Ein Jahr im Rathaus: Interview mit Tamara Schönhaar

Tamara Schönhaar

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 24.01.2023 21:29 | Keine Kommentare

Ein Jahr ist Erste Bürgermeisterin Tamara Schönhaar inzwischen im Stutenseer Rathaus tätig. Wie hat sie sich eingearbeitet, was sind ihre persönlichen Schwerpunkte? meinstutensee.de hat sie zum Gespräch in ihrem Büro besucht.

Vor einem Jahr, im Januar 2022, hat Tamara Schönhaar die Stelle der Baubürgermeisterin in Stutensee angetreten. Damit folgte sie auf Sylvia Tröger, die im vorhergehenden Sommer von ihrem Amt zurückgetreten war.

Als Baubürgermeisterin leitet Schönhaar das Dezernat II und ist damit für sämtliche Bautätigkeiten der Stadt sowie den Umwelt- und Klimaschutz zuständig. Das erste Jahr sei rückblickend stressig gewesen, erzählt Schönhaar im Interview. Inzwischen sei sie jedoch angekommen. Ihr persönliches Interesse gilt der Anpassung an die Klimaveränderungen. Entsprechende Pläne im Zusammenspiel mit Stadtplanung und Klimaschutz seien derzeit in Arbeit.

Aber es gebe auch eine ganze Menge anderer Themen, die bearbeitet werden müssen. Erstmals habe die Verwaltung priorisiert und abgeschätzt, was personell überhaupt zu leisten ist. Themen, die keine Chance hatten, wurden in die mittelfristige Planung geschoben, um niemandem Hoffnung zu machen, dass daran gearbeitet werde.

Lesen Sie im Folgenden das vollständige Interview:

meinstutensee.de: Sie sind jetzt ein Jahr als Baubürgermeisterin im Stutenseer Rathaus. Wie sind Sie hier angekommen, und wie schwierig war es, sich in die laufenden Themen reinzufinden?

Tamara Schönhaar: Ich bin sehr froh, dass dieses erste Jahr vorbei ist! Seit Anfang dieses Jahres merke ich jetzt, dass es eine gewisse Art Routine gibt. Routine insgesamt ist überhaupt nicht da, aber man kennt die Akteure, ich kenne die Hintergründe zum Teil – sicher noch nicht alle, aber so ganz grob. Ich weiß, wo die Interessenslagen der Einzelnen liegen, wie sie vernetzt oder verbunden sind, wo das seinen Ursprung hat. Wir schaffen es inzwischen tatsächlich, viel zielstrebiger an Dingen zu arbeiten oder den Vorlauf abzukürzen und direkt zum Thema zu kommen. Das ist für mich wirklich angenehm, weil ich nicht geduldig bin. Das hat mich gestresst. Ich merke das jetzt erst bei dieser Frage, wie mich das im letzten Jahr unter Druck gesetzt hat, dass ich subjektiv für mich selbst so viel Zeit brauche, um nochmal zu hinterfragen und die Bezüge herzustellen. Die sind bei vielen Themen jetzt einfach da. Ich kenne jetzt auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wie sie ticken, gerade meine Amtsleiter und Stabstellenleitung. Ich kann es direkt einschätzen, in welche Richtung ein Vorschlag geht. Das macht es echt einfach.

Sie sind also jetzt angekommen?

Für mich bin ich jetzt komplett angekommen, ja.

Vor Ihrem Amtsantritt haben Sie Stutensee und die Verwaltung – wenn überhaupt – nur von außen grob gekannt und vorher wahrscheinlich überhaupt nicht damit beschäftigt. Gab es irgendwelche Überraschungen, positiv oder negativ, wenn man das alles jetzt von innen kennenlernt?

