Evangelische Gemeinden vor Umbruch

Evang. Kirche Staffort

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 29.11.2022 19:40 | 1 Kommentar

Die Zahl der Kirchenmitglieder nimmt ab, das Geld wird weniger, die Evangelische Landeskirche in Baden steht vor einem Umbruch. Im Rahmen des Strategieprozesses “ekiba 2032” sucht sie nach Lösungen, wie Kirche in der Zukunft aussehen kann. Wie viele Pfarrerinnen und Pfarrer, wieviele Gebäude kann man sich leisten, wo sind Kooperationen oder Zusammenlegungen mit Nachbargemeinden sinnvoll? Auch in den evangelischen Kirchengemeinden in Stutensee und Weingarten wird seit einigen Monaten darüber diskutiert. Entscheidungen stehen im Lauf des nächsten Jahres an.

Jeder Stutenseer Stadtteil hat seine eigene evangelische Kirchengemeinde mit eigenem Pfarrer, Kirche, Pfarrhaus und Gemeindehaus. Häufig ist die jeweilige Gemeinde auch noch Träger eines örtlichen Kindergartens.

Logo des Strategieprozesses

Gleichzeitig sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder kontinuierlich. In Friedrichstal ist sie beispielsweise in zehn Jahren um 150 gesunken (Stand Ende 2021: 2069 Mitglieder). Zum einen gebe es im Durchschnitt mehr Sterbefälle als Taufen, zum anderen würden mehr Gemeindeglieder aus dem Ort wegziehen als neue dazukommen. Austritte lägen pro Jahr zwischen 2 und 22 Personen, so Pfarrer Lothar Eisele, der die Sprecherrolle für die Region, den “Kooperationsraum”, Stutensee-Weingarten übernommen hat. Die Mitgliederzahl sei in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent zurückgegangen, je zur Hälfte bedingt durch die demografische Entwicklung und durch Austritte, bestätigt der Stafforter Pfarrer Holger Müller. Den Grund sieht er in einer immer stärkeren Individualisierung und Vereinzelung. Die Gesellschaft zerfalle in immer kleinere Interessensgruppen und Lobbys.

Da sich die gesamte Landeskirche in einer ähnlichen Situation befindet, müsse gespart werden und sich die Kirche neu aufstellen. Die Ausgaben sollen um 30 Prozent reduziert werden. Dafür wird im Bereich Stutensee-Weingarten die Zahl der Pfarrstellen bis zum Jahr 2032 von 5,5 auf 4,0 reduziert. Selbst wenn genügend Geld da wäre, gebe es zu wenig Nachwuchs, sobald die Vertreter der “Baby-Boomer-Generation” in den Ruhestand treten, ergänzte Ellen Hornung, die den Prozess für die Friedrichstaler Kirchengemeinde begleitet.

Die evangelische Kirche wolle sich nicht aus den Stadtteilen zurückziehen. “Es ist unser fester Wille, dass jeder Ort weiter versorgt ist”, versichert Eisele für die Stutenseer Pfarrer. Aber an engerer Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden führe kein Weg vorbei. Eisele nannte als mögliche Beispiele eine zentrale Verwaltung der kirchlichen Kindergärten, Zusammenarbeit im Jugendbereich, gemeinsame Freizeiten der Konfirmanden.

Wie die rechtliche Form der Zusammenarbeit aussehen soll, sei noch nicht entschieden. Möglich sei eine lose Vernetzung über die Einrichtung eines gemeinsamen Verbandes, bei dem die Ortsgemeinden weiter rechtlich eigenständig blieben, bis hin zu einer Fusion, bei der dann auch die Vermögen zusammengelegt würden.

Gespart werden müsse auch bei den Gebäuden. Derzeit gebe es Zuschüsse der Landeskirche zu Sanierungsmaßnahmen. Diese würden künftig nicht mehr allen Gebäuden zugute kommen können. Das heiße jedoch nicht automatisch, dass Gemeindehäuser verkauft werden müssten. Möglicherweise ließen sich andere Finanzierungsmöglichkeiten finden, so wie jetzt bereits einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spendenbasiert arbeiten und das auch weiterhin tun.

In Stutensee sei man in einem guten Austausch, so Pfarrer Eisele. Es gebe eine lange Tradition der Zusammenarbeit. Besonders intensiv und gut sei diese im Rahmen des Zeltfestivals vor einigen Jahren gewesen.

In einem halben Jahr solle mehr Klarheit darüber herrschen, wie es im Bezirk Stutensee-Weingarten weitergehe. Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden erarbeiten bis dahin einen Vorschlag, über den der Bezirkskirchenrat und am Ende die Landessynode zu entscheiden habe.

forum Kommentare

maction

Hmmm, die Zahlen geben mir zu denken. Wenn ich richtig rechne, sind die Mitgliederzahlen in F’tal über zehn Jahre um knapp 7 Prozent gesunken (2219 -> 2069). Na dann liegt F’tal im Vergleich mit den durchschnittlich 10 Prozent noch gut im Rennen. Weshalb allerdings nun die Kosten gleich um 30 Prozent (fast ein Drittel!) gesenkt werden sollen und weshalb in diesem Zusammenhang offensichtlich auch an vorderster Front an den Verkauf von Gemeindehäusern gedacht wird, kann ich nicht nachvollziehen. Bietet die Verwaltung und die internen Kostenstrukturen denn gar keine Einsparpotentiale? Machen sich die Kirchen mit dem Rückzug aus den Gemeinden und insbesondere aus den sozialen Einrichtungen nicht selbst obsolet?