Bahnstrecke Karlsruhe – Mannheim: “Jetzt geht’s los!”

Moderator im Gespräch mit Vertretern von Bahn und Politik

Beitragsbild: Screenshot DB Netze

Von Martin Strohal | 12.11.2020 21:28 | 3 Kommentare

Pünktlich um 18 Uhr startete am Donnerstag, den 18.11., der zweistündige Online-Livestream der Deutschen Bahn zum Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung beim Bauprojekt einer Bahntrasse Karlsruhe – Mannheim. Der bundeseigene Konzern war ranghoch vertreten vom zuständigen Projektleiter bis zum Vorstand. Den Bürgerinnen und Bürgen wurde volle Transparenz und Teilnahme an der Diskussion versprochen. Gleichzeitig wurde klar gemacht, dass es am Ende die Entscheidung für einen konkreten Trassenverlauf geben muss und es davon Betroffene geben wird.

Die bestehende Bahntrasse zwischen Karlsruhe und Mannheim ist kapazitätsmäßig an ihren Grenzen angekommen. Als wichtige europäische Achse zwischen den beiden Häfen Rotterdam und Genua ist ein Ausbau schon lange Zeit beschlossen. Die Schweiz hat mit dem Gotthardbasistunnel bereits vorgelegt. Südlich von Karlsruhe sind die Arbeiten im Gange, ebenso die nördliche Verbindung zwischen Mannheim und Frankfurt. Was noch fehlt, ist der Lückenschluss zwischen Karlsruhe und Mannheim. Die Zahl der Gleise muss hier verdoppelt werden, von zwei auf vier. Da dies räumlich – beispielsweise in Stutensee – auf Widerstand in Form von Wohnbebauung stößt, muss eine geeignete Trasse gefunden werden. Als Suchraum wird dabei das Gebiet zwischen Pfälzer Wald und Kraichgau untersucht werden.

Mannheims OB Kurz

Zu Beginn der Veranstaltung, die coronabedingt online stattfand, begrüßte Moderator Ralf Eggert von der ifok GmbH politische Vertreter aus der Region. Die Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, und Mannheim, Peter Kurz, betonten die Wichtigkeit des Projekts, gestanden jedoch ein, dass die Rahmenbedingungen alles andere als einfach seien. Von Landrat Christoph Schnaudigel wurde eine Videobotschaft zugespielt, in dem dieser größtmögliche Transparenz und die Diskussion mit Region und Kommunalpolitik forderte. Er hoffe auf eine abgewogene Entscheidung, die alle einbinde und Belastungen für Umwelt und Menschen möglichst gering halte. Ministerialdirektor Uwe Lahl aus dem baden-württembergischen Verkehrsministerium sowie Andy Becht, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Verkehr in Rheinland-Pfalz betonten auch die Wichtigkeit für den Nahverkehr. Derzeit könne die Regionalbahn nicht häufiger fahren, weil keine Streckenkapazitäten mehr frei seien. “Der Prozess ist wichtig, er wird Spaß machen”, so Lahl. “Am Ende muss aber eine Trasse festgelegt werden. Und es wird am Ende immer noch Betroffene und Interessen geben. Das Ergebnis wird nicht jedem gefallen.”

Die Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, Thorsten Krenz, und Rheinland-Pfalz, Klaus Vornhusen, warben für eine aktive Beteiligung der Bevölkerung und betonten: “Es gibt keine Vorfestlegung für eine Trassenführung, wir stehen ganz am Anfang.”

Etwa 500 Zuschauer folgten der Vorstellung des Projekts durch Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und -projekte bei der DB Netz AG, sowie Projektleiter Stefan Geweke.

DB Netze-Vorstand Jens Bergmann

Es werde einen offenen Prozess geben, versprach Bergmann. Allein aus rechtlicher Sicht müssten alle geeigneten Varianten nach festgelegten Kriterien untersucht werden. Zunächst gehe es um großräumige Varianten, später gehe es ins Detail. Bestehende Untersuchungen wie die Korridorstudie, die vor einigen Jahren erstellt wurden, würden zwar in den Prozess einfließen. Letztlich werde aber alles noch einmal neu untersucht werden.

Projektleiter Geweke rechnet mit einem ersten Ergebnis möglicher Trassenvarianten im ersten Quartal nächsten Jahres. Im Jahr 2023 soll der Trassenverlauf festgelegt sein und das Raumordnungsverfahren beginnen. Für den Vergleich der Varianten nehme man sich mindestens ein Jahr Zeit. Kriterien seien unter anderem die Anzahl der Betroffenen, Schallemissionen, Kosten und Raumwiderstand.

Projektleiter Stefan Geweke

Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme konnte die Bahn noch keine Aussagen treffen. Da nicht klar sei, wie die Trasse verlaufe, ob Brücken- oder Tunnelbauwerke benötigt würden, ließen sich weder die Baukosten noch die Bauzeit im Vorfeld angeben. Erfahrungsgemäß handele es sich um einen Zeitraum von fünfzehn bis zwanzig Jahren.