Die größte Erkenntnis war tatsächlich – für mich war es auch subjektiv eine Überraschung -, dass es dann doch nicht so viel anders ist. Es ist überall das gleiche. Ob das jetzt die Stadt Bühl ist, wo ich in der Ausbildung war, das Landratsamt, die Stadt Pforzheim oder Pfinztal – die Probleme sind die gleichen, die Herausforderungen sind die gleichen, die Stärken sind in der Regel auch die gleichen. Was Stutensee und Pfinztal für mich verbindet, ist, dass Pfinztal ja keine ganz kleine Gemeinde ist. Die sind mit knapp 19.000 Einwohnern an der Grenze zur Großen Kreisstadt, sind städtisch geprägt, haben auch diese Ortsteile mit den Ortschaftsräten, haben auch diese Interessenslagen. Und das ist hier ganz ähnlich. Unterm Strich ist alles vielleicht eine Nummer größer, aber die Themen sind oft inhaltlich die gleichen.

Was hat Sie zum Wechsel motiviert?

Einfach nur die Steuerungsmöglichkeiten, Gestaltungsmöglichkeiten. Davor war ich Fachbereichsleitung, hatte diesen einen fachlichen Bezug, war mit im Gemeinderat, hatte auch da schon eine Stellung, wo ich Meinung einbringen konnte. Jetzt kann ich aber auch wirklich entscheiden, steuern und gestalten, meine Vision und Idee einbringen. Das ist eine gute Sache.

Hatten Sie schon länger geplant, sich in dieser Richtung weiterzuentwickeln?

Gar nicht! Ich hätte mich auch nirgends anders beworben. Das war nicht Teil meines Lebensentwurfs. Ich war in Pfinztal, und ich war da glücklich, habe dieses Amt neu aufgestellt. Dann hier wirklich das gleiche eine Nummer größer mit diesem Gestaltungsfreiraum. Das war perfekt. Ich kann mit dem Fahrrad fahren, es ist in meiner Region, es hat sich einfach angeboten.

In Stutensee gab es eine sehr lange Zeit der Kontinuität, sowohl der frühere Oberbürgermeister Klaus Demal war viele Jahre im Amt, als auch Ihr Vorvorgänger Matthias Ehrlein mit 16 Jahren, Edgar Geißler sein ganzes Berufsleben. Dann kam der Umbruch, Herrn Ehrleins Nachfolgerin Frau Tröger war nicht lange da. Man hört nun viel von Unruhe und Fluktuation in der Verwaltung. Wie sieht es aktuell in Ihrem Dezernat II aus? Hat sich die Lage beruhigt? Ist alles gut aufgestellt, um arbeiten zu können?

Unruhe würde ich nicht sagen. Die interne Organisationsuntersuchung läuft. Da bin ich der Oberbürgermeisterin sehr dankbar, dass sie die angestoßen hat. Das ist nicht nur für hier wichtig, sondern für viele Verwaltungen. Die Herausforderungen haben sich massiv verändert, auch die Anforderungen. Was kommt von der Bürgerschaft, was von oben von der Politik? Wie muss eine Stadt aussehen, damit sie klimaangepasst, lebenswert und zukunftsfähig ist? Dazu sind Verwaltungen nicht aufgestellt. Da müssen wir nachziehen. Das ist das, was wir mit der Organisationsuntersuchung machen, die Strukturen nachziehen, damit wir wieder arbeitsfähig und leistungsfähig sind – komplett und nicht nur auf der Mindestanforderung.

Hier im Dezernat II ist es ganz unterschiedlich. Das Baurecht haben wir im Frühjahr aus dem Gröbsten raus. Im März und April kommen noch zwei Kollegen, dann sind wir sehr gut aufgestellt, so dass wir hoffen, dass wir die Spitzen und Rückstände abarbeiten können. Da wäre mein Wunsch, dass wir bis Ende des Jahres wieder komplett glatt sind, also die Rückstände weghaben, damit wir uns wieder strategischer ausrichten können. Das Eingriffskonzept Außenbereich steht noch aus.

Dass man wieder agieren kann und nicht nur reagieren…

Genau, das wäre mir sehr wichtig, weil die Kolleginnen und Kollegen einfach unter Druck sind. Das hat man gemerkt, was sich da aufgestaut hat. Da haben wir nachsteuern können, auch unabhängig von der Organisationsuntersuchung, weil der Gemeinderat Stellen genehmigt hat.

