Von Spickzetteln bis Rechtspopulismus

Ehemalige TMG-Schüler: Daniel Caspary (CDU), Mathias Zurawski (SWR), René Repasi (SPD)

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 17.03.2024 19:11 | Keine Kommentare

Drei ehemalige Schüler des Thomas-Mann-Gymnasiumus waren vergangenen Mittwochabend zu Gast in ihrer alten Schule. Heute sind sie Europapolitiker beziehungsweise Journalist: Daniel Caspary, René Repasi und Mathias Zurawski. Sie stellten sich den Fragen von Camelia Demir und Felix Billes, beide im Leistungskurs Politik.

“Was bewegt (junge) Menschen im Jahr der Europawahl?” lautete der Titel der Veranstaltung. Das Publikum in der Mensa des Schulzentrums bestand zur Hälfte aus Schülerinnen und Schülern und zur anderen aus Erwachsenen – ein guter Teil davon aktuelle und frühere Lehrkräfte, die sich auch noch an die Schulzeit der drei Ehemaligen erinnerten.

Auch wenn Politik im Zentrum des Abends stehen sollte, ging es zunächst um Erinnerungen an früher und nostalgische Gefühle. “Unsere Abisäule ist übermalt worden”, stellte René Repasi fest. Er habe ungern gelernt, erinnerte sich Daniel Caspary, sei aber gern zur Schule gegangen. Bis auf Repasi hatten auch alle mal einen Spickzettel benutzt oder mussten Strafarbeiten schreiben.

“Was tun Sie gegen Rechtspopulismus”, lautete dann die erste Frage an die beiden Politiker aus dem Europaparlament. SWR-Reporter Zurawski wechselte die Seiten und unterstützte die Jugendlichen bei der Moderation. Das Thema Rechtspopulismus und -extremismus entwickelte sich auch im abschließenden Fragenblock zum zentralen Anliegen im Publikum. “Wir müssen zuhören und die Probleme anerkennen”, so Repasi, seit 2022 für die SPD im Europaparlament. “Der Diskurs ist wichtig”, betonte Caspary, schon seit 2004 Mitglied des Europaparlaments. “Wir haben den meisten Erfolg, wenn die Menschen sehen, dass die Politik weiß, wie es wirklich ist.” Die Notwendigkeit eines AfD-Verbots sehen beide kritisch. Man müsse sich zunächst mit der Partei inhaltlich auseinandersetzen, meinte Repasi. Er wünsche sich, dass sich der Staat ordentlich aufstelle und gegen Gefahren absichere, so Caspary. Auf die Nachfrage aus dem Publikum, weshalb die CDU dann die Gespräche über eine Absicherung des Bundesverfassungsgerichts abgebrochen habe, verwies Caspary auf ihm fehlende Detailkenntnis aus dem Bereich der Bundespolitik.

“Mehr Diskurs in der Gesellschaft”

Um eine Regierungsbeteiligung der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr zu verhindern, setzt Caspary auf offenen Diskurs in der Gesellschaft. Dieser fehle offensichtlich, wenn einige meinen, man dürfe nicht mehr alles sagen. Repasi setzt auf höhere Wahlbeteiligung, um den Anteil der Rechtsextremen zu reduzieren. Es müsse mehr progressive Politik gemacht werden, als die AfD nachzuahmen.

Bei Thema Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten bedauerten die beiden Politiker, dass Europa keine Kompetenz in der Außen- und Sicherheitspolitik habe und deshalb die Regierungen der Mitgliedsländer eigenständig und uneinheitlich agieren. Caspary kritisierte hierbei die Meinungsunterschiede in der deutschen Bundesregierung beim Thema Unterstützung der Ukraine.

Canabis-Legalisierung

Weiteres von Schülerseite eingebrachtes Thema war die Canabis-Legalisierung. Repasi unterstützte diese, auch wenn er seinen Kindern den Konsum ausreden würde – wie auch bei Alkohol und Tabak. Caspary lehnte die Legalisierung hingegen ab. Das löse kein Problem. Eine kurze Abstimmung im jugendlichen Teil des Publikums ergab eine Mehrheit für die Legalisierung. Caspary nahm das mit der Bemerkung “Wir haben echt wichtigere Probleme!” auf.

Um die Jugend für Europa zu begeistern, setzten beide Politiker auf das Erasmus-Programm. Hier sollten die Mittel verdoppelt werden, so Caspary. Das Programm sei “brutal wichtig”, betonte Repasi.

“Wie sollen sich junge Menschen dafür begeistern?”

Im Frageblock zum Abschluss konfrontierte der ehemalige Lehrer Bernhard Kunz die Politiker mit ihrer Aussage, man müsse verschiedene Lösungen gegeneinander stellen und dann um die beste streiten. Vielmehr habe er den Eindruck, Politiker würden sich nur gegenseitig beschimpfen und mit Tieren vergleichen oder – bezugnehmend auf den CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz – Fakenews und Provokationen verbreiten, wobei er noch Unterstützung von seinen Parteifreunden bekomme. “Wie sollen sich junge Menschen dafür begeistern?”

“Wir müssen uns da an die eigene Nase fassen”, gab René Repasi zu. “Polarisierung bringt nichts.”

“Diskussionen gehören in den Bundestag, nicht in Talkshows oder soziale Medien”, so Daniel Caspary. Die Aussagen seines Parteichefs über “Paschas” und Zahnarztbesuche wollte er jedoch nicht kritisieren: “Jeder weiß, was gemeint ist.”

“Worte haben Bedeutung, Worte können verletzen”, entgegnete Repasi. “Auch wenn man es nicht so meint.” Von einem Profipolitiker könne man erwarten, über die Wortwahl nachzudenken, bevor man ein Wort sagt, wenn man nicht verletzen will.

Die Veranstaltungsreihe im Jubiläumsjahr “50 Jahre TMG” wird am 11. April fortgesetzt mit dem Vortrag von Dr. Judith Ulmer “Paul, Paula und noch viel mehr – queer glücklich sein”.

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