Der Antrag zur Genehmigung einer Planung werde letztlich von der Deutschen Bahn beim Eisenbahnbundesamt gestellt werden. Sicher werde auch das Bundesverkehrsministerium mitmischen. Ministerialdirigent Lahl betonte: “Der Beteiligungsprozess trifft keine Entscheidung.” Es werde also nicht diskutiert und am Ende gemeinschaftlich abgestimmt. Die Bürgerschaft habe die Möglichkeit, Fragen und Argumente einzubringen. Aber letztlich würden auch rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Möglichkeiten in die Entscheidung einfließen.

Die Bevölkerung hat jederzeit die Möglichkeit, sich über die Projekt-Website www.mannheim-karlsruhe.de zu informieren. Dort sollen alle Fragen mit Antworten der Livestream-Teilnehmer in den nächsten Tagen veröffentlicht werden, ebenso die gezeigte Präsentation. Fragen und Anregungen können jederzeit über die dort angegebene E-Mail-Adresse eingereicht werden. Vertreter unter anderem aus Politik, Naturschutz und Vereinen werden regelmäßig in Form eines Dialogforums von der Bahn zur Information und Diskussion eingeladen werden.

“Wir wollen gemeinsam transparent und nachvollziehbar die Strecke planen”, betonte Konzernbevollmächtigter Krenz.

Oberbürgermeisterin Petra Becker hatte sich im Vorfeld nicht begeistert von der Planung dieser Veranstaltung gezeigt. Die Bahn sei bei der Terminfestlegung völlig ohne Einbeziehung der politischen Vertreter:innen in der Region vorgegangen. So fand zur gleichen Zeit eine Sitzung des Kreistags statt, weshalb vielen Stadtoberhäuptern eine Teilnahme an der Veranstaltung der Bahn nicht möglich war. “So kann man mit uns nicht umgehen”, sagte Becker in der letzten Gemeinderatssitzung.

Zum Überblick über das Projekt an sich hat die DB Netze folgendes Video produziert:

forum Kommentare

FH...

…eine eigentlich gelungene virtuelle Veranstaltung, allerdings: Wo bleibt die versprochene Transparenz? Herr Stohal zeigt oben die wichtigste Folie des Abends: Den Terminplan. Bekanntermaßen befinden wir uns aktuell mitten im 4. Quartal 2020. Die Raumwiderstandsanalyse ist gemäß Plan bereits seit Wochen abgeschlossen und die Findung der Grobkorridore mitten im Gang. Diese wird bereits im 1. Quartal 2021, also in gut 4 Monaten beendet sein. Und nur in diesen Grobkorridoren wird die zu realisierende Trasse liegen. Warum wurden die Ergebnisse der Raumwiderstandsanalyse, also die Grundlage der Grobkorridore, nicht präsentiert?? Transparenz geht anders! – So bleibt wieder einmal der fade Beigeschmack, dass diese „Bürgerbeteiligung“ nur ein Feigenblatt ist…

Dieser Magistrale von Genua nach Rotterdam, die in den Jahren 1992 im Vertrag von Warnemünde und 1996 im Vertrag von Lugano mit 1300 km Streckenlänge zum wichtigsten Schienenprojekt Europas ausgerufen wurde, sind doch in Deutschland schon lange wieder die Füße eingeschlafen. Alle Länder wie die Schweiz, Italien und die Holländer halten sich an die Abmachungen, wer nicht mitspielt- Deutschland. Die sorgen mit ihrem schneckentempoartigen Fortschritt, für die schwierige Situation, der Flaschenhalsbildung, überwiegend in unserem Bereich Mannheim – Karlsruhe. Holland fertig….Schweiz fertig…..Italien rollt……bei uns Gelassenheit. Fertigstellung 2035 ist so in der Abschluss-Planung. Was das heißt, kann man am Flughafen Berlin mathematisch ableiten. Also was für Aussichten für die Anlieger an der jetzigen Bahnlinie? Gute- ruhige Stunden? Ich denke eher nicht. Hohe Bahnverkehrsverdichtungen im länderübergreifenden Güterverkehr werden zum Blitzableiter der aufkommenden Verkehrssituation. Mehr Güterverkehr in der Nacht entlang der Bahnhofstrasse. Noch mehr. Ratam-Ratam- bye-bye- Immissionsschutz. Nach dem Terminplan ist ja die Raumwiderstandsanalyse bereits abgeschlossen. Von zu erwartendem Widerstand hat man allerdings bisher noch nicht viel zu hören bekommen, was ich mir so gar nicht vorstellen kann. Raumwiderstandsanalyse – schon allein diese Wortkreation hat eigentlich Widerstand verdient.

Jens Richter

Das sehe ich auch so wie die beiden Vor-Kommentatoren.
Aber die Bahn wies ja mehrfach drauf hin, dass man ihr Fragen stellen kann und soll.
Wäre gut, wenn wir in Stutensee, die von uns gestellten Fragen und Antworten der DB irgendwie sammeln würden. So hätten wir die Möglichkeit, zu verfolgen, in welchem Zeitraum und ob und wie überhaupt darauf eingegangen wird.