Ende 2019 hatte der Stutenseer Gemeinderat beschlossen, dem “European Energy Award” beizutreten. Inzwischen wurde der Ist-Stand in verschiedenen Kategorien analysiert und in der Juli-Sitzung dem Gemeinderat präsentiert. Bis zum Ende des Jahres sollen Maßnahmen konkretisiert und im nächsten Jahr umgesetzt werden. Mit einer ersten Zertifizierung wird bis Herbst 2022 gerechnet.
Birgit Schwegle von der Umwelt- und Klimaagentur des Landkreises begleitet Stutensee bei der Erreichung der Klimaziele. Stutensee liege aktuell bei 51 Prozent, ohne dass bisher extra Maßnahmen durchgeführt worden seien. Besonders gut sei Stutensee im Bereich “Entwicklungsplanung und Raumordnung”. Hier erreiche die Stadt 63,8 Prozent. Keine andere Kommune im Landkreis sei in der Ist-Analyse über 60 Prozent gekommen. Auch im Bereich “Mobilität” steht Stutensee mit 60,9 Prozent aufgrund von gutem Personennahverkehr, Tempo 30 innerorts sowie Car-Sharing-Möglichkeiten gut da. Weniger gut sehe es beim Thema “Versorgung/Entsorgung” mit nur 27,1 Prozent aus. Hier hätten es Städte ohne eigene Stadtwerke schwieriger, räumte Schwegle ein. Positiv hob sie die lineare Preisgestaltung bei der Wasserversorgung hervor. Auch die Bereiche “Kommunale Gebäude und Anlagen” und “Interne Organisation” liegen unter 50 Prozent. Knapp darüber “Kommunikation und Kooperationen”.
Alle Fraktionen sehen Handlungsbedarf
Der Maßnahmenkatalog soll im Herbst konkretisiert werden. Ziel sei die Erreichung von 60 Prozent im Vergleich zu den jetzigen 51. Ab 75 Prozent wird der European Energy Award in Gold verliehen. “Wir haben dringend Handlungsbedarf”, stellte Thomas Hornung (CDU) fest und weiter: “Der Klimawandel ist eine Katastrophe.” Die CDU/FDP-Fraktion beantrage, Photovoltaik-Anlagen für alle städtischen Gebäude zu untersuchen.
Volker Stelzer (Grüne) sah den Gemeinderat nicht ausreichend eingebunden. “Photovoltaik müsse immer auf Gebäude”, sagte er. Beim Neubau des Stutenseebads sei das noch von der CDU abgelehnt worden. Das wies Hornung jedoch zurück. Damals sei es um Dachbegrünung gegangen. Dafür sei die Planung schon zu weit gewesen. Photovoltaik sei aus seiner Sicht immer noch möglich. Wenn die Stadt das selbst betreibe, sei die Anlage in sechs bis acht Jahren abbezahlt.
Sven Schiebel (Freie Wähler) forderte ein planvolles Vorgehen. Der zentrale Punkt sei derzeit der Stadtentwicklungsplan 2035. Dieser müsse mit dem Energy Award Hand in Hand gehen. Tobias Walter (Junge Liste) freute sich über den guten Ist-Stand, fragte sich jedoch, wie sich die Stadt angesichts der schlechten Haushaltslage weitere Maßnahmen leisten wolle.
Ludwig Streib (Grüne) regte daraufhin eine Bürgerbeteiligungsgesellschaft an. Die Bevölkerung solle selbst Geld in solche Anlagen investieren können. Das sei aus rechtlichen Gründen derzeit nicht möglich, entgegnete Birgit Schwegle. Die EU plane sogar, Deutschland deswegen zu verklagen. Problem sei derzeit zudem, dass man keine Handwerker für Photovoltaik-Anlagen finden würde. Es gebe mindestens ein Jahr Wartezeit.
An der Richard-Hecht-Schule und der Sporthalle 1 in Blankenloch gebe es bereits Photovoltaik-Anlagen, sagte Bürgermeister Edgar Geißler. Vielfach sei das jedoch ein Statik-Problem oder ein Problem bei der Leitungszuführung. “Wir sollten die drei geeignetsten Dächer von städtischen Gebäuden nehmen”, schlug Oberbürgermeisterin Petra Becker vor. Man müsse dringend mit der Sanierung der Gebäude beginnen und beispielgebend vorangehen.
Da es sich bei diesem Tagesordnungspunkt in der Gemeinderatssitzung nur um eine Information handelte, wurden keine Beschlüsse gefasst.
forum Kommentare
Eine Bürgerbeteiligung(sgesellschaft) würde die klammen Kassen unserer Kommune mit Sicherheit entlasten. Ausserdem bietet sie eine Möglichkeit für unsere Bürger eine alternative, nachhaltige und ökologische Anlageform anzubieten.
Wenn die EU hier tatsächlich eine Klage gegen Deutschland plant, stellt sich die Frage, wie ernst meint es die EU mit den Klimazielen.
Hier ist Kreativität gefordert und zwar schnell. Entweder wir wollen unseren Teil zu den Klimazielen beitragen oder es ist alles nur heiße Luft.
Die Argumente Statik und Leitungsführung sind auch sehr fragil. Wenn die Installation auf der Sporthalle 1, die nahezu 50 Jahre alt ist, möglich war, dann sollten neuere Gebäude erst recht dafür ausgelegt sein. Oder hat man da bei der Ausschreibung an der falschen Stelle gespart?
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert von der Bundesregierung Geld für ein 100 000 Dächer Solarprogramm. Viele Kommunen würden wohl gerne ihre Dächer mit Photovoltaik ausrüsten, aber dafür fehlt schlicht das Geld. So auch in Stutensee. Bleibt abzuwarten ob die neue Bundesregierung die “Kohle” bereitstellt, damit die klammen Kommunen ihre Sporthallen, Schule, Schwimmbäder, Bauhöfe und Rathäuser mit Solardächern ausrüsten können.