Am 26. Mai ist es wieder so weit, EU-Bürger dürfen zum ersten Mal nach dem Brexit-Referendum das europäische Parlament wählen. Die diesjährigen Europaparlamentswahlen dürften dieses Jahr besonders interessant werden:
Antieuropäische und populistische Tendenzen in den Mitgliedsstaaten sowie Jungwähler, die bisher durch Proteste gegen Artikel 13/17 – die Urheberrechtsreform, die zur Einführung sogenannter Uploadfilter führen könnte, wie Kritiker befürchten – und Klimastreiks ihre Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik demonstrierten, könnten die Verteilung der Sitze im Europaparlament aufmischen.
Was macht das Europaparlament?
Oft unterschätzen EU-Bürger die Bedeutung des Europaparlaments. Das Europaparlament ist zusammen mit dem Ministerrat ein legislatives Organ der EU, das heißt: dort findet die Gesetzgebung statt. Gesetzesentwürfe der Europäischen Kommission benötigen eine Zustimmung des Europaparlaments und des Ministerrats. Außerdem besitzt das Europaparlament demokratische Kontrollrechte. Sowohl die Kommission als auch der Europäische Rat müssen dem Parlament über ihre Arbeit berichten.
Wie auch der Bundestag besitzt das Europaparlament ein Haushaltsrecht und entscheidet somit über die Verteilung der europäischen Gelder.
Da das Europarecht gegenüber dem Bundesrecht Anwendungsvorrang hat (das heißt, dass im Falle einer Kollision der Rechtsvorschriften von Union und Mitgliedsstaat das Unionsrecht angewendet werden muss), sollte man die Arbeit des Europaparlaments eigentlich genauso ernst nehmen wie die des Bundestags.
Das Wahlsystem der Europawahlen
Dieses Jahr stehen auf der deutschen Liste 41 Parteien mit ihren jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten zur Auswahl. Das Wahlrecht ist allerdings national geregelt, somit unterscheiden sich die kandidierenden Parteien und Teile des Wahlsystems in den Mitgliedsstaaten. Die Abgeordneten des Europaparlaments werden auf fünf Jahre gewählt. Aktiv wahlberechtigt ist jeder EU-Bürger ab Vollendung des 18. Lebensjahrs. Wählbar – also passiv wahlberechtigt – ist der gleiche Personenkreis.
Jeder Mitgliedsstaat hat eine feste Anzahl an Plätzen für Abgeordnete, die sich an der Bevölkerungsgröße des Landes orientieren. Mit 96 Abgeordneten hat Deutschland die meisten Sitze im Europaparlament. Das neue Europaparlament wird 705 Sitze haben. Die Sitze, die normalerweise auf Großbritannien entfallen, werden im Falle des Brexits an bisher unterrepräsentierte Länder verteilt oder für zukünftige Neumitgliedsstaaten aufbewahrt. Sollte es am 22. Mai zu einer weiteren Verschiebung des Brexits kommen, müssten auch in Großbritannien Wahlen abgehalten werden.
In allen Ländern wurde sich auf ein Verhältniswahlrecht geeinigt. Das bedeutet, dass in jedem Land jede Partei eine Liste mit Kandidaten hat und die Vergabe der Sitze sich nach der Stimmenanzahl richtet. Zusätzlich gibt es noch in einigen Länder eine Sperrklausel, die höchste ist eine 5-Prozent-Hürde, etwa in Frankreich und Litauen. In Deutschland gibt es keine Sperrklausel, somit können auch Parteien mit Stimmen unter fünf Prozent einen Sitz im Europaparlament erhalten.
Bei der Wahl hat jede und jeder Wahlberechtigte genau eine Stimme, mit der er die Liste einer Partei wählen kann – im Gegensatz zu den Kommunalwahlen werden also keine Personen angekreuzt.
Wer steht zur Wahl?
In Deutschland stehen nur deutsche Parteien und Organisationen zur Wahl. Neben den „großen“ Parteien, die im Bundestag vertreten sind, sind auch kleinere Parteien, wie die Piratenpartei oder die Tierschutzpartei, auf dem Stimmzettel zu finden. Einen ersten Überblick über alle kandidierenden Parteien sowie ihre politischen Einstellungen, lässt sich über den Wahl-O-Mat finden. Dieser ist seit dem 3. Mai online und soll als Entscheidungshilfe dienen.
Die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen ist bislang eher niedrig. Viele EU-Bürger schreiben dem Europaparlament keine große Bedeutung zu. Durch die niedrige Wahlbeteiligung gelingt es extremen Parteien jedoch sehr einfach, Sitze zu gewinnen. Umso wichtiger ist es, sein Wahlrecht in Anspruch zu nehmen.
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