Spöcker Bad: So lief die Diskussion

Demonstration zum Erhalt des Spöcker Bades

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 12.12.2023 19:51 | Keine Kommentare

Über zwei Stunden hat sich der Gemeinderat am Montagabend in der Festhalle Zeit genommen, um über das Spöcker Lehrschwimmbad zu diskutieren. Am Ende stimmten 15 Mitglieder des Gremiums für eine Schließung, zehn dagegen. “Keiner hat sich seine Entscheidung leicht gemacht”, betonte Oberbürgermeisterin Petra Becker. Was sprach für die Schließung, was dagegen?

Grundlage für eine faktenbasierte Entscheidung sollten Zahlen sein sowie die Beratung von Fachleuten. Neben den zuständigen Expertinnen und Experten für Finanzen, Badebetrieb und Bau aus der Verwaltung waren Eberhard Reiss, Inhaber eines Ingenieurbüros in Mühlhausen, sowie Rechtsanwalt Prof. Dr. Werner Finger vor Ort, um die Situation und Argumente zu bewerten. Daneben bekamen Ralf Berger von der DLRG Spöck, Hauptnutzerin des Bades, sowie Jochen Freimüller als Vertreter des neu gegründeten Freundeskreises die Möglichkeit, ihre Sichtweisen zu präsentieren.

Die vorgestellten Daten und Fakten entsprachen weitgehend denjenigen, die schon dem Spöcker Ortschaftsrat vorab präsentiert worden waren. Die Stadtverwaltung verwies darauf, dass es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt aktuell keine Förderung für Schwimmbadsanierungen mehr gebe. Ingenieur Reiss urteilte, dass eine stufenweise Sanierung aufgrund der Abhängigkeiten nicht überall möglich sei und zu deutlichen Mehrkosten führen würde. Der Anwalt betonte die künftige Rolle der Stadtverwaltung, wenn es um rechtliche Verantwortung bei den Sanierungen gehe. Diese wolle wohl keine Privatperson übernehmen, meinte er.

Bürgermeisterin Tamara Schönhaar betonte, dass es neben den Zahlen auch weitere Faktoren geben könne, deren Wert sich jedoch nicht konkret bemessen lasse, so etwa der Hubboden des Bades. “Die Mitglieder des Gemeinderats sollten das für sich selbst bei ihrer Entscheidung abwägen.”

Die Abstimmung zu dem Thema erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst sollte der Gemeinderat entscheiden, ob er überhaupt einen Weiterbetrieb wolle. Nur wenn diese Frage bejaht würde, solle es um die Ausgestaltung und mögliche Betriebsformen gehen.

Was spricht für einen Erhalt des Bades?

Aus Sicht der DLRG Spöck sind das vor allem der höhenverstellbare Boden sowie die ruhige Atmosphäre in dem Bad, die das Schwimmenlernen optimal ermöglichten. Im Stutenseebad in Blankenloch könnten zwar alle Nutzergruppen untergebracht werden, wie Badebetriebsleiter Marco Schlimm sagte. Allerdings gebe es dort viel Ablenkung. Und aufgrund der Beckentiefe könnten nur kleinere Gruppen betreut werden, so Ralf Berger von der DLRG Spöck.

Die Spöcker Ortsvorsteherin Karin Vogel (Freie Wähler) stärkte den Freiwilligen im Freundeskreis den Rücken. Dennoch müsse man realistisch bleiben: Die Ehrenamtlichen würden keine fünf Millionen Euro sammeln können. Aber das “hohe persönliche Engagement” müsse wertgeschätzt werden. “Wenn wir das Bad jetzt schließen, kommt es nicht wieder”, so Vogel. Sie beantragte deshalb eine Fristverlängerung bis zum 30. April. Außerdem müsse im Fall einer Schließung eine Umnutzung untersucht werden, statt das Gebäude abzureißen.

“Das ehrenamtliche Engagment in so kurzer Zeit ist beachtenswert”, so Marius Biebsch (Junge Liste) in Bezug auf den Freundeskreis. Er wolle nicht für die Schließung stimmen, sondern der Arbeitsgruppe Zeit bis April geben. “Auf die paar Monate kommt es nicht an.”

“Das Bad wurde schon seit 25 Jahren vom Gemeinderat am langen Arm verhungern gelassen”, so Klaus Mayer (Freie Wähler). Es gebe einen großen Sanierungsstau aufgrund unterlassener Investitionen. “Das haben wir versäumt.” Der Freundeskreis habe nun ein Vorkonzept erstellt, mehr sei in den wenigen Wochen nicht möglich gewesen. Jetzt werbe er für mehr Zeit bis Ende April. “Auch die 2000 gesammelten Unterschriften zeigen, dass es nicht das Hobbyschwimmbad einiger Schwimmbegeisterter ist.”

