“Manchmal waren die Gespräche so interessant, dass sie vor der Post weitergeführt wurden”

Von Olaf Matthei-Socha | 08.11.2019 18:00 | Keine Kommentare

1989 – 2019. 30 Jahre Mauerfall (Cirsten Rieger)

2019 jährt sich der Fall der Berliner bereits zum 30. Mal. Nur kurze Zeit später waren die DDR und West-Berlin ein Stück Geschichte. Schon im August beschloss die Volkskammer den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland, der kurze Zeit später am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde.

meinstutensee.de hat seine Leserinnen und Leser gefragt, wie sie sich an diesen bedeutenden Abend erinnern. Wo waren sie damals? Auf welcher Seite der Grenze? Welche Gedanken gingen ihnen damals durch den Kopf, welche Gefühle hatten sie?

Heute ein Beitrag von Cirsten Rieger.


Cirsten Rieger
Cirsten Rieger

Die sachliche Darstellung der Tagesschau machte es mir nicht leicht, die Tragweite dieses monumentalen Momentes der deutschen Geschichte emotional zu begreifen. Mein erster Gedanke war: ,Das glaube ich jetzt nicht’. Wie oft hatte ich in unserem Kleinstadt-Idyll darüber nachgedacht, wie schön es wäre, mal einen Blick über die Mauer werfen zu können. Denn ich wollte mir ein eigenes Bild von all den Geschichten, die uns aus der DDR erreichten, machen. Damals war ich 23 Jahre jung und lebte in Rotenburg/Wümme.

Die vielen Bilder und Berichte der Presse ließen Emotionalität dann schnell zu. Ich feierte mit den vielen Menschen. Mir liefen sogar ein paar Freudentränen über die Wangen. Ziemlich schnell hatte mich die Wende auch in meinem alltäglichen Leben erreicht. 

Durch meinen Beruf musste ich täglich zur Post, wo mich plötzlich lange Menschenschlangen am Schalter erwarteten. Geduldig wurde auf das Begrüßungsgeld von damals einhundert Deutsche Mark gewartet. 

Endlich konnte ich meinen ganz persönlichen Blick über die Mauer werfen, ohne mich auf eine längere Reise zu begeben. Denn ich hatte nun als Teil dieser Warteschlangen Zeit genug, mich mit den Menschen aus der DDR zu unterhalten und all meine Fragen zu stellen. Manchmal waren die Gespräche so interessant, dass sie vor der Post weitergeführt wurden. 

Ansonsten erinnere ich mich noch an die Trabi-Kolonnen, die sich durch unseren Landkreis zogen. Im Nachhinein wundere ich mich sehr, warum eine Kleinstadt zwischen Bremen und Hamburg für viele Menschen aus der DDR so interessant war. Diese Frage habe ich leider nie gestellt.

(Cirsten Rieger lebte zur Wendezeit im niedersächsischen Rotenburg/Wümme)

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