Kriegsverbrecher: Hindenburgstraße umbenennen?

Paul von Hindenburg (links), Kaiser Wilhelm II. und Erich Ludendorff

Beitragsbild: pixabay.com

Von Martin Strohal | 24.01.2019 21:04 | 5 Kommentare

“Die Stadt Stutensee steht für Vielfalt, Toleranz und demokratische Werte in einer weltoffenen Stadtgesellschaft. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz haben in Stutensee keinen Platz”, heißt es in der Resolution, die der Stutenseer Gemeinderat im Dezember 2018 verabschiedet hat. In dieser Sitzung erkannte das Gremium auch Adolf Hitler und zwei weiteren Nazi-Akteuren die Ehrenbürgerschaft ab (wir berichteten).

Ein Friedrichstaler Bürger nahm das zum Anlass, die Benennung der Hindenburgstraße im Stadtteil Friedrichstal kritisch zu hinterfragen. “Der Totengräber der Weimarer Republik und Steigbügelhalter Adolf Hitlers sollte bei uns im ‘Dorf’ nicht weiter durch einen Straßennamen geehrt werden”, so Rolf Pessel in einem Leserkommentar auf meinstutensee.de. Er schlug vor, die Straße im Zuge der Europawahl in “Robert-Schumann-Straße” umzubenennen.

Friedrichstals Ortsvorsteher Lutz Schönthal berichtete in der Ortschaftsratssitzung vergangenen Mittwoch, dass sich Oberbürgermeisterin Petra Becker dem Thema annehmen werde. Eine Umbenennung der Straße sehe er aufgrund der vielen – auch gewerblichen – Anwohner als unwahrscheinlich an. Eine Adressänderung sei für jeden von ihnen mit großem Aufwand verbunden. Schönthal plädierte stattdessen für den Weg, den auch Gaggenau gewählt habe. Wie die BNN berichteten, hat sich die Stadt im Landkreis Rastatt erst kürzlich gegen eine Umbenennung ihrer Hindenburgstraße entschieden und wird dafür Hinweisschilder anbringen, auf denen folgender Text zu lesen sein wird:

Paul von Hindenburg (1847 – 1934) war im Ersten Weltkrieg als Chef der Obersten Heeresleitung für das Prinzip der verbrannten Erde in Frankreich und andere Kriegsverbrechen verantwortlich. Er bekämpfte die Befürworter eines Verständigungsfriedens, die er nach der katastrophalen Niederlage mit der Dolchstoßlegende belegte. Als Reichspräsident der Weimarer Republik ernannte er am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Die Entscheidung in dieser Sache wird ein Ausschuss oder der Stutenseer Gemeinderat treffen.

forum Kommentare

Die Meinung des Ortsvorstehers Schönthal kann ich nicht teilen. Personen, die schreckliches getan haben, müssen nicht durch nach ihnen benannten Straßen “unsterblich” werden. Es sollte jedem Unternehmen in der betroffenen Straße möglich sein, die Adresse mittelfristig zu ändern. Man könnte ja während eines Übergangszeitraum von 2 Jahren den alten Straßennamen noch stehen lassen. Und eine Tafel zur “Verherrlichung” aufhängen würde ich schon gar nicht. Wenn der Gemeinderat schon die Ehrenbürgerschaften von AH & Mittätern formal aberkannt hat, dann sollte man in Stutensee auch bei solchen Kleinigkeiten gründlicher sein. Aber ja, wir erinnern uns an die schrecklichen Taten … auch ohne solche Straßenschilder!

Rolf Pessel

“Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“ So verstehe ich den Kommetar Herrn Windmeiers. Seien wir konsequent in unserem Handeln und eiern bitte nicht herum. Diesen Akt unsere Demokratie zu stärken, gibt es leider nicht zum Nulltarif. Unsere Demokratrie wird nicht durch die Feinde der Demokratie zu Grunde gehen, sondern durch das Nicht-Handeln der Demokraten. Arbeiten wir doch bitte in unserer Stadt aktiv daran, dass wir zu den konsequent Handelnden und damit zu den aktiven Verteidigern der Demokratie zählen. Es ist eben nicht nur ein Straßennamen, sondern nomen est omen = Namen sind Zeichen und dieses Zeichen muss aus unserer Stadt verschwinden. Ja, es wird ein Teil der Umschreibungsarbeiten und -kosten bei den Anliegern hängen bleiben. Die Vermeidung dessen jedoch höher zu bewerten, als die Tilgung des Namens eines Kriegsverbrechers etc. würde von einem sehr fragwürdigen Demokratieverständnis zeugen. Wo und wie können wir als Stadtverwaltung den Umschreibungsprozess für die Anwohner so kostengünstig und so einfach wie möglich gestalten muss die Fragestellung lauten und nicht wie winde ich mich am geschicktesten, um den Schein zu wahren und dennoch nichts grundsätzlich zu änderen – dies wäre ein Bärendienst an der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Demokratie, den eine Kommune tunlichst meiden sollte, wie der Teufel das Weihwasser. Ich vertraue da ganz auf das Stehvermögen unserer Oberbürgermeisterin.

Willi

Herr Pessel,
was an der Umbenennung einer Straße demokratiestärkend sein soll möchte sich mir nicht erschließen. Diese Straße hat bereits eine Diktatur, einen kalten Krieg und eine innerdeutsche Wiedervereinigung überstanden. Nicht zuletzt, und dies in meinen Augen das wichtigste Argument, die Wiedereinführung der Demokratie nach 1945. In all dieser Zeit hat sich kein Mensch daran gestört, dass es in irgendwelchen Ortschaften eine “Hindenburgstraße” gibt. Und glauben Sie mir, die Hindenburgstraße wird auch einen renitenten Rolf Pessel überstehen!

