Freundschaft über Grenzen hinweg

Signierstunde am Büchertisch

Von Martin Strohal | 24.05.2022 22:17 | Keine Kommentare

Deutsch-deutsche Geschichte der Siebziger- und Achtzigerjahre aus Sicht von zwei Jugendlichen stand vergangenen Zeitpunkt im Mittelpunkt einer Lesung in Spöck. Songs aus der damaligen Zeit sorgten musikalisch für die passende Stimmung. Autorin Stefanie Wally nahm das Publikum im Spöcker Begegnungszentrum Regenbogen hautnah mit in ihre Lebensgeschichte. Vielfach kamen bei den Zuhörer:innen Erinnerungen hoch an Lebensmittelpakete, die damals in die DDR geschickt wurden oder an Besuche dort.

Stefanie Wally wurde 1971 geboren. Im “Westen”. Briefe und Postkarten spielten eine ganz besondere für ihr Leben damals. In ihrem Buch “Akte Luftballon” erzählt sie eindrucksvoll davon. Das stellte Wally dem Stutenseer Publikum im Rahmen einer “musikalischen Lesung” vergangene Woche vor. Mit emotional vorgetragenen Dialogen und Erzählpassagen gelang war die eher wie ein Ein-Personen-Theaterstück aufgebaut.

1977 ließ Wally in Dossenheim bei Heidelberg einen gelben Luftballon fliegen. Der trieb über die innerdeutsche Grenze und wurde in Lommatzsch bei Meißen von einem Mann gefunden, der den Ballon mit angehängter Karte seiner Enkelin brachte. Aus diesem Kontakt mit Anke, der anfangs maßgeblich von den Müttern der beiden Mädchen befördert wurde, entwickelte sich eine Freundschaft, die bis heute anhält.

Fotos und Ansichtskarten aus der damaligen Zeit schufen eine intensive Atmosphäre, die Paul Taube am Klavier passenden Liedern unterstützte, von Nenas “99 Luftballons”, “Über sieben Brücken musst du gehen” von Karat und Peter Maffay bis hin zu “Wind of Change” von den Scorpions und “Hinterm Horizont” von Udo Lindenberg. Mal sangen Taube und Wally im Duett, mal diente die Musik als Klanghintergrund zu Wallys Erzählung.

Als Stefanie und ihre ostdeutsche Freundin Anke älter wurden, stießen sie auf die Unterschiede in den beiden deutschen Staaten, von den verfügbaren Produkten im Supermarkt bis zu den unterschiedlichen Reisezielen. Groß war der Schreck, als ihnen klar wurde, dass die Briefe von der Stasi mitgelesen wurden. Anke wurde schließlich empfohlen, den Westkontakt abzubrechen und in die Partei einzutreten, wenn sie denn studieren wollte.

Zum Ende der Veranstaltung schlug Stefanie Wally den Bogen zur Gegenwart. Gerade heute, wo Menschen wieder Grenzen ziehen und Krieg in Europa herrsche, aber auch Mauern in den Köpfen bestünden, solle klar sein, wie wichtig Freiheit und der Rechtsstaat seien. “Erinnert euch doch!” rief sie dem Publikum zu. Und: “Wir sind alle Menschen!” Man dürfe Freiheit nicht als selbstverständlich nehmen, sondern müsse dafür kämpfen.

Die musikalische Lesung war die erste größere Veranstaltung im Spöcker Begegnungszentrum Regenbogen. Gut 30 Besucherinnen und Besucher hatten sich eingefunden. Der Arbeitskreis Kultur, maßgeblich Sabine Hofheinz, hatte den Abend organisiert. Stefanie Wally ist als Kommunikations- und Körpersprachetrainerin in Karlsruhe wohnhaft und hat ihre autobiografische Geschichte 2016 als Buch veröffentlicht, damals als Geschichtslehrerin auf Drängen ihrer Schüler. Inzwischen hat sie das Werk auch gemeinsam mit einer Partnerin als Theaterstück bearbeitet und zur Aufführung gebracht.

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