Landtagswahl-Fragebogen (3): Pflege/Gesundheit

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Von Sofie Wirth, Nadine Lahn und Martin Strohal | 09.02.2021 17:51 | Keine Kommentare

Im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl am 14. März 2021 wollen wir Sie über die Standpunkte der Kandidatinnen und Kandidaten zu verschiedenen Themen informieren. Wir haben dafür allen, die im Wahlkreis Bretten – zu dem Stutensee gehört – auf dem Wahlzettel stehen werden, einen Fragebogen geschickt. Es geht dabei um die Themenbereiche Wohnraum, Einzelhandel, Pflege- und Gesundheitssystem, Bildung und Klima.

Bis Redaktionsschluss haben wir von allen eine Antwort erhalten, bis auf Thorsten Gary, Kandidat der Basisdemokratischen Partei Deutschlands.

In diesem Teil geht es um das Thema “Pflege/Gesundheit”. Unsere Frage: “Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel in der Pflege und im Gesundheitssystem begegnen? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?”

Andrea Schwarz, Grüne

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in den nächsten Jahren steigen. Wir Grünen wollen die Pflege stärken. Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen wird heute in den eigenen vier Wänden betreut. Deshalb wollen wir Beratungs- und Hilfsangebote für pflegende Familienangehörige ausbauen. Viele Familien werden von ambulanten Pflegediensten unterstützt. Um insbesondere die Angebote im ländlichen Raum attraktiver zu machen, setzen wir uns für eine Erhöhung der Wegepauschale für ambulante Pflegedienste ein und streiten für eine gleiche Bezahlung der Dienstleistenden – egal ob sie im Krankenhaus oder im ambulanten Pflegedienst arbeiten. Wir wollen mit den Krankenkassen ein „Fair Care”-Gütesiegel für die häusliche Betreuung entwickeln, um faire Arbeitsbedingungen auszuzeichnen. So sichern wir auch Qualitätsstandards.

Nach der Wahl mache ich mich stark für den Ausbau von ambulanten Angeboten und Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeplätzen und werde das Angebot der ambulanten Palliativversorgung vorantreiben. Damit wollen wir pflegende Angehörige entlasten. Wir haben die Landesstrategie Quartier 2030 erarbeitet, um Stadtteile und Wohnviertel lebendiger, sozialer und generationengerechter zu machen. Um pflegende Angehörige zu unterstützen, wollen wir kommunale Pflegekonferenzen weiter ausbauen.

Uns Grünen ist bewusst: Gute Pflege kostet Geld. Für viele Pflegebedürftige und deren Angehörige ist das Armutsrisiko real. Oft sind die Kosten, die Betroffene als Eigenbeteiligung für Pflegeleistungen aufbringen müssen, nicht verlässlich vorhersehbar. Deshalb unterstützen wir auf Bundesebene einen sogenannten Sockel-Spitze-Tausch. Das heißt: Nicht die Kassenleistungen, sondern der Eigenanteil der Versicherten muss gedeckelt werden. Denn qualitativ hochwertige Pflege muss für jeden Menschen erreichbar und bezahlbar sein.

Ansgar Mayr, CDU

Der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen ist eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit des gesamten Systems. Um dem Fachkräftemangel bei Plegekräften dauerhaft entgegenzuwirken, muss die Attraktivität des Berufsbilds gesteigert werden. Schulgeldfreiheit in der Ausbildung von Gesundheitsberufen ist dabei nur ein Baustein. Den größten Hebel bei der Steigerung der Attraktivität ist die leistungsgerechte Bezahlung. Das ist nur fair! Hier sehe ich auch den größten Handlungsbedarf!

Andreas Laitenberger, AfD

Es beginnt mit der gesellschaftlichen Anerkennung dieser bewundernswerten und aufopferungsvollen Berufe, die in unserer immer älter werdenden Bevölkerung zunehmend wichtig werden. Die größten Anreize müssen eine bessere Bezahlung bieten. Hier müssen sich die Tarifpartner an einen Tisch setzen und höhere Löhne und Gehälter aushandeln. Begleitet von der Politik, die den Abbau des Gesundheitswesens stoppen und mit zusätzlichen Investitionen in Kliniken und Altenheimen attraktive Arbeitsplätze schaffen muss. Die Lippenbekenntnisse unserer Altparteien sind für mich beschämend.

Stephan Walter, SPD

Wir wollen bei Gesundheit und Pflege wieder den Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen. Beschäftigte der Kranken- und Altenpflege verdienen mehr Lohn und mehr Personal sowie bessere Arbeitsbedingungen. Qualität vor Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen. Gegen den Ärztemangel bauen wir Studienplätze aus und fördern die Einrichtung von Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren. Die Pflege muss bezahlbar bleiben. Hier hat sich das Land aus der Pflegeplanung verabschiedet. Wir steigen wieder ein in die Förderung des Baus von Pflegeheimen.

Christian Jung, FDP

Fast drei Jahre nach dem Start der Konzertierten Aktion Pflege fehlt weiterhin ein Gesamtkonzept zur wirksamen Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege auf Landes- und Bundesebene. Von den als Ziel ausgegebenen 13.000 neuen Stellen für Pflegefachkräfte konnten bis November 2021 bundesweit bislang nur etwas mehr als 3000 wirklich besetzt werden. Das ist viel zu wenig. Zudem ist die Offensive der Bundesregierung zur Aufwertung des Pflegeberufs zu zaghaft. Zur Entlastung der Pflegekräfte hätte es eines deutlichen Digitalisierungsschubs bedurft. Denn noch immer hinkt die Pflege bei der Digitalisierung hinterher: Es fehlt eine Anbindung an die Telematikinfrastruktur und eine nationale Strategie, wie sie auch das Bündnis für Digitalisierung in der Pflege fordert. Darüber hinaus lässt die Vermittlung digitaler Kompetenzen in Aus- und Weiterbildung zu wünschen übrig. Bei diesen Themen muss die Landesregierung zusammen mit der Bundesregierung mehr tun.