DIe Art und Weise wie Sie hinter diesem Vorhaben stehen, ist beispiellos für die provokante rechthaberische Art Ihrer Generation. In vorauseilendem Gehorsam soll man tunlichst Ihrer wirren und völlig haltlosen Forderung nachkommen und diese Straße am besten gestern als heute umbennen. Den Namen hierfür gaben sie selbstverständlich auch schon vor.
Kosten, Mühen und mögliche Beeinträchtigungen der Menschen (nicht gerade wenig) die in dieser Straße leben, werden in geradezu oberlehrerhafter Manie als für selbstverständlich angesehen.

Noch etwas was ich aus Ihrem emotionalen Beitrag nicht verstehe, welchen Schein möchte man Ihrer Meinung denn wahren? Einen Schein der nicht existiert!! Stutensee hat mit seiner Resolution vor jüngster Zeit wohl nochmals deutlich gezeigt wofür die Stadtverwaltung und letzlich die Bürgerschaft steht. Hinzu kommen die vielen Maßnahmen und Aktivitäten die in den letzten Jahren für Neuankömmlinge und zugezogene aus fernen Ländern getätigt wurden. Hier davon zu sprechen einen Schein zu wahren, indem man die bitterböse Hindenburgstraße nicht sofort nach dem Erscheinen Ihres Leserbriefes umbenennen will, empfinde ich als regelrechte Beleidigung der gesamten Stadtverwaltung gegenüber.

Möglicherweise sind Sie es, der sich nochmal die Grundzüge und Funktionsweise einer Demokratie zu Gemüte führen sollte. Bei einer Demokratie geht die Macht vom Volk aus. Und ich kann mich nicht erinnern Sie als veritable Stimmer der gesamten Stutenseer Einwohnerschaft gewählt zu haben.
Sollte es tatsächlich zum Versuch einer Umbenennung kommen, wäre dies ohne Abstimmung keineswegs mehr demokratisch sondern geradezu das Gegenteil. Dem Willen einer Einzelperson untertänigst nachgekommen…hatten wir doch schonmal.

Also seien doch auch Sie kompromissbereit und geben sich mit der Anbringung eines Hinweisschildes zufrieden. Ich und viele andere sind dies bestimmt auch.

VolSchoen

Es erscheint mir durchaus erwägenswert, dem Gedanken einer Kommentierung unter Beibehaltung des Straßennamens im beschriebenen Sinne zu folgen. Ja, es ist richtig, der so gepriesene „Kriegsheld“ und spätere Reichspräsident war als Monarchist kein Anhänger der Weimarer Republik, welche er als ihr höchster, demokratisch gewählter Repräsentant zu vertreten hatte; doch war er weder „Totengräber“ dieser Weimarer Republik noch der „Steigbügelhalter“ jenes „böhmischen Gefreiten“, den er Anfang 1933 eher widerwillig zum Reichskanzler berufen hat. Gleichwohl war eben dieser Paul von Hindenburg, dann nicht unzufrieden über den Sturz der ungeliebten Demokratie und der Errichtung der Diktatur, doch da gehörten wesentlich mehr dazu. Es war nicht zuletzt ein nochmals halbwegs demokratisch gewählter Reichstag, der mit der parteiübergreifenden Zustimmung zu dem unseligen Ermächtigungsgesetz im März 1933, das junge demokratische System endgültig zu Grabe getragen hat. Es war allein die heute dahinsiechende SPD und ihre Abgeordneten, welche damals im Parlament mutig dagegengehalten hatten (die Rede des damaligen Vorsitzenden Otto Wels ist auch heute noch lesenswert). Es geht nicht darum, die Person Hindenburgs in ein vermeintlich besseres Licht rücken zu wollen, und vielleicht sollte man den Ehrerweis mit einem Straßennamen nicht überbewerten; es sollte vielmehr darum gehen, den Weg einer kritischen Auseinandersetzung zu eröffnen. Wem dies gleichgültig ist, dem sind auch Straßennamen gleichgültig.
Ich sehe bei der Kommentierung, in der kritischen Weise, durchaus eine Möglichkeit, sich eben mit der Person und der zugehörigen Geschichte zu befassen. Wer kann denn mit diesem Namen noch etwas anfangen? Ich bin überzeugt, dass neun von zehn Bürger kaum etwas oder gar nichts dazu sagen können. Und so erscheint es mir sehr wohl richtig, den Straßennamen mit einer entsprechenden Kommentierung „sprechen“ zu lassen. Dies auch im Bewußtsein, dass es Zeiten in diesem Land gegeben hat, in denen diese Person als „Held“ und „Retter des Vaterlandes“ verehrt wurde, und dass wir es heute glücklicherweise besser wissen dürfen. Geschichte, und gerade deutsche Geschichte, ist nicht bequem, und sie ist sicher nicht durch Wegwischen und Umbenennen „besser“ zu machen. Für den durchaus ehrenswerten Robert Schumann sollte es im „Wohnen mit der Sonne“ wohl Raum geben für eine angemessene Würdigung (gerne auch mit Kommentar).

Rolf Pessel

Herr VolSchoen, Danke für Ihre interessanten Hinweise, auch auf Otto Wels:
https://www.youtube.com/watch?v=SgY7E7bDf9k

Verflixte Namensgebung bzw. -schreibung! Auch auf die Gefahr hin, dass der oder die Eine es wieder als oberlehrerhaft empfinden mag, es soll doch lediglich nur der Klarstellung dienen und wahrscheinlich war es nur ein Schreibfehler. Es ist die Rede von Robert “Schuman” mit einem “m” am Namensende:

https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Schuman
und nicht von:
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Schumann