Nach den Kommunalwahlen im Mai geht die Amtszeit der derzeitigen Stadträtinnen und -räte langsam ihrem Ende entgegen. Für den Stafforter Heinrich Sickinger war es die letzte Amtsperiode nach 48 Jahren ununterbrochener ehrenamtlicher Arbeit in der Lokalpolitik.
Sickinger wurde 1945 in Staffort geboren, in einem späteren Schweinestall, wie er erzählt. “Ich bin hier eng verwurzelt, ich wohne gerne hier”, sagt er. Verwandschaftliche Kontakte sind ihm sehr wichtig. Seine Familie wohnt im Ort, seine Tochter direkt nebenan, die Enkel seines Bruders sind häufig zu Besuch. Die Geburtstage von Eltern und Großeltern, die alle schon vor vielen Jahren verstorben sind, stehen im Kalender. Als Kind sei er immer auf den Friedhof geschickt worden, um zu gießen. Anschließend habe er die Grabsteine untersucht, um zu ermitteln, wer wohl der Älteste ist.
Die Begeisterung für Zahlen ist Sickinger geblieben. “Ich habe immer alles nachgerechnet”, sagt er. Letztlich wolle er in der Politik mit Beispielen überzeugen.
“Helmut Schmidt war mein politisches Vorbild”
1967 ist Sickinger in die SPD eingetreten. Einer der Gründe sei Willy Brandt gewesen. Wirklich begeistert ist er aber vor allem von Helmut Schmidt. “Das war mein politisches Vorbild.” Schmidt sei mehr für das Praktische gewesen. Eine Eigenschaft, die sich auch Sickinger zu eigen macht. Er hänge keinen Ideologien nach, sondern suche das Machbare. Das habe ihmzufolge letztlich auch zum Bruch mit der Stutenseer SPD geführt.
Zur Bundespolitik der vergangenen Jahre und dem Zustand seiner SPD heute hat er auch eine klare Meinung. Vom Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen über den Spitzensteuersatz hin zum Mindestlohn und dem Arbeitslosengeld in den Reformen der Schröder-Zeit macht er einen Rundumschlag zur Energiewende und den Fridays-for-Future-Demonstrationen. Dabei wird weder der politische Gegner noch die eigene Partei geschont: “Die Fraktion ist zweitklassig, der Parteivorstand drittklassig.” [Anmerkung: Das Gespräch fand vor dem Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles statt.]
Warum es ihn nie in die Bundespolitik gezogen hat? Wenn man aus dem kleinsten Stutenseer Stadtteil komme und nur das Potenzial der SPD habe, sei das nicht so gut möglich. Trotzdem sei eine andere Fraktion für ihn nie in Frage gekommen. “Wenn überhaupt, die Freien Wähler.”
1971: Einzug in Stafforter Gemeinderat
1971 hat Sickinger im damaligen Gemeinderat von Staffort begonnen und hat anschließend die Gründung Stutensees begleitet. Dabei sei er klar für die sogenannte Viererlösung eingetreten, also gegen eine Eingemeindung Blankenlochs nach Karlsruhe. Er habe dann als erster die Amtskette der Stadt Stutensee getragen – zur Anprobe, weil Bürgermeister Hecht in Urlaub war.
1989 bis 2004: Ortsvorsteher in Staffort
Von 1989 bis 2004 war Sickinger Ortsvorsteher in Staffort. Das Ergebnis bei der Wahl 2004 sei nicht gut gewesen, weshalb er das Amt aufgab. Sein Nachfolger wurde Ludwig-W. Heidt. Auch wenn das Verhältnis anfangs distanziert gewesen sei, verstünde er sich mittlerweile gut mit seinem Nachfolger.
Wichtige Beschlüsse
In seine Amtszeit im Gemeinderat, wo er nur von 1989 bis 1994 pausierte, fielen neben der Gründung Stutensees auch die Erweiterung des Blankenlocher Rathauses, das vorher an zwei Standorten untergebracht war. “Das beizubehalten, wäre Gift für die Verwaltung gewesen”, erinnert sich Sickinger.
