Erzieherinnen fallen krankheits- oder urlaubsbedingt aus, offene Stellen bleiben unbesetzt. Nun sind an mehreren städtischen Einrichtungen neu entwickelte Notfallpläne in Kraft getreten. Kinder können nicht mehr an allen Tagen ihren Kindergarten besuchen oder nur noch zu verkürzten Öffnungszeiten. Insbesondere für berufstätige Eltern, die auf das Betreuungsangebot angewiesen sind, ist das eine Herausforderung. Die Stadtverwaltung bedauert die Situation und verweist auf die in die Wege geleiteten Maßnahmen. Als wichtige Ursache für die Situation sieht sie den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, der vom Gesetzgeber nicht genügend gegenfinanziert sei.
Notkonzepte und kurzfristige Schließungen
Dass Kindergartenplätze in Stutensee knapp sind, war bekannt. Doch mittlerweile haben auch diejenigen Familien ein Problem, welche eigentlich einen Platz für ihr Kind haben. Denn die Betreuung ist in letzter Zeit alles andere als gesichert, wie uns Eltern aus den städtischen Kindergärten Zauberwald (Blankenloch), Märchenwald (Büchig) und Sonnenschein (Friedrichstal) mitteilen. So sei es schon mehrfach vorgekommen, dass sie kurzfristig informiert wurden, ihr Kind könne den Kindergarten am nächsten Tag nicht besuchen.
Kornel Stiegeler, Referent der Oberbürgermeisterin, bestätigt das auf Anfrage von meinstutensee. In den genannten Einrichtungen sei derzeit ein Ausfallkonzept eingesetzt. Das sei jedoch das letzte Mittel, um insbesondere vollständige Schließungen von Einrichtungen abzuwenden. “Sofern andere organisatorische Maßnahmen in Betracht kommen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, werden diese eingesetzt”, so Stiegeler. Wenn Krankmeldungen von Erzieherinnen erst am Morgen eintreffen, könne nicht anders als sehr kurzfristig kommuniziert werden.
Dass Erzieherinnen krank sind, hat es schon immer gegeben. Doch nie waren die Folgen aufgrund der Personalknappheit so groß, dass die Kinderbetreuung nicht mehr sichergestellt ist. Darunter leide die Stimmung im Team, wie Eltern erzählen. Von der Stadtverwaltung komme kaum Rückendeckung. Die Erzieherinnen würden den Frust der Eltern als erste Ansprechpartner direkt abbekommen, gleichzeitig fallen Überstunden an, die nicht abgebaut werden könnten. Dadurch schwinde auch die Bereitschaft, mehr zu tun als nötig.
Die neu ausgearbeiteten Notfallkonzepte seien notgedrungen von den Einrichtungsleitungen in Kraft gesetzt worden, noch bevor die Stadtverwaltung offiziell darüber informierte, monieren Eltern. Zu Kostenerstattungen habe es vorerst keine Informationen gegeben. An Sitzungen mit dem Elternbeirat wollte kein Vertreter der Verwaltung teilnehmen.
Wie neue Erzieherinnen finden?
“Die Stadt hat den Ernst der Lage nicht erkannt”, meint eine Mutter. Offene Stellen würden ausgeschrieben wie jede andere Stelle in der Verwaltung auch. “Da fehlt die Kreativität!” Außerdem seien keine Bewerbungen für eine bestimmte Einrichtung möglich. Rückmeldungen des Personalamts auf Bewerbungen würden zudem sehr lange auf sich warten lassen. Und wenn man schon keine Erzieherinnen bekäme, könnten doch Sekretärinnen beim Organisatorischen für Entlastung sorgen, so die Idee der Eltern.
“Die Verwaltung nimmt das Feedback der Erziehungsberechtigten sehr ernst”, so Stiegeler. “Die erheblichen Schwierigkeiten, die mit der Situation verbunden sind, gehen zulasten aller Betroffener. Die Stadt Stutensee bedauert den unbefriedigenden Zustand sehr und ergreift die dargestellten Maßnahmen, um Verbesserungen zu erreichen.” Er betont, dass die Stadtverwaltung über mehrere Wege nach Personal suche. So werde etwa die Zusammenarbeit mit darauf spezialisierten Personalvermittlungen erprobt. Zudem werde den Mitarbeitenden die Möglichkeit geboten, Teilzeitbeschäftigungen aufzustocken. Zu Beginn dieser Woche sei die Einstellung einer 50%-Kraft mit besonderem Fokus auf der Gewinnung von Fachpersonal im Bereich der Sozial- und Erziehungstarife beschlossen worden. Zentrale Steuerungsaufgaben in den Einrichtungen seien jedoch nicht kurzfristig auf neue, externe Kräfte übertragbar.
