Die Schlosseichen
Sommer, Sonne, Sonnenschein! Wo geht man da am Liebsten hin? Ganz genau, an den Baggersee, um sich dort eine kleine Erfrischung zu gönnen! In Stutensee ist der Stafforter Baggersee sehr beliebt. Sie waren sicherlich auch schon einmal dort, nicht wahr? Dieser Ort könnte meines Erachtens definitiv ein Lieblingsort sein, denn er gehört zu den meist besuchten Orten in Stutensee. Obwohl ich selbst sehr gerne zum Stafforter Baggersee fahre, ist er nicht mein Lieblingsort. Jedoch habe ich auf dem Weg dorthin meinen ganz persönlichen Lieblingsort gefunden.
Um von Blankenloch zum Baggersee in Staffort zu kommen, fahre ich am liebsten mit dem Fahrrad. Der Weg, den ich immer nehme, ist der Radweg Richtung Schloss Stutensee. Diesen Weg bin ich zig Mal gefahren und bin immer, ohne es zu merken, an meinem Lieblingsort vorbeigefahren. Kennen Sie das? – Sie fahren jeden Tag oder regelmäßig den gleichen Weg und eines Tages entdecken Sie etwas, das Ihnen vorher nicht aufgefallen ist? So war es auch bei mir. An einem warmen Sommertag im letzten Jahr bin ich eher gemächlich vom Baggersee zurückgeradelt und so hatte ich mehr Zeit und Muße, mir die Umgebung mal genauer anzuschauen. Ich bin an der Hecke, die das Gelände hinter dem Schloss Stutensee vom Radweg bzw. vom Feldweg trennt, vorbeigekommen. Was mir vorher nicht aufgefallen war, ist dass die Hecke an einer Stelle für eine Zufahrt für Landwirtschaftliche Fahrzeuge unterbrochen ist. Und da hielt ich plötzlich an, denn mein Blick erhaschte etwas sehr besonderes, sehr altes, sehr großes und sehr seltenes: eine uralte Eiche!
Wenn Sie die alte Eiche das erste Mal erblicken, werden Sie vielleicht überrascht sein. Sie werden keinen Baum in voller Fülle sehen, denn die Eiche befindet sich in einem absterbenden Prozess. Doch die Kargheit der uralten Eiche faszinierte mich von Anfang an. Dieser Naturschatz zeigt seine Schönheit auf seine ganz eigene Weise, gerade weil er nicht mehr in seiner vollen Pracht dasteht.
Die Eiche ist in unserer Geschichte auch aufgrund der hohen Symbolkraft, die ihr zugeschrieben wird, seit jeher fest verankert. So sehen wir zum Beispiel noch heute das Eichenlaub auf unseren Cent-Münzen abgebildet, das seit Mitte des 19. Jahrhundert als Sinnbild für ein einheitliches deutsches Wirtschaftsgebiet steht.
Die uralten Eichen von Stutensee sind ebenfalls reich an Geschichte, denn sie sind älter als das Schloss. Man schätzt sie auf ein Alter zwischen 350 und 500 Jahren. Dass die Eichen all die Zeit überdauert haben, zeugt von ihrer Wichtigkeit. So wurden sie weder für den Bau des einstigen Gestüts sowie der Errichtung des hölzernen Jagdschlosses verwendet, noch mussten sie für das Anlegen des Schlossparks nach barocken Vorbild für Gartengestaltung – geordnet und strukturiert – weichen.
Eichen bieten nicht nur Schatten auf Weidegrund, sondern auch einer unglaublichen hohen Anzahl von Insekten einen Lebensraum. 1000 Arten können in, an, auf, unter und von der Eiche leben. Auch die Eichen von Stutensee beheimaten eine deutschlandweit einzigartig zusammengesetzte Käferwelt. Deshalb stehen die Eichen unter Naturschutz und das Gebiet um sie herum wurde zum FFH (Fauna, Flora, Habitat)-Gebiet erklärt. Das heißt zum Beispiel, dass wenn die alten Eichen absterben und keinen Halt mehr in der Erde finden, muss die gefallene Eiche als Totholz liegen bleiben und darf nicht von ihrem ursprünglichen Ort weggeschafft werden. So bieten sie für die vielzähligen und bedeutungsvollen Insekten, vor allem Käfer (manche von ihnen sind bereits vom Aussterben bedroht), weiterhin einen Lebensraum.
Die Eiche, die man vom Feldweg aus sieht, steht noch und ich betrachte sie unglaublich gerne. Für mich ist sie nicht nur ein Naturdenkmal, sondern auch eine Inspirationsquelle. Ich stelle mir immer vor, welche Geschichten mir diese alte Eiche erzählen würde. – Geschichten von Markgrafen und Herzögen, von Kriegen oder wie ein Jagdschloss zu einer Jugendeinrichtung wurde. Da ich Geschichten liebe, lasse ich mich von der Eiche und ihrem Anblick immer wieder inspirieren und denke mir meine eigenen Geschichten aus.
Das unerwartete Finden meines Lieblingsortes bewahrheitete für mich zudem den Satz: „Der Weg ist das Ziel.“ Und ich bin sehr froh, diesen Weg gegangen zu sein und diesen Naturschatz gefunden zu haben.
(Isabelle Gotschlich)
Tipp: Nicht nur die Eichen sind sehenswert. Das gesamte Außengelände um das Schloss herum ist geschmückt mit Naturschätzen.
Info: Das Schloss-Gelände ist gerade aufgrund der Corona-Pandemie für Besucher gesperrt, daher kann man die Naturschätze im Moment nicht aufsuchen. Aber Sie können Ihre Entdeckungstour der alten Naturdenkmäler ja bereits vom Feldweg aus starten.
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