Im Bereich der Gebäudeverwaltung und dem Bauamt machen wir einen Stopp in der Entwicklung, was das Personal anbelangt. Mir ist wichtig, dass wir zuerst die Organisationsuntersuchung machen. Ich will wissen, was die Empfehlung ist; ich will wissen, wo wir Prozesse und Strukturen verändern können und was dann wirklich der Bedarf an Personal ist. Ich muss schauen, wo ich noch Abläufe optimieren kann. Dann können wir da nachsteuern.

Wie sieht denn der übliche Tagesablauf einer Baubürgermeisterin aus, falls es denn einen gibt?

Gute Frage! (lacht) Ich fange an mit Kaffee und Zeitung, das ist noch einfach. Dann kommen Hund, Katze, Kinder – das ist mein Job morgens, mein Mann ist abends zuständig. Dann gibt es hier eine kurze Rücksprache mit dem Vorzimmer, was ansteht und was Schwerpunkte sind. Das ist gegen 9 Uhr. Dann geht es in Abstimmungen, was hat sich verschoben, worauf müssen wir achten, was kommt. Und dann ist es tatsächlich so: Es sind Termine, Termine, Termine.

Das heißt, es sieht jeder Tag tatsächlich anders aus?

Es sieht jeder Tag anders aus in der Hinsicht, dass es immer andere Termine sind. Es gibt interne Jour fixe-Termine, es sind viele mit Externen, Fachtermine mit Fachplanungsbüros.

Kommen Sie auch irgendwann zur Arbeit am Schreibtisch? Auch Gremiensitzungen muss man ja vorbereiten.

Absolut. Also klar, das fällt dann auch ins Wochenende, wenn AUT [Ausschuss für Umwelt und Technik] oder Gemeinderat ist. Aber mein Ziel ist, dass ich den Donnerstagnachmittag komplett zum Abarbeiten habe, weil ich inhaltlich mitarbeite in Sonderthemen, die kein Standard sind.

Und wann endet der „normale“ Tag?

Das kann ich nicht beantworten. Wenn es die Chance gibt, dass ich um fünf oder sechs Uhr rauskomme, dann mache ich das. Aber in der Regel gibt es noch Abendtermine, Gremiensitzungen, Sondersitzungen, Repräsentationstermine.

Tamara Schönhaar

Von außen kann man den Eindruck gewinnen, es gibt einen großen Stau an Projekten: Sanierungen, Brandschutz, Kindergärten, Innenverdichtung, illegale Bauten im Außenbereich…

Wir haben im letzten Jahr sortiert, abgeschichtet und anhand der Kapazitäten priorisiert. Inzwischen merke ich auch die ersten „Erfolge“. Wir fangen an, ins zielorientierte Tun zu kommen. Das Treppenhaus in der Kita Zauberwald war so eine große, große Baustelle, die ewig angefangen war. Die wird jetzt fertiggestellt. Letztes Jahr haben wir vorbereitet und gestrichen. Dieses Jahr kommt noch das Geländer. Das Thema Kita St. Josef wird aufbereitet in der Verwaltung. Die Machbarkeitsstudie zum Schulzentrum ist da und muss in die Gremien. Wir haben das Thema Bedarfsplanung Kindergärten, da schließen auch Machbarkeitsstudien für neue Standorte an. Ich merke, wir schaffen es langsam, die Dinge in Strukturen zu bringen. Es wird einfacher, das abzuarbeiten.

Sind die genannten Themen die, die dieses Jahr von der Priorisierung her angegangen werden?

Es sind einige der Schwerpunktthemen, genau – bezogen auf das Baudezernat. Die anderen Bereiche, Stadtplanung und Klimaschutz, haben noch andere Projekte.