“Wir bauchen noch Zeit”, stimmte Manfred Beimel (Freie Wähler) zu, der wie Mayer und Biebsch auch Ortschaftsrat in Spöck ist. Außerdem hätte er für den Freundeskreis gerne Zugriff auf alle Unterlagen des Ingenierbüros Reiss sowie Beratungsgespräche, deren Kosten die Stadt zu übernehmen habe.

Was spricht für eine Schließung des Bades?

Auch wenn ein Hubboden das Schwimmenlernen vereinfache, sei das auch im Stutenseebad qualitativ hochwertig möglich, urteilte Badebetriebsleiter Marco Schlimm. Das zeige auch die Nachfrage durch externe Schwimmschulen. Das Bad in Blankenloch sei so geplant worden, dass es den gesamten Bedarf in Stutensee abdecken könne.

“Das ist keine Spontanentscheidung”, betonte Stadtrat Lutz Schönthal (CDU). Die Daten seien mittlerweile seit einigen Wochen bekannt. Knackpunkt sei der Haushalt, der im kommenden Jahr mit 7 Millionen Euro im Minus sei. Darin seien überwiegend Pflichtaufgaben wie Sanierung und Neubau von Kindergärten, Schulen, Digitalisierung und Straßen enthalten, aber eben keine “Kür”. Schon damit tue man sich schwer und müsse über mehrere Jahre verteilen. Als größtes Problem sehe er die künftige Finanzierung des Spöcker Bades. Selbst wenn sich Ehrenamtliche einbringen, würde die Verantwortung und ein Großteil der Kosten bei der Stadt hängen bleiben. “Ich sehe persönlich keinen freien Raum für Freiwilligkeitsleistungen”, so Schönthal.

“Uns war es wichtig, eine Klärung herbeizuführen”, so Volker Stelzer (Grüne). “Die DLRG macht eine hervorragende Arbeit”, lobte er. Aber das Bad sei an seine Grenzen gekommen. Der Betrieb könne auch im Stutenseebad stattfinden, wenn auch nicht ganz so optimal. Das Schulzentrum müsse saniert und aufgestockt, die Kita St. Josef saniert werden. “Wir können das Geld nur einmal ausgeben.” Seine Fraktion sehe nicht, dass Stutensee sich das Bad leisten könne. Bei seiner Recherche habe er kein einziges Bad gefunden, das nicht jährlich um mehrere 100.000 Euro bezuschusst werden muss. “Das ist Geld, das wir nicht haben.”

“Wir verstehen die Argumente der DLRG und der Arbeitsgruppe”, so Wolfgang Sickinger für die SPD-Fraktion. Doch die Stadt könne die laufenden Kosten nicht stemmen. Stutensee sei kurz davor, dass die Gemeindeprüfanstalt Auflagen für den Haushalt mache. Das würde freiwillige Leistungen zuerst betreffen. Für die SPD-Fraktion stehe die Zukunft der Kinder in den Bildungseinrichtungen in Schulen und Kitas an erster Stelle. Auch hier sei nicht das Optimum möglich, sondern nur das Zweckmäßige.

“Wir waren damals noch nicht entschieden”, so Kathrin Weisser (Grüne), deren Fraktion mit ihrem Antrag den Prozess angestoßen hatte. Inzwischen gebe es eine Haushaltskrise. Auch mit Förderung wären die Kosten sehr hoch und würden den Stutenseer Haushalt die nächsten 30 bis 50 Jahre mit jährlich 200.000 bis 300.000 Euro belasten. “Damit würden wir den Gestaltungsspielraum der nachfolgenden Generationen einschränken.” Außerdem machte sie deutlich, dass die für den Rückbau geschätzten 1,2 Millionen Euro, die der Freundeskreis für den ersten Sanierungsschritt verwenden möchte, aktuell gar nicht zur Verfügung stünden. Es sei fraglich, ob ein Nachtragshaushalt genehmigt werden würde.

(K)eine Chance für den Freundeskreis?

Der “Freundeskreis Spöcker Bad”, auch “private Arbeitsgruppe” oder “Arbeitskreis” genannt, hat mittlerweile über 45 Mitglieder, so ihr Sprecher Jochen Freimüller (Freie Wähler, Mitglied im Ortschaftsrat Spöck). Er spricht sich für eine schrittweise Sanierung aus, um das Bad so schnell wie möglich wieder nutzen zu können. Als erstes solle die Badetechnik erneuert werden. In späteren Abschnitten sollen Fenster, Fassade und Dach folgen.