Im Nachhinein bedauere er zwei Beschlüsse, die gegen seine Meinung getroffen worden seien: Zum einen, dass in der Grünzäsur zwischen Blankenloch und Büchig nicht ein Zentralfriedhof angelegt wurde, sondern stattdessen in Büchig teures Bauland „geopfert“ werden musste. Zum anderen, dass die Stafforter Mehrzweckhalle nicht als Betonhalle wie in Friedrichstal, Spöck und Blankenloch gebaut worden sei. Eine solche hätte man seiner Meinung nach für eine Million sanieren können und bräuchte nun keinen Neubau für fünf Millionen Euro.
Ob er selbst einmal rückblickend falsch gelegen habe? Das will Sickinger nicht ausschließen. Möglicherweise beim Lachwald. Auch wenn er nach wie vor dazu stehe, dass bezahlbarer Wohnraum etwas ganz Wichtiges sei. Seiner Meinung nach hätte man auch schon längst eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen sollen, die sowohl die Flüchtlingsunterkünfte als auch den neuen Wohnpark “Mittendrin” auf dem Gelände des alten Hallenbads hätte realisieren können, und zwar ausschließlich mit Mietwohnungen.
Leben abseits der Politik
Auch wenn Politik seine große Leidenschaft ist, ist sie doch nicht alles in seinem Leben. Als Realschullehrer unterrichtete Sickinger Deutsch, Sport, Erdkunde, Musik, evangelische Religion und Gemeinschaftskunde. Anfangs im schwäbischen Backnang, dann in Oberderdingen und bis 2010 schließlich in Stutensee. Seit einiger Zeit unterrichtet er dreimal pro Woche Integrationskurse in Bruchsal. “Ich kann natürlich nicht zu Hause sitzen bleiben”, stellt er fest. Dazu kommen und kamen seine musikalischen Hobbys als Mitglied des Posaunenchors in Staffort, im Chor des Thomas-Mann-Gymnasiums und beim Friedrichstaler Liederkranz, bei dem er auch einige Jahre als Vorstand tätig war, sowie im Diedelsheimer Männerchor. Zudem spielt er Tennis in Weingarten – “bei den UHUs, den Unter-Hundertjährigen”, sagt er lachend.
Wie er sich sein Leben ohne Politik vorstellt? “Ich werde mich in die Arbeit meiner Nachfolger nicht einmischen”, sagt er, schließt aber nicht aus, unter die Leserbriefschreiber zu gehen.
forum Kommentare
Von meiner Seite ein großes “Danke” für die Zusammenarbeit. Trotz ab und an unterschiedlicher Auffassungen in Sachfragen kann eines festgehalten werden: Man konnte sich stets auf Vereinbarungen mit Heiner verlassen, was in der Politik leider nicht immer der Fall ist.
Als ich den Satz “Ich werde mich in die Arbeit meiner Nachfolger nicht einmischen” gelesen habe, musste ich lachen, weil ich das nicht glaube… aber dann habe ich den folgenden Nachsatz gelesen: “schließt aber nicht aus, unter die Leserbriefschreiber zu gehen” ;-)
Herr Sickinger war beim Lachwaldentscheid zwar unser Gegner, ihm habe ich aber als Einzigem die Argumentation des “bezahlbaren Wohnraums” abgenommen. Die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft war ihm ein Herzensanliegen. Hut ab vor einem Politiker des “alten Schlages”, der zu seinen Überzeugungen steht und nicht dem gerade populären (um nicht zu sagen populistischen) Mainstream folgt. Es gibt leider nicht mehr Viele von seinem Format!
Heinrich Sickinger war nun 48 Jahre – eine unglaublich lange Zeit – für Stutensee und für Staffort aktiv. Die letzten drei Jahrzehnte habe ich ihn dabei begleitet. Wir waren sicherlich nicht immer derselben Meinung und der gemeinsame Weg war auch zeitweise etwas holprig. Dennoch schätze ich diesen Kollegen sehr und danke ihm herzlich für sein Engagement. Ich werte ihn als einen „kommunalpolitischen Visionär“, denn einige seiner „Ansagen“ stellten sich auch tatsächlich ein. Für die weitere Zukunft alles Gute!