In unserer Reihe “Aus der Lokalpolitik” schreibt heute Christine Stemke, Mitglied der Fraktion der Grünen im Stutenseer Gemeinderat. Es handelt sich hierbei um die subjektive Darstellung der Fraktion.
Eine große Mehrheit der Menschen wünscht sich, in der vertrauten Häuslichkeit alt zu werden. Das bestätigen immer wieder zahlreiche Untersuchungen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig gibt es eine kleine, aber wachsende Gruppe von Senioren, die bereit ist, im Alter noch einmal umzuziehen. Sie suchen Gemeinschaft und ein gewisses Maß an Sicherheit, wollen jedoch möglichst selbständig und selbstbestimmt leben.
Zu diesem Thema gab es am 6.11.19 eine Informationsveranstaltung der Stadt Stutensee im Stadtteil Spöck, an der auch Teile unserer Fraktion teilnahmen. Auch an diesem Abend haben sich durch die Beträge der teilnehmenden Bürger*innen diese oben aufgeführten Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und im betreuten Wohnen der Erwartung an eine Versorgungssicherheit bestätigt. Die Menschen in Baden-Württemberg sollen auch im Alter würdevoll und selbstbestimmt leben können. Deswegen fördert die grün-geführte Landesregierung eine Vielfalt von Wohnformen. Mit dem neuen Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG) ist Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter. Während das alte Landesheimgesetz nur die Alternative „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine bisher nie dagewesene Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen. Wir Grüne stehen für eine Politik, die Vielfalt, Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglicht.
Wohnen gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Die eigene Wohnung ist Lebensmittelpunkt. Das gilt für alle Generationen. Doch im Alter gewinnt dieser Ort stark an Bedeutung. Eine Wohnung bedeutet nicht nur einfach vier Wände. Sie ist ein Zuhause, umschlossen von einem Netz aus Beziehungen. Die eigene Wohnung ist ein Stück Lebensgeschichte und beinhaltet Erinnerungsstücke. Die eigene Gestaltung des Wohnraums ist Ausdruck der Persönlichkeit, den Wohnen ist ein Stück Identität und so persönlich wie die eigene Kleidung. Die Wohnungstür hinter sich schließen zu können, ist ein Stück Selbstbestimmung. Es gibt Geborgenheit, Sicherheit und Vertrautheit.
1. Wohnraumberatung
In allen Fragen des “Wohnens im Alter” sind Wohnberatungsstellen geeignete Anlaufstellen.
Neben der Unfallverhütung sind weitgehende selbständige Lebensführung in der eigenen Wohnung und im gewohnten Umfeld zu ermöglichen. Zur Wohnberatung gehört der Hausbesuch. Dabei geht es neben der Klärung Ihrer Wohnsituation und Ihrer persönlichen Rahmenbedingungen auch um die gemeinsame Hilfeplanung. Es erfolgt die Beratung zu Ausstattungsänderungen, Hilfsmitteln, baulichen Maßnahmen, Raumnutzung sowie zu potentiellen Finanzierungsquellen, ggf. auch Antragstellung und Begleitung der Maßnahme.
Die Paritätischen Sozialdienste in Karlsruhe bieten auch für die Stadt Stutensee neutrale Wohnraumberatung an und informieren über die Auswahl geeigneter Hilfsmittel wie Haltegriffe und Treppenlifter, Umbaumaßnahmen wie Türverbreiterungen, schwellenlosen Duschen, Rampen sowie Neubauplanungen, Stellungnahmen für Kostenträger, Finanzierungsmöglichkeiten und alternative Wohnformen. www.paritaet-ka.de/dienste/wohnberatung.html
Das eigene Haus kann zugleich auch aufgrund der Größe überfordern. Individuell wäre daher zu klären, ob eine bauliche Lösung durch Verkleinerung der eigentlichen Wohnfläche durch Aufteilung in Wohnhaus mit Einliegerwohnung Sinn macht.
Finanzielle Unterstützungsquellen der Wohnraumanpassung
Die KfW-Bank hat dafür ein Förderprogramm 159 „Altersgerechtes Umbauen – Kredit“ ins Leben gerufen. Dort kann ein Kreditbetrag bis zu 50.000 € pro Wohneinheit beantragt werden, sofern in einen Barrierabbau zum selbstbestimmten Leben investiert wird. Einen Zuschuss zur Investition in altersgerechte bzw. barrierereduzierte Wohnräume können private Eigentümer über das Programm 455 „Altersgerechtes Umbauen – Investitionszuschuss“ erhalten.
Pflegebedürftige können, nach vorheriger Anerkennung eines Pflegegrades, von der Pflegekasse Zuschüsse bis zu 4000 € je Umbaumaßnahme für erforderliche, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen bekommen.
Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind u.a. Krankenkassen, die Unfallversicherung; im Einzelfall (teilweise abhängig vom Einkommen, Vermögen etc.) das Sozialamt, Versorgungsamt, Stiftungsmittel und Landesförderprogramme.
2. Wohnformen von betreutem Wohnen
Es gibt keine festen Altersgrenzen, keinen konkreten Zeitpunkt für eine Entscheidung über die Wohnsituation im Alter. Aber eine Veränderung sollte in jedem Fall früh genug geplant werden, um noch selber darüber entscheiden, einen Umzug bewältigen und sich in neuer Umgebung einleben zu können.