Generell setze die Stadtverwaltung auch auf die Ausbildung pädagogischer Fachkräfte, so Stiegeler. “Zudem wird zukünftig wieder der Einsatz von Anerkennungspraktikantinnen und -praktikanten angestrebt.”
Familien betreuen wechselweise
“Ich bin gezwungen, mein Kind hin- und herzuschieben, damit es betreut werden kann”, so eine Mutter, die im Schichtbetrieb als Kinderkrankenschwester arbeitet. Arbeitsausfall werde ihr nicht bezahlt. Der Vater arbeite als Monteur auf Baustellen und könne das Kind auch nicht einfach um 14 Uhr aus dem Kindergarten abholen.
Auch eine Mutter, die selbst als Lehrerin arbeitet und ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte, ist auf eine Ganztagesbetreuung ihres Sohnes angewiesen. “Zuerst pandemiebedingt, jetzt durch den massiven Personalmangel, hat er nie die Kontinuität und Verlässlichkeit erlebt wie seine älteren Geschwister.” Das Kind wolle gar nicht mehr im Kindergarten bleiben, wenn es morgens spontan in eine andere Gruppe muss. Für Familien ohne Oma und Opa vor Ort sei die Situation nicht zu meistern. Inzwischen finde in Büchig auch “Kindertausch” statt, bei dem Familien wechselweise mehrere Kinder betreuen.
Schwer hätten es insbesondere Kinder in der Eingewöhnungsphase, wenn es keine feste Bezugsperson gibt und keine regelmäßige Öffnung garantiert ist, aber auch die Vorschulkinder, bei denen die üblichen Aktionen entfallen. “Das pädagogische Angebot ist natürlich reduziert, wenn das Personal fehlt”, erklärt die Mutter.
OB-Referent Stiegeler bedauert diese Situation. Die Betreuungskräfte bemühten sich, einiges aufzufangen. Dennoch ließen sich in der aktuellen Situation Auswirkungen auf den laufenden Betrieb nicht vermeiden.
Familienfreundliche Kommune?
“Anfang des Jahres wurden die Kitagebühren erhöht. Das ist, angesichts der momentanen Lage und angesichts des Labels ‘familienfreundliche Stadt’, mit dem Stutensee für sich wirbt, nur noch als schlechter Witz zu betrachten”, meint die Mutter aus einem Büchiger Kindergarten.
Schon längere Zeit gibt es Probleme im Blankenlocher “Zauberwald”. Eingerichtet worden war der Kindergarten ursprünglich mit vier Gruppen. Nach der Kündigung mehrerer Erzieherinnen wurde auf drei Gruppen reduziert, anschließend fiel die Ganztagesbetreuung weg. Im Notbetrieb sei nun das Notfallkonzept in Kraft und nur noch bis 13:30 Uhr geöffnet. Auch hier wird bei den Eltern die Verwendung des Prädikats “Familienfreundliche Kommune Plus” sehr kritisch gesehen, wie ein Vater auf Facebook deutlich macht. In der Vergangenheit sei viel falsch gemacht worden, und die aktuell Verantwortlichen hätten es noch nicht geschafft, etwas daran zu ändern, so seine Sicht.
Zuzug und Fachkräftemangel
Um Planung und Kommunikation zu verbessern, setzt die Verwaltung auch auf Digitalisierung. “Für das nächste Kindergartenjahr ist die Erweiterung der digitalen Kita-Verwaltung sowie die Einführung einer Kita-App geplant”, so Stiegeler. “Hierdurch ist eine noch schnellere Kommunikation zwischen Einrichtung, Verwaltung und Erziehungsberechtigten möglich. Die Vorarbeiten hierfür haben bereits begonnen.”
Grundsätzlich sieht die Stadtverwaltung ein Problem mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, ohne dass der Gesetzgeber die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitstelle. Als “Verunmöglichung der Aufgabenerfüllung” werde das vom Gemeindetag bezeichnet. Dazu komme maßgeblicher Zuzug nach Stutensee, die verstärkte Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten sowie hohe Geburtenzahlen.
Dem gegenüber stehe ein Fachkräftemangel, der sich bundesweit und auch in Stutensee auswirke, so OB-Referent Stiegeler. Allein für Baden-Württemberg würden in den kommenden Jahren 40.000 Fachkräfte fehlen. Dazu kämen Punkte wie Krankheitsausfälle, Kur-Aufenthalte, Elternzeiten, gesetzliche Beschäftigungsverbote und auf die Zeit nach der Pandemie verschobene OPs.