Heinz-Peter Schwertges, Linke

Wir kämpfen für eine gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen und für bessere Arbeitsbedingungen in Gesundheit und Pflege mit fairen Löhnen. Dafür wollen wir eine gesetzliche Personaluntergrenze einführen und mehr Gehalt für die Pflegekräfte. Die Finanzierung des Gesundheitssystems muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Es geht nicht um den größtmöglichen Profit, sondern um die bestmögliche Versorgung kranker Menschen. Kommunale Krankenhäuser müssen erhalten und privatisierte Kliniken rekommunalisiert werden.

Sascha Oehme, PARTEI

Warum Fragen sie MICH das? Ich könnte jetzt dies und das sagen. Unseriöse Wahlversprechen überlasse ich aber lieber unseren politischen Mitbewerbern. Die Forderung meines Partei-Kollegen im Bundestag – Marco Bülow – hingegen unterstütze ich vollauf: Marco Bülow: Krankenhäuser und Pflege brauchen Systemwechsel: Menschenwürde rein – Kommerz raus!” (sehen Sie hier seine Rede im Bundestag: https://www.youtube.com/watch?v=qUfpVLabUbE )

Bernd Barutta, Freie Wähler

Der Fachkräftemangel kann nur durch eine lukrative Ausbildung, eine angemessen Personalausstattung in den entsprechenden Einrichtungen und einen höheren Lohn behoben werden. Daneben muss sichergestellt werden, dass Firmen in diesem Segment seriös arbeiten und die Standards in Heimen und Krankenhäusern eingehalten werden. Der Ruf der Branche wirkt sich auf das Ansehen der dort Tätigen aus.

Thorsten Gary, Die Basis

Ich sehe den größten Handlungsbedarf in der Bezahlung der Pflegekräfte. Da ich selbst lange Jahre in der Pflege gearbeitet habe, weiß ich, dass das, was man verdient, zu viel ist um zu sterben und zu wenig um einigermaßen gut leben zu können. Wir benötigen auf jeden Fall eine Diskussion über den Wert, den wir als Gesellschaft dieser Arbeit beimessen.

Johanna Krischke, Klimaliste

Die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal sowohl in der Kranken- als auch in der Altenpflege müssen verbessert werden. Dazu sollten 24-Stunden-Schichten abgeschafft werden und die Bezahlung insbesondere von Menschen in der ambulanten Pflege und im Bereitschaftsdienst erhöht werden. Krisen führen uns vor Augen, auf welche Berufe unsere Gesellschaft am wenigsten verzichten kann. Diesen sollte eine angemessene Wertschätzung zuteilwerden.

Jürgen Beck, Wir2020

Das Gesundheitssystem muss dringend entprivatisiert werden. Niemals hätte zugelassen werden dürfen, dass Gesundheit zum Wirtschaftsgut gemacht wird. Wir brauchen wieder eine Medizin, die den Patienten als Mensch im Ganzen und als beseeltes Wesen sieht. Nicht als Maschine, in die man Ersatzteile einbaut. Wir müssen wieder anfangen, Menschen zu heilen und nicht weiter nur Symptome zu unterdrücken.

Diese Ausführung ist nicht, wie man meinen könnte, an der Frage vorbei. Nein. Genau dies erwartet Pflegepersonal als ersten Schritt, damit der Beruf wieder attraktiv wird. Im Gegensatz zu manch hochspezialisiertem technikverliebtem Arzt, zählt für die Pflege schon immer der Mensch. Der Pflege muss es möglich sein, mit den Patienten reden zu können und Zeit für sie zu haben. Wir brauchen Personalschlüssel, die auch verbindlich eingehalten werden müssen und die weit über dem stehen, was heute gang und gäbe ist.  Dienste über Nacht oder am Wochenende und an Feiertagen sind wertvoll. Der Patient auf Station kann genau so wenig auf eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung verzichten, wie der Notfall im OP Saal. Von dieser Wertigkeit kommt bei der Pflege nichts an. Dienstzeiten müssen angemessen sein. Die zur Zeit gelebten Modelle gleichen eher einer Sklavenarbeit und bringen das Pflegepersonal an und über seine Grenzen. Meist ist es einer Pflegekraft ab Mitte 50 aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr möglich, Dienste zu leisten, da die Einsatz- und Erholungszeiten in einem eklatanten Missverhältnis stehen. Diese Aussagen kommen aus erster Hand, da meine Frau seit weit über 30 Jahren in der Pflege im Krankenhaus arbeitet.

Zum Schluss das Geld. Hier geht es nicht um einmalig 10 Prozent mehr und dann wieder lange Jahre an der langen Hand verhungern lassen. Es geht darum, eine angemessene Bezahlung, die Einsatz und Dienstzeiten wertschätzend berücksichtig, zu erreichen und den Beruf wieder vergleichbar macht. Dazu müsste man zu den derzeit gezahlten Löhnen mind. 50% aufschlagen.

Update 11.02.2021: Antwort von Thorsten Gary hinzugefügt.

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