Linden an der Festhalle: Stadt jetzt kompromissbereit

Protestplakat

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 09.11.2020 22:07 | 3 Kommentare

Bislang hat sich die Stadtverwaltung unnachgiebig gezeigt, was das Entfernen der etwa vierzigjährigen Linden an der Blankenlocher Festhalle angeht. “Da ist nichts mehr zu machen”, hatte Erste Bürgermeisterin Sylvia Tröger noch in der Gemeinderatssitzung Ende September auf Bürgeranfrage betont. Die Pläne seien vor über zwei Jahren beschlossen worden und könnten nun nicht mehr aufgerollt werden. Einzig einer Verpflanzung von zwei der Linden hat der Gemeinderat im Nachgang noch zugestimmt.

Nachdem im Sommer einige Bürgerinnen und Bürger aus Blankenloch begonnen hatten, gegen die Entfernung der sechs gesunden Linden zu protestieren und ihrem Sprecher Franz Raupp-Lehner zufolge mittlerweile knapp 900 Unterschriften gesammelt haben, scheint es im Rathaus ein Umdenken zu geben. “Die Stadt Stutensee prüft derzeit nochmals detailliert, inwieweit im Rahmen des bereits geltenden Planungsrechts und mit welchem Kostenaufwand der Erhalt zumindest eines Teils der Lindenbäume am bisherigen Standort technisch ermöglicht werden könnte”, erklärt die Stadtverwaltung in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung.

Gleichzeitig wiederholt sie das Argument, dass an dieser Stelle eine Feuerwehraufstellfläche vorgesehen sei, welche eine verpflichtende Auflage darstelle. Die Stadt weist nun auch darauf hin, dass die Badstraße zwischen Gärten und altem Festhallenparkplatz dringend saniert werden müsse inklusive der dort vorhandenen Kanalinfrastruktur. “Die Kanäle befinden sich dabei zum Teil unter den insgesamt sechs Lindenbäumen, welche erst lange nach deren Herstellung im nordwestlichen Bereich der Festhalle Stutensee gepflanzt wurden”, so die Stadtverwaltung. Des Weiteren müsse aufgrund der übrigen Versorgungsinfrastruktur und technischer Erfordernisse hier auch die künftige, große Hauptwasserleitung für den „Wohnpark Mittendrin“ installiert werden. Oberbürgermeisterin Petra Becker verspricht einen “aktiven Dialog und volle Transparenz”.

Die Interessensgruppe der Bürger:innen, die sich für den Erhalt der Linden an ihrem jetzigen Standort einsetzen, kann dieser neuen Argumentation hingegen nicht folgen. “Warum wird die Kanalsanierung erst jetzt ins Spiel gebracht?” wundert sich ihr Sprecher Franz Raupp-Lehner. Erst seien es die neuen Parkflächen gewesen, die eine Verlegung der Badstraße notwendig gemacht hätten, dann die Feuerwehrzufahrt. Die Stadt hätte ihnen gegenüber schriftlich versichert, dass weder der Grünstreifen an den Gärten noch der Kanal im Zuge der Baumaßnahmen angefasst würde. Vorschlag der Bürger:innen: Der alte Kanal soll bleiben wo er ist, unterhalb der jetzigen Badstraße soll ein neuer eingezogen werden.

“Das Ganze wurde ohne Bestandsplan angegangen”, vermutet Raupp-Lehner. Erst auf Nachfrage der Bürger hätten die Vermessungsarbeiten in diesem Sommer stattgefunden. Im Vergleich zum Siegerentwurf des Wohnpark Mittendrin würden im aktuellen Plan dreißig großkronige Bäume fehlen. Auch die “grüne Mitte” des Quartiers sei bei den vorgesehenen Pflanzen um die Hälfte reduziert worden, moniert Raupp-Lehner weiter.

Trotzdem geben sich Raupp-Lehner und seine Mitstreiter kompromissbereit. “Vielleicht können ja immerhin ein paar der Linden an ihrem jetzigen Standort verbleiben.” Die Stadtverwaltung hat ein persönliches Gespräch angeboten, sobald die Corona-Situation es zulasse.

