Wald: Gemeinderat verzichtet auf Förderung

Lachwald

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 29.10.2023 11:02 | 4 Kommentare

Der Gemeinderat hat gegen die Stimmen der Grünen darauf verzichtet, an dem Bundesförderprogramm “Klimaangepasstes Waldmanagement” teilzunehmen. Die Stadtverwaltung sieht bei einer Teilnahme weder ökologische noch finanzielle Vorteile. Zunächst solle ein Waldleitbild beschlossen werden.

Die Bürgerinitiative “Lachwald erhalten”, die sich inzwischen allgemein dem Waldschutz widmet, hatte die Stadtverwaltung Anfang des Jahres auf das neue Förderprogramm hingewiesen. Sie sah darin eine Möglichkeit, den finanziellen Verlust zu reduzieren, zumal die erforderlichen Kriterien vom Stutenseer Gemeindewald fast alle bereits erfüllt würden.

In der Oktober-Sitzung des Gemeinderats wies die Stadtverwaltung darauf hin, dass die Förderung nach aktuellem Kenntnisstand nur für die ersten drei Jahre gesichert wäre. Maximal sei mit 180.000 Euro in zwanzig Jahren zu rechnen. Der Aufwand für eine jährliche Zertifizierung würde hingegen mit 800 Euro (16.000 Euro in zwanzig Jahren) zu Buche schlagen. Dazu kämen unbekannte Kosten für die Erfüllung zweier Kriterien.

Bei dem einen Kriterium handelt es sich um den Verzicht auf Waldentwässerung. Das sei zwar auch grundsätzlich das Ziel der Verwaltung. Es sei aber derzeit unbekannt, ob und wo sich im Wald Entwässerungsgräben befinden, die zurückgebaut werden müssten. Ein Rückbau könne zudem Wechsel- und Folgewirkungen nach sich ziehen. Deshalb sei hierfür ein Gutachten erforderlich. Die Kosten hierfür und für den Rückbau seien nicht kalkulierbar.

Das andere Kriterium, das bislang nicht erfüllt ist, ist die Ausweisung und Verzeichnung von 1.190 sogenannten Habitatbäumen. Damit sind lebende oder tote Bäume gemeint, die Lebensraum für Tiere sind. Sie dienen beispielsweise als Niststellen. Um diese Anforderung zu erfüllen sei zusätzliches Personal erforderlich, so die Stadtverwaltung. Die Kosten hierfür seien nicht bezifferbar.

Dazu käme, dass die Stadt künftig keine spezifischeren Förderprogramme in Anspruch nehmen könnte. Außerdem sieht sich die Stadt bei der Entwicklung eines Waldleitbilds eingeschränkt, wenn dieses auf die Förderrichtlinien Rücksicht nehmen müsste.

Thomas Hornung (CDU) stellte die Begründung der Verwaltung in Frage: “Wir müssen die beiden Punkte unabhängig von der Förderung sowieso angehen.” Mit der Forstverwaltung sei er überhaupt nicht zufrieden. Diese stelle die Hiebreife über den Zweck des Baums in der Natur. Ein Habitatbaum sei wichtiger als die Holzernte. Außerdem könne es nicht sein, dass der Wald entwässert wird in Zeiten von zunehmender Trockenheit. “Wir dürfen nicht auf eine passgenaue Förderung warten, sonst ist es zu spät!” Er dankte der Bürgerinitiative, die den Gemeinderat dränge, mehr auf den Wald zu schauen. Allerdings wünsche er sich ein besseres Miteinander, ein Diskutieren, kein Kämpfen.

“Ich bin schockiert, dass man nicht weiß, wie die Entwässerungssysteme funktionieren”, sagte Manfred Beimel (Freie Wähler). Das könne zu großen Problemen führen. Dem Fazit der Verwaltung stimme er aber zu.

Anders Susanne Suhr (Grüne): “Seit einem halben Jahr argumentiert sich die Forstverwaltung einen Wolf, damit wir dagegen stimmen.” Man sei verpflichtet, Wasser im Wald zu speichern und Entwässerungsgräben zu entfernen. Wenn das sowieso getan werden müsse, könne man das jetzt tun, wo man zumindest teilweise eine Förderung dafür erhalte. Es sei grob fahrlässig, zu warten. Was die Kennzeichnung von Habitatbäumen angehe, hätten andere Städte gute Erfahrung mit Studierenden gemacht. Das koste nicht viel Geld. Vom Land gebe es zusätzlich eine ergänzende Förderung. Insgesamt sahen die Grünen “keinen vernünftigen Grund”, die Förderung nicht zu beantragen.

Dass das Entwässerungssystem im Wald untersucht werden müsse, sah auch Erste Bürgermeisterin Tamara Schönhaar so. Aktuell laufe die Planung der Gewässerpflege. Sie verwies auf personelle und finanzielle Engpässe. Die Verwaltung könne nicht alles gleichzeitig erledigen. Das sei eine Frage der Priorisierung.