Fünf Untergruppen haben sich gebildet: eine untersucht mögliche Betreibermodelle, unter Mitwirkung der Kanzlei Mangold sollen Zuschüsse und Sponsoring ausgelotet werden, mit Hilfe der Kanzlei Süß soll ein Förderverein gegründet werden. Eine weitere Untergruppe soll neue Nutzergruppen für das Bad akquirieren und eine weitere Kooperationen schließen.

Ingenieur Reiss sah die abschnittsweise Sanierung kritisch: Alles hänge voneinander ab. Die Fenster seien beispielsweise bodentief, deshalb müsse die Abdichtung am Boden mitbetrachtet werden. Die komplette Elektrik müsse nach heutigem Stand neu installiert werden.

Anwalt Finger sah rechtliche Fragen bei der Haftung: “Die Kommune müsste rechtssicher die Haftung übertragen.” Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem eine Sanierungsphase ehrenamtlich übernommen wurde. Nur beim Badebetrieb gebe es das. Letztlich laufe es darauf hinaus, dass die Haftung bei der Stadt verbleibe, ebenso ein Großteil der Sanierungskosten. Dieser Einschätzung schlossen sich einige Stadträte an. Auch bei einem Aufschub bis Ende April würde sich an der grundlegenden Situation nichts ändern.

Schlusswort der Oberbürgermeisterin

Nach der Diskussion im Gremium und vor der Abstimmung äußerte sich OB Petra Becker zu dem Thema. “Würde es nur nach Emotionen gehen, hätten wir schon genug Kitaplätze gebaut und Wohnungen für alle, die sie brauchen. Dann müssten wir uns keine Gedanken machen, ob wir das Bad erhalten können.” Ganz persönlich seien ihr die Eigenarten und Besonderheiten der Stadtteile sehr wichtig. Bei der Entscheidungsfindung sei sie hin- und hergerissen gewesen.

“Wir müssen die Belange von ganz Stutensee zugrunde legen. Gemeinderäte stehen für die ganze Stadt, für alle Menschen, für alle Vereine, egal in welchem Stadtteil”, betonte Becker. Natürlich sei ein Bad für alle da. “Aber können wir uns in Stutensee zwei Bäder leisten?”

Die Stadt sei verpflichtet, mit dem Geld auszukommen, das sie habe. “Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand”, zitierte sie aus ihrer Haushaltsrede. Die Sanierung und Erneuerung des Schulzentrums und die Schaffung neuer Kitaplätze werde viele Millionen im mittleren zweistelligen Bereich kosten. “Wir hätten das vielleicht früher billiger haben können, aber nun ist es so.”

“Freiwillige Leistungen machen das Leben schöner”, so Becker. So gebe es in Stutensee Bibliotheken, Vereinsförderung und vieles mehr. Es sei die Pflicht von Verwaltung und Gemeinderat, alles auf den Prüfstand zu stellen.

“Was könnte die Arbeitsgruppe leisten? Sollen wir nochmal Aufschub gewähren?” Letztlich laufe es auf die Frage hinaus, ob man sich in Stutensee ein zweites Bad leisten könne, obwohl das Schwimmenlernen auch mit der DLRG im Stutenseebad möglich sei.

Zum Abschluss zitierte Becker Voltaire und bat um Verständnis für die Entscheidung jedes Einzelnen: “Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.”

Am Ende stimmten 15 Ratsmitglieder für eine Stilllegung des Bades und gegen eine Fristverlängerung. Zehn sprachen sich dafür aus. Zwei Mitglieder nahmen an der Sitzung nicht teil. Der Antrag von Karin Vogel, vor einem Abbruch des Gebäudes andere Nutzungsmöglichkeiten zu untersuchen, stieß bei 17 Ratsmitgliedern auf Zustimmung.

Reaktionen

Die Reaktionen auf die Entscheidung in den Kommentaren der meinstutensee.de-Kanäle auf Instagram, Facebook und der Website, sind bislang überwiegend emotional und enttäuscht. Von einem “Armutszeugnis für Stutensee” ist die Rede. Darunter mischen sich aber auch Stimmen, die dem Gemeinderat bescheinigen, Vernunft bewiesen zu haben. Kritisiert wurde, dass jahrelange, ehrenamtliche Arbeit nicht genügend geschätzt würden. Immer wieder sichtbar wird auch das Teilorts-bezogene Denken. So wird kritisiert, dass sich alles in Blankenloch konzentriere.

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