ebene zu heben. “Ich war anfangs über die geringe Zahl der Anmeldungen überrascht”, gab Oberbürgermeisterin Petra Becker zu. Sie habe mehr Zuspruch erwartet. Trotzdem sehe sie in solchen Veranstaltungen die Zukunft der bürgerschaftlichen Teilhabe. “Das ist das Beteiligungsparadoxon”, stellte Professor Kegelmann dazu fest. Wenn das Thema noch nicht konkret ist, wollen sich nicht viele beteiligen. Wenn schon einiges konkret ist, werde bedauert, dass man sich nicht mehr einbringen könne.

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