Stutenseer Deponien müssen abgedichtet werden

Deponie Mettlach

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 08.07.2023 6:39 | 4 Kommentare

Auf Stutenseer Gemarkung gibt es zwei Mülldeponien, die bis 1996 in Betrieb waren. Entgegen der Vorgaben des Landratsamts hat die Stadtverwaltung diese nicht wie vereinbart abdichten lassen. Eine entsprechende Frist war bereits vor acht Jahren abgelaufen. Das Landratsamt drängt nun auf Durchführung, einige Gemeinderäte stimmten jedoch dagegen mit Verweis auf die Natur, die sich in den vergangenen Jahren auf den eingezäunten Geländen ausbreiten konnte.

Zwei Deponien gab es in Stutensee: die Deponie “Mettlach” südlich der Gasverdichterstation in Blankenloch sowie “Saurer Suhl” in Spöck westlich des Grünabfallplatzes. In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde dort Hausmüll, später Bauschutt, auch Autoreifen, und in den Achtzigerjahren Erdaushub deponiert. In den Neunzigern wurden sie noch für Grüngut genutzt, bis sie stillgelegt wurden. Mit der Stilllegung verfügte das Landratsamt die “Profilierung” und “Rekultivierung” der beiden Einrichtungen. Insbesondere ging es dabei um die Abflachung der Böschung und Abdichtung der Oberfläche, damit Regen keine Giftstoffe in den Boden spülen kann.

Dafür setzte das Landratsamt eine Frist bis 2009. Auf Antrag der Stadtverwaltung wurde sie bis 2014 verlängert. Ein weiterer Verlängerungsantrag wurde abgelehnt. In den Folgejahren forderte das Landratsamt mehrfach zur Umsetzung auf, zuletzt 2023.

“Die Deponiekörper sind nach wie vor so ausgestaltet, dass das Oberflächenwasser sich in Senken sammelt und durch den Deponiekörper sickert”, so das Landratsamt. “Diese Durchsickerung ist auf Grund des deponierten Abfalls und aus Gründen der Standsicherheit nicht akzeptabel.”

“Wir haben keinen Ermessensspielraum”, erläuterte Erste Bürgermeisterin Tamara Schönhaar dem Gemeinderat. Es handele sich um eine Weisung des Landratsamts.

Verträge müssten eingehalten werden, so der Umweltbeauftragte Bernd Scholer, auch aus Haftungsaspekten. Gemeinsam mit der Agendagruppe Natur und Umwelt wolle er Varianten erarbeiten. Denn seit der Stilllegung hat sich auf beiden Deponien ein Biotop entwickelt, das nun abgebaggert werden müsste, um die geforderten Maßnahmen durchführen zu können.

Entsprechend kritisch sahen auch einige Mitglieder des Gemeinderats die Aufforderung des Landratsamts.

Es habe bisher keine Einträge in das Grundwasser gegeben, was laufend überprüft werde, betonte Nicole LaCroix (CDU/FDP-Fraktion). Persönlich werte sie deshalb die Natur an diesen Stellen höher ein als die Gefahr einer Grundwasserverschmutzung. Wenn sich eine Rekultivierung nicht vermeiden lasse, solle zuvor in direkter Nähe der Deponien eine Ausgleichsfläche angelegt werden, wohin die Tiere umgesiedelt werden könnten. Die Maßnahme hätte direkt nach der Schließung durchgeführt werden müssen.

“Wir müssen das Erbe antreten”, so Sven Schiebel (Freie Wähler). Dass die Grundwasserüberwachung bisher negativ gewesen sei, sei schön, aber keine Lösung für die Zukunft. Er plädierte für die von LaCroix vorgeschlagene vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Allerdings sehe er in Spöck im direkten Umfeld keinen Ersatz.

Sehr schwierig sei die Entscheidung, so Volker Stelzer (Grüne). Mit schwerem Herzen stimme er für die Rekultivierung, da sie vorgeschrieben sei. Auch er empfahl, ein Ausweich-Biotop anzulegen und zu prüfen, ob das auch in Spöck möglich ist.

“Die Diskussion führt zu nichts”, wandte Wolfgang Sickinger (SPD) ein, “wenn man meint, sich am Gesetz vorbeimogeln zu können.” Das Biotop in Spöck solle man möglichst lang erhalten, dort sei noch eine Fristverlängerung möglich. Bei der Blankenlocher Deponie Mettlach mit ihren belasteten Baustoffen habe man Glück, dass noch nichts ins Grundwasser gelangt sei. Darauf solle man es aber nicht weiter ankommen lassen.

