Änderungen vertagt: Wer darf wann worüber im Amtsblatt schreiben?

Symbolbild

Beitragsbild: Stadt Stutensee

Von Martin Strohal | 21.12.2015 21:26 | 1 Kommentar

Die bisherigen Veröffentlichungsrichtlinien für das Amtsblatt der Stadt Stutensee (“Stutensee-Woche”) sind recht knapp gehalten und haben bereits das eine oder andere Mal für Unstimmigkeiten und Diskussionen gesorgt (wir berichteten).

Nun hat die Stadtverwaltung eine neue Fassung erarbeitet, die deutlich umfangreicher und detaillierter ist. Anlass dafür war ein Beschluss des baden-württembergischen Landtags vom Oktober. Das Gesetz legt fest, dass Fraktionen des Gemeinderats die Gelegenheit gegeben werden muss, im Amtsblatt ihre politische Position darzulegen. In Stutensee schon bislang eine Selbstverständlichkeit, in manch anderen Gemeinden nicht. Neu ist, dass es im Vorfeld von Wahlen keine Veröffentlichung von Parteien geben soll und zwar für höchstens sechs Monate, eine sog. Karenzzeit.

Gibt die Gemeinde ein eigenes Amtsblatt heraus, das sie zur regelmäßigen Unterrichtung der Einwohner über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde nutzt, ist den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen. Der Gemeinderat regelt in einem Redaktionsstatut für das Amtsblatt das Nähere, insbesondere den angemessenen Umfang der Beiträge der Fraktionen. Er hat die Veröffentlichung von Beiträgen der Fraktionen innerhalb eines bestimmen Zeitraums von höchstens sechs Monaten vor Wahlen auszuschließen.

(Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften, Art. 1, 2. (14.10.2015))

In der Stutenseer Beschlussvorlage wurden daraus drei Monate. Dazu kamen einige weitere Punkte. Insbesondere wurde jetzt klargestellt, dass es keinen Anspruch Dritter auf Abdruck von Texten und Fotos gibt. Knackpunkt für die Parteien, die auch in Landes- und Bundespolitik tätig sind, ist, dass sie sich künftig auf das örtliche Geschehen beschränken und dabei sachlich und informativ bleiben müssen. Ein Bericht über die Arbeit von Landtags- oder Bundestagsabgeordnete ist demnach nicht mehr zulässig.

Aus Platz- und Kostengründen wurde auch festgelegt, dass pro Bericht maximal ein großes oder zwei kleine Fotos enthalten sein dürfen. Plakate und Flyer sollen grundsätzlich nicht mehr veröffentlicht werden. Dafür sei der Anzeigenteil zu nutzen. Vereine dürfen maximal zweimal auf eine Veranstaltung hinweisen. Regelmäßig stattfindene Termine werden – auch bei Kirchen und Parteien – nur noch einmal im Monat abgedruckt. Glückwünsche sind nur noch zu besonderen Anlässen erlaubt. Für Weiteres wird auch hier auf den kostenpflichtigen Anzeigenteil verwiesen.

Für Parteien ohne eigenständige Ortsverbände oder Fraktion wird das Zeilenkontingent von 50 auf 40 Zeilen reduziert. Der Redaktionsschluss soll von montags, 12 Uhr, auf sonntags, 18 Uhr, vorverlegt werden.

Die CDU-Fraktion zeigte sich nicht einverstanden mit der Reduzierung auf die Kommunalpolitik. Vertreter der Satirepartei “Die PARTEI”, die nicht im Gemeinderat vertreten ist, sehen sich insbesondere in Formulierungen wie “sachlich und informativ” in ihrer Berichterstattung eingeschränkt. Dazu trifft sie die Reduzierung der Zeilenzahl von 50 auf 40. Die SPD störte sich an den Berichten über den Europaabgeordneten der PARTEI, Martin Sonneborn, wobei auch die CDU immer wieder über ihren Europaabgeordneten, Daniel Caspary, informiert. Entsprechend brach die CDU auch eine Lanze für die PARTEI: Wer Demokratie wolle, müsse so etwas aushalten.

Um die Behandlung dieses Tagesordnungspunkts zu beschleunigen, reduzierte Oberbürgermeister Demal die Abstimmung auf das Berichtsverbot von Parteien im Vorfeld von Wahlen, was durch die Landespolitik vorgegeben wurde. Alle übrigen oben dargestellten Regelungen sollen in einer späteren Sitzung beraten werden. Zudem bot Demal an, die Karenzzeit von drei Monaten auf zwei zu reduzieren. Schließlich ist im Gesetz von “höchstens sechs Monaten” die Rede. Allerdings gebe es bereits ein Gerichtsurteil, das zwei Monate für zu knapp hielt, weshalb der Städtetag zu drei Monaten rate.

Das Bundesverfassungsgericht hatte festgelegt, dass staatliche Organe und Amtsträger sich in Vorwahlzeiten neutral zu verhalten haben. Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg hatte sich dem 1981 angeschlossen und einen Zeitraum von 5-6 Monaten für sinnvoll angesehen. Die Neutralitätspflichten verstärken sich, je näher der Wahltermin rückt. Nach einer Auskunft des baden-württembergischen Innenministeriums von 2014 auf Anfrage der FDP/DVP gilt im Stuttgarter Amtsblatt eine Karenzzeit vor Wahlen von 6 Wochen, in Heilbronn von 5-6 Monaten, in Karlsruhe von drei Monaten. In den Stutenseer Veröffentlichungsrichtlinien ist bislang keine Karenzzeit vorgeschrieben. Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot durch Amtsträger oder amtliche Stellen könne eine Wahlbeeinflussung darstellen, die zur Ungültigkeit einer Wahl führe, so das Innenministerium.

Die Abstimmung über die Karenzzeit führte im Stutenseer Gemeinderat zu einer Stimmengleichheit von 13 zu 13, womit die Vorlage durch den Gemeinderat abgelehnt wurde. Da die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg bereits am 13. März 2016 stattfindet, ist eine dreimonatige Karenzzeit nicht mehr einzuhalten.

Veröffentlichungsrichtlinie Amtsblatt Stutensee von 1993 (PDF)

Beschlussvorlage Veröffentlichungsrichtlinie ab Dez. 2015 (PDF)

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Lieber Gemeinderat, Danke für Euren Einsatz für Demokratie, Meinungsfreiheit und die politische Willensbildung. Wir sind auf die endgültige Fassung gespannt. (Hinweis: hier ist keine Satire versteckt ;D)