Das Betreute Wohnen, auch als Servicewohnen bezeichnet, soll die Lücke zwischen Eigenständigkeit ohne Sicherheit und Sicherheit ohne Eigenständigkeit und dem Bedürfnis älterer Menschen nach Entlastung, Sicherheit und Pflege im Bedarfsfall Rechnung getragen werden. Es wird bundesweit flächendeckend angeboten. Der Begriff „Betreutes Wohnen“ ist zwar bundesweit gebräuchlich, kann aber überhöhte Erwartungen wecken. Die Kosten für das Betreute Wohnen tragen die Bewohner*innen. Zu den Miet- und Nebenkosten (Betriebskosten) kommen bei klassischen Konzepten des Betreuten Wohnens Kosten für Grundleistungen hinzu. In der Regel werden diese als Grund- oder Betreuungspauschale in Rechnung gestellt und decken die soziale Betreuung, die Dienstleistungen eines Hausmeisters, den haustechnischen Service und den Notruf ab. Mit der Grundpauschale bezahlen die Bewohner*innen für das Vorhalten einer Leistung und die Möglichkeit, diese bei Bedarf kurzfristig in Anspruch nehmen zu können. Um eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen, muss das Wohn- und Dienstleistungsangebot umfassend und allgemein verständlich beschrieben sein. Angebotstransparenz und eine klare, nutzerfreundliche Vertragsgestaltung sind bedeutsame Qualitätsmerkmale. Die Ziele des Betreuten Wohnens für Senior*innen und die Betreuungskonzeption sollten im allgemeinen Teil des Vertrags eindeutig und verständlich beschrieben werden und damit Bestandteil der vertraglichen Regelungen sein.
Eine Orientierungshilfe zu Betreuten Wohnanlagen ist abrufbar unter: www.kvjs.de/fileadmin/publikationen/soziales/KVJS-Ratgeber-Betreutes-Wohnen-R2-Barrierfrei.pdf Sie gibt Senior*innen vertiefende Informationen über Qualitätsmerkmale dieser Wohnform. Der Begriff “Betreutes Wohnen” ist nicht geschützt. Rechtssicherheit und verbindliche Mindeststandards fehlen bisher. Ein wichtiger Regelungsschritt für die ambulant betreuten Wohngemeinschaften erfolgte in Baden-Württemberg 2014 durch das grüngeführte Sozialministerium mit dem Ablösen des alten Landesheimgesetzes durch das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG). Denn mit Inkrafttreten des WTPG wurden erstmals vollständig selbstverantwortete oder von einem Träger verantwortete ambulant betreute Wohngemeinschaften zu gesetzlich geregelten Wohn- und Betreuungsformen für volljährige Menschen mit Behinderungen oder mit Versorgungs- und Unterstützungsbedarf geschaffen, die zugleich eine kultursensible und individualisierte Pflege ermöglichen. In BaWü werden zwei unterschiedliche Organisationsformen unterschieden:
- Vollständig selbstverantwortete ambulant betreute Wohngemeinschaften In diesen Wohngemeinschaften leben maximal 12 Bewohner*innen zusammen. Wesentliche Kennzeichen dieser Wohnform sind die vollständige Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner bei der Lebens- und Haushaltsführung und die Unabhängigkeit von Dritten. Die WG-Mitglieder schließen einen Mietvertrag ab, die Unterstützungs- und Pflegeleistungen werden wie im normalen privaten Haushalt vertraglich gesondert geregelt. Dadurch haben die sozialen Betreuungspersonen und auch der Pflegedienst Gaststatus, die WG-Mitglieder haben das Hausrecht und bestimmen die Rahmenbedingungen des WG-Lebens selbst. Es werden keine konkreten baulich-räumlichen Anforderungen gestellt. Die Entscheidung über die Aufnahmeneuer Mitbewohner*innen erfolgt durch die Bewohner*innen selber. Vollständig selbst verantworteten Wohngemeinschaften unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des WTPG. Bei der Planung einer selbstverantworteten ambulant betreuten Wohngemeinschaft, sollte immer überlegt werden, ob ein späterer Wandel zu einer anbieterverantworteten WG möglich sein soll, da mit zunehmendem Alter möglicherweise der Versorgungsbedarf zunimmt.
- Anbieterverantwortete ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf leben maximal 12 Bewohner*innen in einem Haushalt zusammen. Der Anbieter stellt in der Regel den Wohnraum und die den Alltag begleitenden Präsenzkräfte zur Verfügung. Die Bewohner*innen bzw. deren gesetzliche Vertreter können den Pflegedienst und Art und Umfang der individuellen Pflegeleistungen frei wählen. Die Verträge für Pflegeleistungen sind von den anderen Verträgen entkoppelt, es besteht daher keine strukturelle Abhängigkeit bei dem darüber hinaus beauftragten Pflegedienst, dieser hat in der Wohngemeinschaft Gaststatus. Anbieterverantwortete Wohngemeinschaften müssen baulich höhere Anforderungen erfüllen als selbstverantwortliche WG´s. Zur Sicherstellung der Qualität und damit zum Schutz der Bewohner*innen wird diese Wohnform durch die Heimaufsicht unangemeldet geprüft.
Quelle: Bündnis 90/Die Grünen Stutensee
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