“Ein Dilemma”, befand Tobias Walter. “Schützenswerte Natur und Verantwortung für künftige Generationen.” Er empfahl zu prüfen, ob eine abschnittsweise Umsetzung möglich sei.

Das Gebiet sei sehr artenreich, stellte Thomas Hornung (CDU) fest. “Ich kann nicht verstehen, warum ein Gesetz sagt, dass solche Flächen zerstört werden sollen.” Artenschutz sei so wichtig, das werde von Behörden noch nicht begriffen. “Wenn wir den Artenschwund zu spüren bekommen, können wir nichts mehr tun, dann ist es vorbei!” Er bezweifle die Wirksamkeit der Maßnahme. Man solle das Grundwassermonitoring weiter belassen. Er könne dem Antrag in keiner Weise zustimmen.

Für das laufende Jahr sieht die Stadtverwaltung 25.000 Euro für Planungsleistungen vor.

Der Gemeinderat stimmte mehrheitlich für das vom Landratsamt angewiesene Vorgehen. Vier Gemeinderatsmitglieder stimmten dagegen, zwei enthielten sich.

forum Kommentare

Mal ganz einfach gesagt: Hätte man vor 14 Jahren, bereits das notwendig Erforderliche getan, was von Amts wegen verlangt wurde und anscheinend zum Grundwasserschutz notwendig ist, dann bräuchte man heute nicht nach Gründen und Ausreden zu suchen, und parteienübergreifend über das Für und Wider dieser verstaubten Anordnung zu schwadronieren. Da gab es früher einmal die “Reetz” – dazu noch keine hochautomatisierten Müllentsorgungsfahrzeuge, sondern Jugendliche unterwegs mit Bollerwagen oder Radanhängern, befüllt mit dem wöchentlich häuslichem Abfall, Landwirte entsprechend mit Großladungen. Virteljährlich oder bei Bedarf tauchte ein Bulldozer ohne Feinstaubfilter auf, der das angesammelte Bettost-Biomatratzen-Gartengift-Plastik-Massengemisch über die gesamte Länge verdichtete und glattbügelte. Damals gab es weder eine amtliche Wasseruntersuchung durch die CLUA, noch eine Gelände-Einzäunung, noch eine ständige Aufsicht. Abladen 24/7 – und weiter gehts, bis irgendwann s`Otto`le mit seim Hanomag, in unvergleichbarer Manier eines General-Feldmarschalls, das dortige Abfall-Kontrollzentrum übernahm. Sichere Aussagen oder Angaben, was da heute noch so alles schlummert im Untergrund, würde ich mir nicht zutrauen. Der mit der Zeit entstandene “sichtbare” Artenreichtum, mag heute eine große Rolle spielen, man darf aber den anderen unsichtbaren Artenreichtum, der sich im Untergrund befindet, auch nicht außer Acht lassen. Wie sagt man heute so schön unpolitisch: Die Vergangenheit hat uns eingeholt. Das hier ist das beste Beispiel von ein Einholen der Vergangenheit. Als nächstes folgt nun die lange versäumte Vergangenheitsbewältigung, und der elterliche Ratschlag “Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.” – hat erneut seine Daseinsberechtigung gefunden.

maction

kwg, heute bin ich ganz bei ihren Ausführungen. :-)
Verwunderlich finde ich, wie die Stadt (Rat + Verwaltung) eine Verfügung des RP scheinbar versucht auszusitzen, insbesondere nachdem 2014 ein erneuter Verlängerungsantrag keine Zustimmung fand und das RP offensichtlich auch nicht von seiner Position abweicht – warum auch?. Noch mehr verwundert mich daher die Diskussion im Rat über die zwischenzeitig entstandenen Biotope. Hätte die Stadt die Verfügung des RP umgesetzt, könnte man sich heute die unnütze Diskussion und Zusatzkosten für Ersatzbiotope schlicht sparen – sechs setzen! Die Ansage der Ersten BMin ist dagegen erfrischend klar – weiter so!

maction

Korrektur: Streiche RP, setze LRA.

FH...

…kleine inhaltliche Korrektur: Es gab nicht zwei, sondern mindestens drei solcher Deponien in Stutensee. Das “Schuttloch” in Friedrichstal, gegenüber dem Reitverein, wo auch alles (un)mögliche abgelagert wurde, wurde allerdings schon vor Jahren plattgemacht – wie fachmännisch auch immer sei dahingestellt…