Bei sechs Gegenstimmen der Grünen wurde die Beantragung der Förderung vom Gemeinderat abgelehnt.

Jochen Heger, Sprecher der Bürgerinitiative, bat anschließend das Regierungspräsidium als Rechtsaufsicht um die Prüfung des Beschlusses. Aus seiner Sicht basierte dieser auf einer Vorlage, in der sich falsche Informationen und Missverständnisse befänden. So seien die bewirtschaftete Stadtwaldfläche falsch angegeben und langjährige Defizite verschwiegen worden.

Die Stadtverwaltung will die Erstellung des Waldleitbilds abwarten und anschließend eine Teilnahme an dem Förderprogramm erneut prüfen.

forum Kommentare

Andreas Haßmann

Es wurde eine falsche Foerderungsgroesse zugrunde gelegt. Diegroesse des Stadt
Waldes war nicht korrekt. Auffallend war, das trotz positiver Äußerungen von Stadtraeten diese letztendlich dagegen stimmten. Anstatt seine Meinung zu vertreten durch Fraktionszwang umgefallen.

FH...

…zugegeben, war ja auch ziemlich tricky. Alle Gemeinderät*innen, die zum Thema sprachen, waren von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der diskutierten Maßnahmen – Ausweisung Habitatbäume und Rückbau etwaiger Entwässerungen – überzeugt. Gemäß Beschlussvorlage musste man allerdings mit „nein“ stimmen, wenn man für den Wald und die Förderung war. Offensichtlich haben dies leider nur sechs der Rät*innen verstanden…

FH...

… nebenbei: In der laufenden Wahlperiode des Gemeinderats haben alle Fraktionen (inklusive JL) immer wieder betont, wie wichtig ihnen Natur, Klima und Umwelt wären. An der aktuellen Entscheidung zum städtischen Wald sieht man, was davon zu halten ist. Deshalb bleibt das Fazit: Wer GRÜN will, muss GRÜN wählen…

Lachwald-erhalten

Der Stadtwald von Stutensee schreibt ein bedauerliches Kapitel in Sachen nachhaltige Bewirtschaftung. Er ist nämlich nachhaltig abgewirtschaftet. Jahr für Jahr steigen die Defizite aufgrund einer unzureichenden Forstpraxis, mit zwangsläufiger Kulturenpflege und überzogenen Verkehrssicherungsmaßnahmen.

Leider hat die städtische Beurteilung von Vor- und Nachteilen auf fragwürdige Daten und Fakten zurückgegriffen oder diese ganz ignoriert. Das von der Stadtverwaltung nicht berücksichtigte Schlüsselproblem ist das steigende Defizit, das allein im letzten Jahr auf stolze 75.000 Euro angewachsen ist und letztlich von den Bürgern getragen werden muss. Es wird höchste Zeit, diese Verschwendung öffentlicher Mittel zu hinterfragen.

Um die Attraktivität des Förderprogramms zu minimieren, wurden von den Entscheidungsträgern Risikofaktoren hervorgehoben und die tatsächlichen Größenverhältnisse des Stadtwalds irreführend dargestellt. Insgesamt steht die Ablehnung dieses Programms für einen möglichen Verlust von bis zu 2 Millionen Euro während der 20-jährigen Dauer des Förderprogramms. Weitere Informationen zu diesem Sachverhalt finden sich auf unserer Homepage: https://lachwald-erhalten.de/Aktuelles/

Nicht die Entwässerungsgräben oder Habitatbäume dürften das Hauptproblem der Stadt sein, sondern die grundsätzliche Einhaltung aller geforderten Kriterien. Bei Nichterfüllung dieser Auflagen ist eine Rückzahlung der Fördermittel fällig. Eines der entscheidenden Kriterien ist der Verzicht auf Kahlschläge. Trotz wiederholter öffentlicher Versprechen, Kahlschläge zu unterlassen, wurden im Frühjahr 2023 an drei verschiedenen Standorten Waldflächen gerodet, um Platz für kostspielige Baumschulanpflanzungen zu schaffen. Nachfolgend ein Videolink zu den Kahlschlägen 2023, der die Dimension dieses Problems aufzeigt: https://youtu.be/0uWKXDxlrG0

Die Stadt hat die Chance verstreichen lassen, zum Schutz der Ökologie aus der Waldbewirtschaftung auszusteigen und dafür finanzielle Vorteile zu genießen.
WALDSCHUTZ – KLIMASCHUTZ – ARTENSCHUTZ in STUTENSEE = FEHLANZEIGE

Während manche vielleicht glauben, die Bürgerschaft könne man leicht täuschen, sollten wir nicht vergessen, dass die Geldgeber des Förderprogramms nicht so leicht zu überlisten sind…