Wir haben dem Gemeinderat dieses Mal bei der Haushaltsplanung das erste Mal, wenn ich es richtig verstanden habe, eine ganz klare Empfehlung der Verwaltung gegeben. Sprich: Wir haben eben geschaut, was die Prioritäten für das nächste Jahr sind, und das mit Gründen hinterlegt: weil es ein Haftungsrisiko gibt, weil es Mängel gibt, weil es noch teurer wird, wenn wir jetzt nichts tun. Diese Prioritäten haben wir mit Kapazitäten in der Verwaltung hinterlegt, also wer arbeitet was ab mit welchen Zeitanteilen. Was geht und was geht nicht? Wir haben auch Dinge rausgenommen, die im Haushalt drei, vier, fünf Jahre mitgeschleppt worden sind, die wir dieses und nächstes Jahr nicht schaffen. Die gehen in die mittelfristige Finanzplanung rein. Und lieber Gemeinderat, vertrau uns da und geh mit uns. Und sie sind mitgegangen. Mein Schwerpunkt ist es dieses Jahr wirklich, diesen Vertrauensvorschuss zu bestätigen. Ich würde wirklich gern alles schaffen. Wir haben einen guten Plan. Sofern keine neuen Krisen kommen.

Gibt es inhaltliche Themen, die Ihnen persönlich wichtig sind?

Klimaanpassung. Das werden wir dieses Jahr auf den Weg bringen. Wir werden dem Gemeinderat noch im ersten Halbjahr ein Konzept vorstellen, wie wir das angehen wollen. Ich möchte Klimawandelanpassung jetzt vorantreiben und das dann auch mit Stadtentwicklung und Klimaschutz überlagern, damit wir da gut aufgestellt sind.

Was würden langjährige Mitarbeiter:innen im Dezernat sagen, was sich seit Ihrem Amtsantritt verändert hat? Was macht Ihren Führungsstil aus?

Was ich nicht mag, ist diese klassische Zuordnung „situatives Führen“ oder „direktives Führen“, das mag ich einfach nicht. Ich habe es vorhin schon gesagt, warum ich diesen Job überhaupt in Erwägung gezogen habe: Das sind die Gestaltungsmöglichkeiten und auch das Thema einer Idee. Ich habe für mich persönlich eine Idee, wie sich eine Stadt entwickeln kann und entwickeln sollte, um für die Zukunft aufgestellt zu sein und um eine Gleichberechtigung zu bieten. Also Umweltgerechtigkeit, Gerechtigkeit im Verkehr, Gerechtigkeit der Verteilung der Grünflächen. Und diese Idee, die bringe ich hier ein und die lebe ich. Die lebe ich privat, und die lebe ich auch beruflich. Ich hoffe einfach, dass ich es schaffe, diese Idee so zu transportieren, dass vor allem die Führungskräfte, aber auch jeder einzelne hier, sie aufgreifen kann, wenn es auch nicht vollumfänglich ist, wenigstens in Aspekten, und sagen kann: Ok, darauf habe ich auch Lust, da will ich auch mitmachen, jetzt verstehe ich, wohin sie will und warum, und da ziehe ich mit meinem Bereich nach. Das ist mir extrem wichtig, die Leute hier mitzunehmen und zu motivieren. Und mir ist wichtig – und ich hoffe, dass das die Leute auch sagen würden -, dass man hier diskutieren kann. Ich will, dass diskutiert wird. Ich arbeite sehr gerne im Team, ich arbeite nicht gerne allein. Und ich will, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kritisch und kontrovers sind und dass sie Rückfragen stellen und Ideen einbringen. Ich bin einfach der Ansicht, dass es kein Mensch allein schafft, diese Krisen und diese Herausforderungen, die wir haben, zu bewerkstelligen. Ich will, dass hier jeder mitdenkt und jeder die Struktur findet, dass er hier gut arbeiten kann.

Manchmal ist man an dem Punkt, dass man eine Entscheidung treffen muss, dann mache ich das auch. Dann kommuniziere ich das sehr klar und offen, das stößt auch nicht immer auf Gegenliebe, weil es dann vielleicht nicht die Entscheidung war, die der Einzelne hören wollte. Es ist mir aber auch wichtig, dass es dann kein Drumrumgerede mehr gibt, sondern eine klare Linie. Damit kann man umgehen. Man kann Rückfragen zu der Entscheidung stellen, aber die Entscheidung sitzt dann. Aber bis man zu der Entscheidung kommt, ist es mir wichtig, dass jeder, der Interesse hat, auch seine Perspektive eingebracht hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

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