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Das Problem das sich hier zeigt, wiederholt sich in deutschen Gemeinden immer dann, wenn was NEUES entsteht, und das ALTE nicht mehr dazu passt. In diesem Fall wäre es vorstellbar, dass die Sanierung der Abwasserleitungen und die neuen Versorgungsanforderungen mit Wasser und Strom, nicht mehr mit dem VORHANDENEN ausreichend geregelt und in Einklang gebracht werden können. Ableitungen und Zuleitungen müssen entsprechend vergrößert, und der neuen Lage angepasst werden. Das wird sicher irgendwann zu einem Nachdenken und Procedere auch bei der geplanten Innenverdichtung führen, wenn ganze Straßenzüge mit weiteren, zusätzlichen Verbrauchern und mit größeren Ver- und Entsorgungsquerschnitten ausgestattet werden müssen. Selbst Abwasserrohre erreichen in Trockenzeiten zwischendurch ihre Kapazitätsgrenzen. Doch zurück zu den etwa 40 jährigen Lindenbäumen bei der Stutenseehalle.
Die wurden also dort wissentlich oder unwissentlich so um 1980, über bestehenden Versorgungsleitungen eingepflanzt und standen dem etwa vier Jahre später begonnenen Um- und Erweiterungsbau der Festhalle damals nicht im Wege. Jetzt wird man sagen. Es ist nicht so einfach, so weit zu denken, dass man einmal ein dort bereits seit 1973 vorhandenes Hallenbad irgendwann abreisst und durch eine Wohnanlage ersetzt. Richtig. Aber dass man auf Entsorgungsleitungen groß wachsende Bäume pflanzt, ist auch nicht gerade so berühmt für die damaligen Planer. Unter einer 360 KV – Hochspannungsleitung würde ja auch niemand auf die Idee kommen, eine schnell- und hochwachsende Pappel oder Platane einzugraben. Summa summarum: An die vorhandenen Leitungen in der Badstrasse unter den Bäumen, hat niemand gedacht.
Bisher stört anscheinend der vorhandene alte Kanal auch nicht das Wachstum der Lindenbäume und so wie es bereits mit deutscher Technik gelungen ist, das St. Gotthardmassiv zu durchbohren, um sich in der Mitte des Berges wieder zu treffen, sollte es kein großes Ding sein, ein dagegen relativ kleines Röhrchen von DN 800 mittels deutscher Ingenieurstechnik um die Linden herumlaufen zu lassen. Es gibt Rohre, Rohrbögen und alles was man dazu braucht im naheliegenden Baumarkt im Industriegebiet. Und wenn man die Badstrasse in diesem Bereich sowieso zwangssanieren muss, wird sich der Mehrkostenfaktor, bei vier 45°- Bögen, auch im verhältnismäßigen Rahmen halten.
“Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.” – Nelson Mandela

Valentin

Schönen Abend,
ich finde es toll, dass so viel öffentliches Interesse daran besteht, die Bäume zu erhalten. Ich finde es sehr merkwürdig, dass es Tag für Tag unterschiedliche Ausreden zur Rodung der Bäume gibt. Es kann und darf nicht sein, dass nach jeder Lösung für ein Problem, ein neues Problem erschaffen werden muss, um es zu rechtfertigen, die Bäume zu fällen. Ich würde mich freuen an solch einer öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Ich hoffe, dass ich in diesem Gespräch dann das erste Mal die „volle Transparenz“ sehe.
Mit freundlichen Grüßen
Valentin Heilmann und Luca Raupp

