Landtagswahl-Fragebogen (2): Einzelhandel

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Von Sofie Wirth, Nadine Lahn und Martin Strohal | 07.02.2021 11:51 | Keine Kommentare

Im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl am 14. März 2021 wollen wir Sie über die Standpunkte der Kandidatinnen und Kandidaten zu verschiedenen Themen informieren. Wir haben dafür allen, die im Wahlkreis Bretten – zu dem Stutensee gehört – auf dem Wahlzettel stehen werden, einen Fragebogen geschickt. Es geht dabei um die Themenbereiche Wohnraum, Einzelhandel, Pflege- und Gesundheitssystem, Bildung und Klima.

Bis Redaktionsschluss haben wir von allen eine Antwort erhalten, bis auf Thorsten Gary, Kandidat der Basisdemokratischen Partei Deutschlands.

In diesem Teil geht es um das Thema “Einzelhandel”. Unsere Frage: “Mittlere und kleine Unternehmen vor Ort im Gegensatz zu großen Online-Versandhändlern. Soll die Politik hier regelnd eingreifen?”

Andrea Schwarz, Grüne

Die Politik muss eingreifen, jedoch ist hier nicht das Land gefragt, sondern die Bundes- und Europaebene sowie die Verbraucher:innen. Wir brauchen klare Rahmenbedingungen, damit der Einzelhandel vor Ort mit dem Onlinehandel konkurrieren kann. Dazu gehört, dass alle dort Steuern zahlen, wo sie betrieblich tätig sind. Steuerverschiebungen und Steuervermeidungsstrategien müssen gesetzlich unterbunden werden. Es müssen gleiche Bedingungen für alle Teilnehmer:innen gelten. Klar ist auch: Der Einzelhandel vor Ort wird sich verändern müssen. Die Verbraucher:innen haben durch den Onlinehandel neue Möglichkeiten erhalten, was Auswahl, Verfügbarkeit und Lieferung anbelangt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Durch die „Click and Collect” Angebote des örtlichen Handels lassen sich Regionalität und digitale Angebote gut miteinander verbinden.

Ansgar Mayr, CDU

Ich halte nicht viel davon, wenn sich die Politik in marktwirtschaftliche Abläufe zu sehr einmischt. Die Politik muss aber für eine gewisse Chancen-Gleichheit zwischen dem Einzelhandel vor Ort und Online-Händlern sorgen. Hierzu gehört z.B. eine Reform der Steuermodelle: Es kann nicht sein, dass der örtliche Händler seine Steuern brav beim Finanzamt in Deutschland abliefert und große Konzerne zwar unsere Infrastruktur nutzen, aber günstig im Ausland versteuern.

Der Online-Handel an sich wird sich jedoch nicht mehr zurückdrehen lassen. Darin sehe ich aber auch eine Chance für den stationären Einzelhandel: parallel zu den Kunden vor Ort lassen sich für örtliche Anbieter neue Kunden erschließen. Dazu gehört eine Internetseite mit Online-Shop. Viele Einzelhändler schrecken davor zurück. Aber man muss heute kein Programmierer mehr sein, um das zu schaffen.

Andreas Laitenberger, AfD

Der Online Handel wird sich mit der digitalen Welt weiter ausbreiten. Amazon, als einer der großen Gewinner in der für uns so leidvollen Pandemiezeit hat im letzten Jahr seinen Gewinn um 55 Mrd. Dollar gesteigert. Der Umstand, dass dieser Online Gigant hierzulande keine Steuern bezahlt, wird der politische Skandal besonders deutlich. Vor diesem Hintergrund verdienen unsere mittleren und kleinen Unternehmen sowie der Einzelhandel unseren besonderen Schutz. Viele werden nach Ende des Lockdowns nicht wieder am Markt teilnehmen. Unsere mittleren und kleinen Betrieben werden mit ihren einzigartigen Qualitätsprodukten überleben. Der Einzelhandel muss steuerlich mehr entlastet werden. Mit persönlicher Beratung und einer klugen Kundenbindung wird auch der Einzelhandel konkurrenzfähig bleiben.   

Stephan Walter, SPD

Hierzu bin ich mit verschiedenen Händlern und Gewerbevereinen im Austausch. Viele sind von Existenzsorgen geplagt. Es kann nicht angehen, dass der Onlinehandel Krisenprofiteur ist und vor Ort die Infrastruktur nutzt – ohne sich angemessen an den Kosten dafür zu beteiligen und der alteingesessene Handel stirbt, Ortszentren veröden. Wir brauchen hier Instrumente, die kompensatorisch eingreifen. Eine Digitalsteuer sollte die neue Landesregierung beim Bund vorantreiben.

