Etwa 600 Personen waren am Samstag Abend beim Stafforter Baggersee zusammengekommen, um gegen den möglichen Bau einer Güterbahntrasse an dieser Stelle zu protestieren. Organisiert hatten die Aktion zwei Bürgerinitiativen. Von Seiten der Politik kam das klare Bekenntnis, dass alles versucht werde, um einen Streckenverlauf zwischen den Stutenseer Stadtteilen hindurch zu verhindern. Bevorzugt werde ein Verlauf entlang der Autobahn. Im Vorfeld fand eine Infoveranstaltung in Spöck statt. Hier erläuterte der Projektleiter der Deutschen Bahn den aktuellen Stand des Projekts und stellte sich den Fragen aus der Bevölkerung.
Die Stafforter Vertreter der Bürgerinitiative “Karlsruhe-Molzau” um Adalbert Scherer sowie Ortsvorsteherin Melitta Bernauer waren begeistert von der großen Teilnehmerzahl am Baggersee. Hundert Personen habe er für die Veranstaltung angemeldet gehabt, berichtete Scherer. Dreihundert habe man sich erhofft, ergänzte Bernauer. Am Ende waren es ungefähr 600 Leute aller Altersgruppen, teilweise mit Plakaten und Traktoren, die entlang des mit Flatterband gekennzeichneten möglichen Verlaufs einer Güterbahntrasse ihren Widerstand kundtaten.
In ihrer Ablehnung waren sich alle einig, auch die politischen Vertreter wie Oberbürgermeisterin Petra Becker, der Direktor des Regionalverbands Matthias Proske, die Landtagsabgeordneten Andrea Schwarz, Christian Jung und Ansgar Mayr sowie Nicolas Zippelius aus dem Bundestag. Entsprechend entspannt war die Stimmung. Man wolle sich vernünftig darstellen und auf Trillerpfeifkonzerte verzichten, so Scherer im Vorfeld. Der Protest solle nur durch die Anwesenheit kundgetan werden. Entsprechend erleichtert zeigte sich am Ende Stefan Geweke, Projektleiter der Deutschen Bahn. Er habe nicht mit so vielen Leuten gerechnet, sagte er meinstutensee.de. Sein Job bringe solche Konflikte aber mit sich.
Ziel des Bahnausbaus
Eine Stunde vorher hatte er im vollen Begegnungszentrum in Spöck dargestellt, auf welchem Stand sich das Projekt aktuell befindet. Ziel sei der Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene zwischen den beiden großen Häfen in Rotterdam und Genua. 1996 hat sich Deutschland dazu verpflichtet. Während die Nachbarländer wie die Schweiz – Stichwort Gotthard-Basistunnel – den Ausbau bereits abgeschlossen haben, hinkt Deutschland hinterher und hier insbesondere der letzte Abschnitt zwischen Mannheim und Karlsruhe.
Die Deutsche Bahn wurde von der Bundesregierung beauftragt, Platz für zwei zusätzliche Gleise zu finden. Insbesondere in der dichtbesiedelten Region zwischen Mannheim und Karlsruhe stehen dem Vorhaben fast überall Siedlungsgebiete oder schützenswerte Natur entgegen.
Wie geht es weiter?
Von 50 Linienvarianten sind jetzt noch acht im Rennen. Nun müsse noch die Zugzahlenprognose für 2040 abgewartet werden, um Engpässe zu erkennen. Diese Zahlen werden Anfang 2024 erwartet. Dementsprechend wird es voraussichtlich bis in die zweite Jahreshälfte dauern, bis die Bahn eine Vorzugsvariante ermittelt hat, mit der sie dann in das offizielle Verfahren einsteigt. Planungs- und Genehmigungsprozesse werden einige Jahre in Anspruch nehmen. Am Ende entscheidet der Deutsche Bundestag darüber, welche Strecke gebaut werden soll.
Auf Nachfrage aus dem Publikum erläuterte Geweke, dass der Neubau vorzugsweise für den Güterverkehr gedacht sei. Die Bestandsstrecke durch Blankenloch und Friedrichstal sei in ihrem geraden Verlauf die optimale Verbindung zwischen Mannheim und Karlsruhe und werde deshalb für den Personenverkehr bevorzugt. Ein Ausbau entlang der Bestandstrecke sei aus Platzgründen jedoch nicht möglich.
Der Direktor des Regionalverbands, Matthias Proske, betonte: “Die Region steht zu dem Projekt, wir wollen die Güter auf der Schiene.” Der technisch maximal mögliche Lärmschutz sei der Preis für die Akzeptanz. Seine Forderungen habe der Verband in der “Karlsruher Erklärung” festgelegt. Auch eine Zerschneidung von Kommunen sei darin ausgeschlossen.
“Zerschneidung ausgeschlossen”
Dem schloss sich Bundestagsabgeordneter Nicolas Zippelius (CDU) an. In einem offenen Brief habe er gemeinsam mit den Bürgermeister:innen der Region eine solche Zerschneidung ausgeschlossen. Er lehne die Varianten zwischen den Stutenseer Stadtteilen hindurch ab. Das dürfe “unter keinen Umständen” gebaut werden. Die Forderungen aus der Bevölkerung nehme er mit nach Berlin.
“Wir werden alle Mittel nutzen, um eine Zerschneidung unserer Stadt zu verhindern”, so Oberbürgermeisterin Petra Becker. Die Autobahn sei für Staffort schon eine große Belastung. Sollte dort noch eine Bahntrasse gebaut werden, müsse Lärmschutz Verbesserungen bringen.
Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz (Grüne) zeigte sich begeistert von dem Engagement der Bevölkerung. Allerdings schränkte sie ein, dass der Landtag keine Entscheidungskompetenzen bei dem Projekt habe, da es sich um ein Vorhaben der Bundesregierung und der Deutschen Bahn handele. Gerade durch Sutensee, das seit knapp fünfzig Jahren langsam zusammenwachse, dürfe aber keine Trasse gelegt werden.
“Bündelung mit vorhandener Infrastruktur”
Ihre Kollegen Ansgar Mayr (CDU) und Christian Jung (FDP) plädierten beide dafür, eine neue Trasse mit vorhandener Infrastruktur zusammenzulegen, also entlang einer Autobahn oder einer bestehenden Bahnstrecke. Stefan Geweke, Projektleiter der DB Netz AG, bestätigte dieses Ziel. Er habe einen Bündelungsbonus eingeführt, so dass entsprechende Streckenabschnitte besser abschnitten. Bis zu 95 Prozent der Trassenverläufe der verbliebenen Linienvarianten würden an bestehenden Verkehrswegen entlang führen. Ein Großteil stoße irgendwann in ihrem Verlauf auf die Autobahn A5, da nur darüber die Anbindung des Karlsruher Güterbahnhofs möglich sei.
“Katastrophe für Natur”
“Ein solcher Bau ist eine Katastrophe für die heimische Natur”, sagte Karl Mittag als Sprecher des ehrenamtlichen Naturschutzes vor den Protestierenden am Stafforter Baggersee. Viele hier vorkommende Arten seien vom Aussterben bedroht. Die Natur solle erhalten bleiben wie sie ist.
Ob die Protestaktion Einfluss auf die Planungen hat, wird sich im Lauf des kommenden Jahres zeigen. Die letzte Veranstaltung werde das auf jeden Fall nicht gewesen sein, wie die Vertreter der Bürgerinitiative ankündigten.
Genauere Informationen und Kartenmaterial sind auf der Projekt-Website der DB Netze zu finden. Am 23. November will die Bahn die Öffentlichkeit in einer Online-Veranstaltung informieren.
forum Kommentare
Toller, sehr ausführlicher Bericht – danke! Da dürften sich eine regionale große Tageszeitung und die offizielle Webseite der Stadt gerne eine Scheiben von abschneiden … ;-)
Da kann man Herrn Schulze nur recht geben- wo ist denn die große Presse ??? Aber zur Bahntrasse selbst — abwarten und Tee trinken. Wäre die CDU derzeit in politischer Verantwortung, würde ich gerne mal vernehmen, was dann aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten so allgemein zu hören wäre? Irgendwo muss sie hin, die Trasse- und überall wird sich Widerstand bilden. Flora und Fauna gibt es nicht nur in der Molzau und um Stutensee herum. Wer solche Großprojekte will, muss auch sagen wo sie letztendlich hin sollen, die Schienen die die Zukunft und das Klima der neuen Welt bestimmen. Ob sich dieser Traum einmal erfüllen wird- da bin ich mir noch nicht so sicher. Werde es aber bei dieser Geschwindigkeit und Zögerlichkeit wohl nicht mehr erleben. Auch nicht schlimm. “Eine Katastrophe für die heimische Natur” richtig festgestellt und ausgedrückt von Herrn Mittag- leider ist diese “heimische Heimat” überall an einer zu planenden deutschen Schienenstrecke zu finden und der grüne Traum fast alles auf die Schiene, dazu auf grünem Stahl, und das aber ganz weit vorbei an der Natur, das funktioniert in diesem Land mit seinen vorgegebenen Strukturen von Besiedlung, Wäldern, Auen und Feldern nicht. Und ein gesamtes deutsches UBAHN-Projekt, “OBEN HUI UND UNTEN PFUI” dazu wird der weltweit sanktionsfreie Zement derzeit nicht reichen, weil es auch noch andere gibt die bauen wollen, und auch einige Damen und Herren der Grünen werden bei den Kosten, wahrscheinlich in ein lang anhaltendes Koma, mit gelegentlicher Schnappatmung verfallen.
… gut, dass so viele Politiker*innen vor Ort waren. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich nicht vom hiesigen Acker machen, wenn die Gleise schließlich an die A5 kommen und es um übergesetzliche Maßnahmen z.B. für den Lärmschutz geht. Schon jetzt müssen sie ihren Fraktionskolleg*innen in Bund und Land klar machen, dass zusätzliche Gelder bei uns zu investieren sind, die dann in deren Wahlkreisen fehlen. Viel Spaß. Der omnipräsente Herr Jung (FDP) hat da ja einen direkten Zugang an die große Kasse bei seinem Parteifreund und Bundesfinanzminister Lindner…
@-kwg-: …richtig geschrieben: „Eine Katastrophe für die heimische Natur“, ja Karl Mittag hat recht, aber leider ist diese schützenswerte heimische Natur eben überall, wo Platz für diese dringend benötigten Gleise gesucht wird. – Ein Patt…
@ M. Strohal – Zitat: „Ob die Protestaktion Einfluss auf die Planungen hat, wird sich im Lauf des kommenden Jahres zeigen.“ Wie soll das gemessen werden? Sollten die Gleise später, und darauf wird es hinauslaufen, nicht zwischen den Stutenseer Stadtteilen gebaut werden, kann man dies doch kaum auf die Protestaktionen zurückführen. Sondern hoffentlich doch auf einen transparenten, ergebnisoffenen und rationalen Findungsprozess. Zumal es solche Proteste auch andernorts im Suchraum gab und gibt. – Also wieder ein Patt…
Merke man sich die Aussagen insbesondere der Bundespolitiker und gleiche sie gegen die Vorzugsvariante und vor allem gegen die abschließende Entscheidung des Bundestages ab…