Verein will Lebensmittelladen eröffnen

1. Vorsitzender Heiner Jurkitsch und seine Stellvertreterin Svantje Wagner

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 25.09.2020 16:33 | 4 Kommentare

Wieso müssen in einem reichen Land wie Deutschland arme Leute in Papierkörben nach Essensresten suchen? Wieso werden gleichzeitig Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt? Diese Ungerechtigkeit lässt Heiner Jurkitsch keine Ruhe. Gut erinnert sich der 71-Jährige an die Worte seiner Mutter in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: “Ich möchte nie wieder Hunger leiden!” Nun ist Jurkitsch selbst aktiv geworden. Sein Ziel: ein karitativer Lebensmittelladen im nördlichen Stutensee.

Zunächst erhält Jurkitsch Gegenwind. Sowohl die Spöcker Kirchengemeinde als auch die Stadtverwaltung raten ihm von dem Vorhaben ab. In Blankenloch gebe es doch bereits einen Tafelladen der Caritas. Dort könne er sich einbringen. Doch das will der gelernte Maschinenbauer, der lange im Vertrieb gearbeitet hat, nicht. Er will unabhängig sein. Mit neun Gleichgesinnten, die er per Zeitungsanzeige gefunden hat, gründet er im Juli den Verein “carlla” – “caritativer Lebensmittelladen”. Die Gemeinnützigkeit ist ihm wichtig, um Spenden einwerben zu können.

Ziel des Vereins ist die Errichtung eines Ladens, in dem Lebensmittel kostengünstig an Menschen mit geringem Einkommen abgegeben werden. Wie in einem Tafelladen – doch diese Bezeichnung ist von der Caritas geschützt, das wurde Jurkitsch von dieser bereits unmissverständlich mitgeteilt. Da die geringen Einnahmen die Kosten nicht decken werden, ist der Verein auf Spenden sowie ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen.

In den nördlichen Stutenseer Stadtteilen leben zusammen mit Karlsdorf-Neuthard und Büchenau über 25.000 Menschen, so Jurkitsch. Bei der gegenwärtigen Armutsquote – der Paritätische Wohlfahrtsverband geht von gut 12 Prozent in der Region Mittlerer Oberrhein aus – sei der Bedarf groß. “Auch Blankenlocher würden vielleicht lieber nach Spöck kommen, statt nahe der Hauptstraße gut sichtbar am Tafelladen anzustehen”, so Jurkitsch. Armut sei ein Stigma.

Nachdem die Formalien der Vereinsgründung abgeschlossen sind, geht es darum, Spender, Sponsoren und Fördermittel zu finden und einzuwerben. Ein Ladenlokal wird gesucht, ebenso ehrenamtliche Personen mit Erfahrung in Lebensmittelhandel, Lagerhaltung, Logistik oder für Transportfahrten. Die Rheintalmühle habe bereits ihre Unterstützung zugesagt. Weitere Lebensmittelhändler sollen in Kürze kontaktiert werden.

“Wir fangen ganz unten an”, sind sich Jurkitsch und die stellvertretende Vorsitzende Svantje Wagner bewusst. Aber sie sind motiviert, ihr Ziel zu erreichen.

forum Kommentare

-kwg-

Gegenwind??? Von der Kirche??? Von der Stadt??? Angst um Pfründe??? Ein Konkurrenzbetrieb???
Wenn man bedenkt, dass die bekannten Vermögenswerte der ev. und kath. Kirchen die Vorstellung von Reichtum bereits sprengen, mag man sich gar nicht ausdenken, wie groß dieser Reichtum in Wirklichkeit sein mag, wenn man auch noch die unbekannten, in den Bistümern eingelagerten Vermögenswerte dazu addiert. Der Aachener Dom steht mit 2 Euro in den Büchern. 1 Euro für den Dom und ein Euro für das Grundstück. Wenn man natürlich solche Missberechnungen anstellt, der größte deutsche Grundbesitzer ist und die Schatztruhen für Bedürftige geschlossen hält, kann dies schon mal zu Konkurrenzängsten führen.
Ich habe mich schon immer gefragt, warum ein guter oder ein weniger guter Katholik, eine gleichhohe Betretungsgebühr von 21.- € für das Vatikanmuseum in Rom bezahlen soll, um die angehäuften Schätze der Welt auch noch zu bestaunen. Da nimmt man sich doch besser das Rom-City-Ticket für einen Tag, zu einem Preis von 71.50 €. Denn dann ist der Eintritt zum Vatikan-Museum und der Sixt. Kapelle kostenlos.
Spannende Entwicklung. Tolle Rechnung. Mal sehen wem die Idee kommt, demnächst Kirchen zu Museen zu erklären. Also dann versteht man das mit dem Gegenwind auch besser. Die Kirche hofft weiter – “dann geh doch zu NETTO, da gibst immer was umsonst”, und die Stadt – hat halt das gegenläufige Problem, dass sie, wenn sie ein Mensch wäre, als erster mit einem Riesenbeutel am Tafelladen stehen würde. So ist das halt. Einer hats. Einer hats nicht. Und der Dritte, hätte es gern.
Na ja. So ist es halt einmal das Leben mit der “Marktwirtschaft und der Umverteilung”. Mal sehen wie das der Verein “carlla” hinbringt, und ob der Gegenwind demnächst nicht ganz schnell orkanartige Ausmaße annimmt. Viel Erfolg und mein Respekt für den Mut.

Old Shatterhand

Einen Tafelladen im Norden von Stutensee anzubieten, der auch noch von Karlsdorf-Neuthard und Büchenau genutzt werden könnte ist eine lobenswerte Initiative, denn der Bedarf ist sicher da. Allerdings müssen sich die Initiatoren schon die Frage gefallen lassen, warum sie unbedingt ihren eigenen Weg gehen wollen und nicht auf gemachte Erfahrungen zurückgreifen und bestehende Strukturen nutzen. Wäre es nicht sinnvoll und effizient innerhalb eines besthenden Netzwerkes arbeiten zu können? Könnte man die Energie nicht sehr viel zielgerichteter auf die eigentliche Arbeit konzentrieren, anstatt Räume, Sponsoren, Helfer und vieles mehr erst mühsam zusammensuchen zu müssen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die evang. Kirchengemeinde Spöck und die Stadtverwaltung Herrn Jurkitsch abgeraten haben, sich karitativ zu engagieren. Vielleicht haben sie ihm dazu geraten, sich bestehende Strukturen zu Nutze zu machen, um schnell und effizient helfen zu können. Einigkeit macht schließlich stark! Aber offensichtlich wurde das als “Gegenwind” interpretiert. Schade, denn die Zielsetzung ist richtig: Menschen, die Untersützung brauchen, diese auch zukommen zu lassen.

Gute Sache. Wie kann man mit euch Kontakt aufnehmen?

Redaktion meinstutensee.de

Infos über den Verein finden Sie unter http://www.carlla-ev.de