Christian Jung, FDP

Jeder Einzelne hat es in der Hand, mittlere und kleinere Unternehmen vor Ort gerade in der jetzigen Zeit zu unterstützen. Große Digitalkonzerne wie Facebook, Amazon oder Google generieren in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa hohe Einnahmen, zahlen jedoch kaum Steuern. Die Freie Demokraten wollen, dass alle Unternehmen – auch und gerade große internationale Unternehmen – selbstverständlich ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Heute ist es so, dass gerade internationale Konzerne das internationale Steuerrecht zu aggressiver Steuerplanung ausnutzen. Die FDP setzt sich deshalb dafür ein, dass sowohl auf internationaler Ebene der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) als auch auf Ebene der Europäischen Union Konzepte entwickelt werden, die eine faire Besteuerung für alle Unternehmen sicherstellen, den Standort Deutschland aber nicht gefährden. Das Thema alleine kann die Landespolitik nicht lösen.

Heinz-Peter Schwertges, Linke

Ja, auf jeden Fall! Der Onlinehandel als Profiteur der Corona-Krise muss angemessen besteuert und mit einer Sonderabgabe belangt werden. Diese Gelder sollen zur Überwindung der sich anbahnenden Wirtschaftskrise verwendet werden. Natürlich muss der Mittelstand und Einzelhandel damit ausreichend Unterstützung bekommen!

Sascha Oehme, PARTEI

Ist das nicht freie Marktwirtschaft? Mit den Auswüchsen dieses Turbo-Kapitalismus kennt sich die Spaßpartei FDP ganz gut aus. Meine Partei propagiert schon seit Jahren die Einführung eines amazonfreien Mittwochs. Mittwochs einfach nichts mehr bei Amazon bestellen. Das stößt bei den Leuten auf viel Symphatie. Ich weiß selbst, dass es aus Bequemlichkeit schwer ist, auf Amazon zu verzichten. Ich möchte die Leute dafür senibilisieren, dass sie wissen, was sie da tun.

Bernd Barutta, Freie Wähler

Ein Regelungsbedarf ist im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft nicht einfach umsetzbar. Gerade in der Pandemie steigerte sich der Umsatz der Online-Händler gewaltig, weil der Einzelhandel schließen musste. Ich sehe drei Möglichkeiten, dem Handel vor Ort zu helfen:

  1. Online Händler werden gezwungen, für die Rücksendung von Waren Geld zu verlangen. Dies verringert den Anreiz, Waren „auf Probe“ zu bestellen.
  2. Schaffung von lokalen oder regionalen Onlineplattformen für die Einzelhändler vor Ort, die von der öffentlichen Hand gefördert und unterstützt werden.
  3. Der Verzicht auf Parkgebühren oder das Angebot zu bestimmten Zeiten kostenfrei mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Geschäften zu gelangen.

Johanna Krischke, Klimaliste

Ja. Das Wichtigste ist, dass die Grundversorgung vor Ort bestehen bleibt, sowie Geschäfte, die Waren anbieten, die vor Ort an- oder ausprobiert werden müssen, um unnötige Rücksendungen zu vermeiden. Bei allen Konsumgütern, die nicht zur Grundversorgung zählen, müssen wir unseren Verbrauch aus Umwelt- und Klimaschutzgründen erheblich reduzieren. Um fairere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, sollten Steuerschlupflöcher für Großkonzerne geschlossen und eine verbindliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen geschaffen werden. Ein Vorschlag um Lieferfahrten zu reduzieren wäre, Bestellungen an zentrale Verteilzentren in den Städten zu liefern, wo diese von den Käufer*innen abgeholt werden können. Außerdem sollte das Konzept der Unverpacktläden so weit wie möglich ausgeweitet werden.

Jürgen Beck, Wir2020

Bei diesem bundesweiten Thema ist ganz klar dafür zu sorgen, dass da Steuern bezahlt werden müssen, wo die Wertschöpfung stattfindet, um der Preispolitik der großen Online-Händler einen Riegel vor zu schieben. Der Einzelhandel vor Ort wird in Zukunft eine Renaissance erfahren. Gerade durch den Lock-Down wurde uns allen doch direkt vor Augen geführt, wie wichtig uns der Laden um die Ecke ist. Nur leider waren sich dessen viele Menschen vor der Pandemie nicht mehr bewusst.
Sie Fragen nach Regeln. Ja. Für den Einzelhandel Regeln im Sinne von lenken durch attraktiv machen und Erleichterungen. Geringere Gewerbesteuern für mittlere und kleine Unternehmen, deutlich höhere Besteuerung für online-Handel, insbesondere von den großen internationalen Plattformen.

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