“So gelingt es auch mit großen Anstrengungen nicht, kurzfristig einsetzbare Kräfte zu gewinnen”, fasst Stiegeler zusammen. Das sei jedoch nicht nur in Stutensee so, sondern landes- und bundesweit. Er verweist auf die Stadt Karlsruhe, bei der alle 206 Kitas betroffen seien.
Eltern haben inzwischen eine Online-Petition gestartet, die sich an die Oberbürgermeisterin richtet und auf die schwierige Situation der Eltern aufmerksam machen soll. Diese hat aktuell 93 Unterstützer:innen.
forum Kommentare
Als erste Maßnahme sollte man bis zur bis zur abschließenden Lösung aller Probleme wie, Planung und Kommunikation einer digitalen KITA-Verwaltung mit SOS-AbsageAPP, der Umsetzung finanzieller stattlicher Unterstützung zur Aufrechterhaltung eines verbindlichen Rechtsanspruchs, der Klarstellung des noch beabsichtigten Zuzugs mit Unterbringungsmöglichkeiten und des schon jahrelang bekannten großen Fachkräftemangels, diesen vollmundigen und verführenden Verschönerungsbegriffe wie „Zauberwald, Märchenwald, Sonnenschein“ Tatsachen wie „Schneegestöber, Untergangsstimmung oder Sauwetter“ entgegensetzen. Obwohl man die Zeiten nicht vergleichen sollte, was früher alles besser oder doch schlechter war, bin ich im Michaeliskindergarten Blankenloch, der heißt noch heute so, „vorerzogen“ worden, den Rest machten meine Eltern und die Opas und Omas. Um 11 Uhr, erklang für alle hörbar das Glockengeläut der am Ende vom „Kerchgässle“ unübersehbaren Michaeliskirche. Da standen die Mütter mit den Fahrrädern schon lange vor dem Kindergarten und holten ihre Schützlinge ab. Das wars mit Kindergarten für den Tag, und dann gings ab in den Garten, oder mit Opa in den Wald, Maiglöckchen und Schlüsselblumen klauen, oder an den Baggersee zum illegalen Bad. Opa übernahm die Garantie, dass nichts passiert. Schwimmen lernen ohne Hallenbad? Wasser oben warm – unten kälter. Eine Bauanordnung „Spielplätze“ gab es noch nicht. Und das alles ANALOG-das ganze Jahr. Man traf sich mit Schwester Emma einmal zum Wassertrinken an der neu erbauten Brunnenanlage mit fünf Trinkstellen, musste warten bis bei den Vorderkindern der Durst gestillt war, man freute sich auf alles was passierte, ungeplant passierte in der 40-er Gruppe. Soweit ich weiß gab es das heutige Problem- Erziehung-Schulabschluss-Protzerei- so gewaltig nicht. Alle 85 Schüler meines Jahrgangs machten einen Schulabschluss in riesigen Klassen, schlossen eine Lehre ab oder auch schon viele etwas mehr darüber hinaus. Ich stelle mir immer die Frage der Fragen, was haben die alles anders gemacht??? Früher. Ich komme nicht auf die Antwort- aber es muss auch irgendwie viel mit den beteiligten Menschen, mit Bequemlichkeit, mit Intoleranz und anderen Erwartungen zu tun zu haben. Ich erinnere mich noch an damalige Klassenlehrer, die wenn sie bemerkt haben, dass es in Mathematik in der Klasse Nachholbedarf gibt, dann mal ab und zu eine Biostunde oder was Unterschwelliges geopfert haben. Wahrscheinlich haben wir deshalb in der Klasse keinen promovierten Biologen erzogen. Aber in dem Bereich besteht derzeit ja auch kein Fachkräftebedarf. Vielleicht kann sich der Generationenrat mal mit der KITA-Problematik befassen, die haben ja etwas Luft, was die kommunale Mitbestimmung betrifft, wie man liest. Fazit: Alles geht so langsam den Bach runter, jeder weiß es- aber wenig beschäftigt das – Wenn es dann soweit ist, dann sind wir dabei. Zu spät. Und erklärt nicht immer alles mit Pandemie – Krieg – Klima – Fachkräftemangel und Flüchtlingsproblemen. Auch früher gab es genug Stunk. Und das wurde auch irgendwie geregelt. Ob es jedem einzelnen gepasst hat oder nicht. Man muss dann halt auch mal über seinen eigenen Schatten springen – dann fangt halt auch einmal damit an. Wie schön das immer klingen mag mit dem PONYHOF. Aber das stimmt eben. Ich kenne keinen Politiker*In die den Satz – ” unsere Kinder sind unsere Zukunft” nicht unterschreiben würde. Also dann fangt auch endlich einmal damit an. Bei vielen Dingen spielt der Preis und das Geld keine Rolle, das sollte speziell auch bei diesen Zukunftsplanungen dann so sein.