“Erst ganz langsam verstanden wir, dass sie es ernst meinte”

Von Olaf Matthei-Socha | 05.11.2019 18:00 | Keine Kommentare

1989 – 2019. 30 Jahre Mauerfall (Kathrin Weisser)

2019 jährt sich der Fall der Berliner bereits zum 30. Mal. Nur kurze Zeit später waren die DDR und West-Berlin ein Stück Geschichte. Schon im August beschloss die Volkskammer den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland, der bereits am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde.

meinstutensee.de hat seine Leserinnen und Leser in Stutensee gefragt, wie sie sich an diesen bedeutenden Abend erinnern. Wo waren sie damals? Auf welcher Seite der Grenze? Welche Gedanken gingen ihnen damals durch den Kopf, welche Gefühle hatten sie?

Heute ein Beitrag von Kathrin Weisser.


Kathrin Weisser

Mein Vater hat am 9. November Geburtstag. 1989 saßen wir am Abend zusammen, um das zu feiern. Es war auch ein Freund meiner Eltern da, der kurz zuvor aus der DDR ausgebürgert worden war und dabei alles verloren hatte. Plötzlich kam meine Schwester aus dem Obergeschoss herunter, wo sie Fernsehen geschaut hatte, und meinte: „Die DDR ist offen!“. Wir schauten sie ungläubig  an und dachten, sie möchte uns veralbern. Erst ganz langsam verstanden wir, dass sie es ernst meinte.

Der Freund meiner Eltern freute sich sehr, denn er hatte seine Partnerin in der DDR zurückgelassen und nicht gewusst, wann oder ob er sie wieder sehen wird.  Sie haben sich dann wieder getroffen und eine lange eine Fernbeziehung geführt. Bis zu seiner Rente wohnte er bei uns im Nachbarort, seitdem leben sie zusammen in der Nähe von Erfurt.

Ich selbst war im Sommer 1990 dann drei Wochen in West-Berlin, von dort aus sind wir natürlich öfters nach Ostberlin und für ein paar Tage nach Stralsund. Die Eltern meines damaligen Freundes hatten einer Frau aus Stralsund Unterkunft geboten, ich glaub, sie war damals über die Tschechoslowakei ausgereist. Und deren Tochter oder jemanden Verwandtes haben wir in Stralsund besucht. Ich war aber vor dem Mauerfall schon mehrmals in Ostberlin gewesen, weil ich häufig zu Besuch bei meiner Tante in Berlin war.

Ich war im Herbst 1989 in der letzten Klasse vom Abitur. Unser Geschichts- und Politiklehrer hat mehr oder weniger den Lehrplan über den Haufen geworfen und wir haben mehrere Wochen nur Tagespolitik und aktuelle Geschichte im Unterricht behandelt. Es war eine sehr intensive Zeit. Für mich war und ist es von großer Bedeutung, dass mein Vater an so einem geschichtsträchtigen Datum Geburtstag hat. Auch deswegen werde ich das Datum des Mauerfalls nie vergessen.

(Zur Wendezeit lebte Kathrin Weisser in Haltingen, einem Stadtteil von Weil am Rhein im Landkreis Lörrach, seit 1997 wohnt sie in Stutensee)

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