In unserer Reihe “Aus der Lokalpolitik” schreibt heute Klaus Mayer, Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Freien Wähler im Stutenseer Gemeinderat. Es handelt sich hierbei um die subjektive Darstellung der Fraktion.
In diesem Jahr ist vieles anders. Viele unserer im Grundgesetz garantierten Rechte sind erheblich eingeschränkt (Allgemeine Handlungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie). Spätestens seit „Kontaktverbote“ erlassen wurden und „Allgemeinverfügungen“ weite Teile unseres Alltags bestimmen, hat sich unser Leben erheblich verändert. Arbeiten, Einkaufen, Behördengänge, Arztbesuche oder Freizeitgestaltung sind nur mit Einschränkungen möglich. Wir nehmen diese Einschränkungen unserer Freiheit hin, denn wir sehen die Notwendigkeit ein. Selbst vor den österlichen Feiertagen machen das Corona-Virus und dessen Auswirkungen nicht Halt. Vieles wurde deshalb abgesagt: Gottesdienste, Familienfeiern, gemeinsame Ausflüge, Verwandtenbesuche, „Angrillen“ mit Nachbarn und Freunden, Besprechungen oder Gemeinderatssitzungen.
Aber vieles ist jetzt auch angesagt, denn es gilt mehr denn je zusammen zu stehen, wenn auch mit Abstand: Eine Postkarte zu Ostern, ein Brief an die Verwandten, ein freundliches Telefonat mit Bekannten oder eine Videobotschaft an Freunde. Wir lernen „alte Medien“ wieder schätzen und lernen neue Wege der Kommunikation vermehrt zu nutzen. Telefon- und Videokonferenzen gehören zum Arbeitsalltag. Auch für uns Freie Wähler gehören regelmäßige Besprechungen, Fraktionssitzungen und Vorstandssitzungen per Skype, Zoom, WebEx oder eine andere Plattform in dieser Zeit, wo persönliche Treffen nicht möglich sind, zum selbstverständlichen Handwerkszeug.
Da stellt sich die Frage warum Ausschusssitzungen, Gemeinderatssitzungen oder Ortschaftsratssitzungen nicht auch per Videokonferenz geführt werden können, auch diese lassen sich öffentlich verfolgen. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat den Kommunen gegenüber deutlich gemacht, dass auch in der Krisenzeit „den wesentlichen Grundsätzen der Gemeindeordnung“ zu folgen ist, sprich Beschlüsse können nur im Umlaufverfahren oder in einer Präsenzsitzung gefasst werden. Wir finden dies ist eine enge, rückwärtsgerichtete Auslegung, die hier vom Ministerium getätigt wird. Es scheint leichter zu sein, grundgesetzlich verbriefte Rechte einzuschränken, als die Gemeindeordnung modern und pragmatisch, den außergewöhnlichen Bedingungen entsprechend, zu interpretieren. Warum wird den Städten und Gemeinden verwehrt (Gremienbeschlüsse per Videokonferenz zu fassen), was beim Bundeskabinett, bei Großkonzernen, ja selbst bei mittelständischen Unternehmen Gang und Gäbe ist?
Wir Freien Wähler sehen die Handlungsfähigkeit unserer Stadt in keiner Weise gefährdet. Die Verwaltung arbeitet effizient und konzentriert alle anfallenden Themen ab. Keine leichte Aufgabe in dieser Zeit, mit vielen neuen Fragestellungen und vielen Arbeitsfeldern, von der Einrichtung von Notgruppen zur Kinderbetreuung über die Wirtschaftsförderung bis zur Kontrolle der Einhaltung der „Allgemeinverfügung“ und von der Grüngutannahme über Kontakte mit anderen Behörden bis zur Beschaffung von Atemmasken. Und dies alles neben dem „Tagesgeschäft“.
Für die Gremienarbeit fragen wir uns jedoch, ob sich nichtöffentliche Vorberatungen bzw. Ausschusssitzungen, nicht doch in Form einer Videokonferenz durchführen lassen. Das würde Raum für Diskussionen ermöglichen, die notwendig sind, um Gemeinderatsbeschlüsse effizient vorzubereiten.
Wenn wir in diesen Zeiten nicht lernen enger zusammen zu rücken und über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zusammen zu arbeiten, wann sonst? Papst Franziskus sagte es sehr deutlich was jetzt angesagt ist: Die Entscheidungsträger sollten aus der Corona Krise eines lernen: Demut.
Quelle: Freie Wähler Stutensee
forum Kommentare
Stichwort Präsenzsitzung… da scheint die Gemeindeordnung in bester Gesellschaft mit weiteren, nicht zeitgemäßen Gesetzen wie z.B. dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Das BetrVG regelt die Arbeit von Betriebsräten und wird dahin gehend verstanden, dass Sitzungen nicht-öffentlich sind und zumindest für Beschlüsse die physische Präsenz der Räte erforderlich ist. Und wie soll nun der Betriebsrat z.B. aus dem Home Office über den Rettungsanker Kurzarbeit im Unternehmen wirksam entscheiden – ohne Betriebsrat keine Kurzarbeit?
Also liebe Politiker auf Landes- und Bundesebene, macht endlich eure Hausaufgaben und modernisiert veraltete Gesetze, insbesodnere im Hinblick auf moderne Medien.
Die Meinung der Fraktion der Freien Wähler zu dringend notwendigen Änderungen der Gemeindeordnung in entsprechenden Notfällen teile ich, und bin ebenso von den IST und SOLL-Vorschriften der Gemeindeordnung, im direkten Darstellungsverhältnis zum Grundgesetz unbeeindruckt. Ausdrucksstärker stellt sich hierbei die unverzügliche Einberufung einer Sitzung dar, also eine Muss-Vorschrift, falls diese von einem Viertel der Gemeinderäte unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes beantragt wird. Da sieben Gemeinderäte der Freien Wähler bereits ein Viertel des Rates ausmachen, ist es doch sicher ein Einfaches, einen Verhandlungsgegenstand zu finden, der eine unverzügliche Einberufung notwendig macht. Meinetwegen die dringliche Verlegung des Berliner Flughafens nach Stutensee. Eine notwendige Rückfrage beim Innenministerium, was man nun gegen das angeordnete Versammlungsverbot ausrichten kann, könnte den casus mit Verweis auf, da mihi facta, dabo tibi ius (Liefere mir die Tatsachen, dann werde ich dir das Recht geben) schnell lösen. Und sagen Sie Herrn Strobl abschließend -in praeteritum non vivitur (für die Vergangenheit lebt man nicht). Non ex regula jus sumatur, sed ex jure, quod est regula fiat
(nicht aus Regeln ergibt sich das Gesetz, sondern umgekehrt) Suum cuique (Jedem das Seine). In diesem Sinne – de lege lata (nach geltendem Recht).