Luca R

Stutensee, 16. 11 .20
Es ist begrüßenswert, wenn die Oberbürgermeisterin Petra Becker erstmalig einen aktiven Dialog und volle Transparenz mit den Bürgerinnen und Bürgern herstellen möchte. Dies war mit der
Baubürgermeisterin Frau Tröger und deren bürgerfernem Verhalten nicht möglich. Bereits während des Plan verfahrens war die gemeinsame Sache mit dem Investor erkennbar, nachdem sie sämtliche Anregungen und konstruktive Vorschläge ortskundiger Bürgerinnen und Bürger teils unbeantwortet ließ oder ohne Angabe triftiger Gründe in den Wind geschlagen hatte. Hauptärgernis sind jedoch die von der Baubürgermeisterin zunächst nur angedachten und jetzt in die Planung aufgenommenen Besucherparkplätze, welche die Volkswohnung nicht, wie nördlich der Badstraße, auf eigenem Grundstück nachweist, sondern mitten auf der bestehenden Badstraße, unter der sich der Hauptentwässerungskanal befindet. Aufgrund einer solchen Fehlplanung und Inkompetenz müsste eine intakte Straße mit einem Kostenaufwand von 1,13 Mio. EUR aus Steuermitteln verlegt werden. Infolgedessen würde die gesamte Baumreihe (überwiegend schöner, ortsbildprägender Linden) mit Lärmschutzhecke zum Opfer fallen. Hinzu kämen nochmals rd. 50.000,— EUR unnötiger Kosten für das irrsinnige Verpflanzen zweier 40 jähriger Linden, welche die Baubürgermeisterin entgegen den Ratschlägen von Fachleuten dem Gemeinderat vorschlug. Und dann wird von ihr zudem behauptet, die erst in den 80er Jahren mit Fördermitteln neugestaltete Badstraße müsste saniert und die Kanäle erneuert werden. Dagegen schreibt ihr Planungsamt, der Kanal in der Badstraße bleibe unberührt. Was ist da noch glaubhaft? Neueste nachgeschobene Aussage ist jetzt die Feuerwehrzufahrt. Eine Feuerwehr braucht keine rund 20m breite Zufahrt, um ihren Dienst verrichten zu können. Somit könnten die Linden stehen bleiben. Diese Zufahrt wäre auch hinter den Linden möglich über die neu erschlossene Straße. Weiter schreibt ihr Planungsamt, dem Investor werden 1 und 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit eingeräumt, während nach kürzlich veröffentlichter Pressemitteilung der Stadt den Ortsansässigen 2 Stellplätze pro Wohneinheit abverlangt werden.

Welch eine praktizierte Bürgernähe, wenn auswärtige Investoren mit einer geringeren Stellplatzzahl pro Wohneinheit bevorzugt werden!
Bei einer über 80%igen Überbauung und einem totalen Kahlschlag von über 40 großen Bäumen kann ohnehin nicht von einem nachhaltigen klima- und insektenfreundlichen Wohnquartier gesprochen werden. Die großflächig eingebrachten Unmengen an Beton für die Tiefgarage verursachen nunmal im Sommer durch Aufheizung eine Verschlechterung des Stadtklimas und lassen dort außer Rasen und Gestrüpp keine großkronigen Insektenbäume wie die Linden zu. Auch im letzten größeren Versickerungspotential zwischen Investorbaugrundstück und der Festhalle sollen, entgegen dem vom Gemeinderat beschlossenen Siegerentwurf, die dort vorgesehenen 20 Baumpflanzungen zugunsten einer Totalversiegelung entfallen. Die Folge solcher klimafeindlichen Planungen setzt sich beim neuen Parkplatz südl. der Festhalle fort. Eine Totalversiegelung ohne Versickerungsmöglichkeit und Baumbestand ist dort geschaffen worden. Insbesondere die junge Generation in Stutensee wird die jetzigen Bausünden zu tragen haben, welche das Klima von morgen beeinflussen. Aufgrund von zur Zeit rund 900 Bürgereinwendungen bleibt zu hoffen, dass das Investorenvorhaben nicht zu Lasten von Umwelt und Stadtklima realisiert wird.
Es ist zu begrüßen, wenn junge Bürger, wie Luca und Valentin, weiterhin Unterschriften sammeln.

Im Namen von Herrn Werner Enderle