Lars Zinow hielt in der Gemeinderatssitzung am 16.12.2013 die Haushaltsrede für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Demal,
meine Damen und Herren von der Verwaltung, Gemeinderat und Ortschaftsräten, liebe Stutenseer Bürgerinnen und Bürger,
wir von Bündnis 90 / Die Grünen Stutensee freuen uns über die gute finanzielle Lage, die uns zumindest für die nächsten 1-2 Jahre vorausgesagt ist. Sie sollte aber nicht zu Übermut verleiten. Herr OB Demal hat in seiner Rede bei der Einbringung des Haushalts die erfreuliche Situation ja umfassend dargelegt. Allerdings fehlte in diesem Jahr der Hinweis auf antizyklisches Handeln, den er in seinen Reden in den letzten Jahren immer gemacht hatte. Antizyklischem Handeln heißt nämlich nicht nur Investieren, wenn wir kein Geld haben, sondern auch Schuldenabbau in guten Zeiten wie im Moment. Hierzu möchte ich ein Zitat von Herrn Kuld in der BNN vom 6.12.2013 erwähnen, welches er in Verbindung mit der Einbringung des Haushaltes für den Landkreis gemacht hat: „Schuldenabbau … ist der richtige Weg, doch müsste er in guten Zeiten schneller gegangen werden.“ Trotz niedriger Zinsen für Kredite ist es jetzt Zeit, Schulden abzubauen. Das Zinsniveau wird auch wieder steigen, wie z. B. die erwartete Verknappung von billigen Krediten in den USA vermuten lässt. Dann sollte Stutensee möglichst wenig Schulden oder entsprechend hohe Rücklagen haben um handlungsfähig zu bleiben.
Ein ganz anderes Thema sind unsere Friedhöfe. Erfreulich ist hier, dass es in Bälde auf fast allen Friedhöfen durch die Gärtnerinnung neugestaltete Gräberfelder geben wird. Zur Klarheit bei Kosten und Einnahmen der Stadt muss auch eine genaue Aufstellung der Kosten für unsere Friedhöfe durchgeführt werden, und zwar ist hier zu unterscheiden nach den Kosten für pflegerische Maßnahmen und den eigentlichen Beerdigungskosten. Hierfür muss die Satzung neu gefasst werden, wobei bei dieser Gelegenheit dringend ein Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit mit eingearbeitet werden muss. Derzeit kommen die größten Mengen Granit, aus dem die meisten Grabsteine bestehen, aus Indien und Pakistan, wo hauptsächlich Kinder dieses Material abbauen. Das dürfen wir nicht fördern und müssen es ähnlich wie viele andere Kommunen durch eine Satzungsänderung unattraktiv machen. Dies ist ein Antrag. Das könnte übrigens der Anfang sein für eine grundsätzliche faire Beschaffung von Materialien im öffentlichen Bereich Stutensees.
Nun zu konkreten Vorhaben:
Der Neubau eines Hallenbades in Blankenloch neben der neuen Sporthalle des Schulzentrums ist eine sehr große Investition. Derzeit veranschlagte 7,3, Mio. Euro + Kosten für die in diesem Gebiet meist aufwendige Gründung sowie für die Außenanlagen sind auch bei guter finanzieller Lage sehr viel. Jede Bauverzögerung erhöht die Kosten pro Jahr um 300.000 Euro. Alles in Allem müssen wir wohl mit etwa 10.000.000 EUR rechnen. Schuld und Tilgung, Energiekosten und Personal zusammengerechnet fördern wir somit für jeden Nutzer, jede Nutzerin, ob von Vereinen, Schulen oder privat pro Eintritt mit über 10 EUR. Oder jeden Sportler der hier trainiert jährlich mit ca. 1000 €. Als Investition zum Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger und in die Verbesserung der Standortfaktoren für die Ansiedelung von Betrieben und für den Zuzug nach Stutensee kann man dies durchaus so akzeptieren.
ABER:
So bleibt – auch mittelfristig – wenig Spielraum für weitere große Projekte; sie müssen hintan stehen.
Im Hinblick darauf ist die dringend notwendige Verbesserung des Zustandes der Sporthalle in Staffort sorgfältig zu untersuchen. Von der Verwaltung benötigen wir – soweit möglich – verlässliche Zahlen zu den Kosten einer Sanierung der Sporthalle sowie zu den Kosten für Abriss und Neubau einer Mehrzweckhalle. Die angedeuteten 2 Mio. Euro für einen Neubau müssen aus den oben genannten Gründen durch Einnahmen gegenfinanziert werden. Alles andere wäre verantwortungslos.
Hier bietet sich möglicherweise der Abriss der Dreschhalle und der Verkauf der frei werdenden Grundstücke als Einnahmequelle an. Grundsätzlich herrscht hier noch Diskussions- und Informationsbedarf. Bis zu einer Entscheidung müssen finanzielle Investitionen in die Dreschhalle aufgeschoben werden.
Ebenfalls als Einnahmequelle für den Haushalt Stutensees bietet sich das Grundstück und Haus Bahnhofstr. 24 in Blankenloch an. Nachdem der Polizeiposten ausgezogen ist, muss hinterfragt werden, ob die Stadt dieses Gebäude unbedingt behalten muss.
Bauprojekte innerorts müssen grundsätzlich fallbezogen beurteilt werden. Die Abwägung, ob die innerörtlichen Freiflächen aus kleinklimatischen, ökologischen, geschichtlichen oder sonstigen Gründen frei bleiben sollen oder ob sie bebaut werden können, muss individuell bewertet werden; eine Bewertung der einzelnen Blocks liegt ja schon seit Jahren vor, wobei diese Daten überarbeitet werden müssen.
Innerörtliche Verdichtung ist zur Schonung des Landschaftsverbrauchs wichtig; eine Bebauung in dritter oder gar vierter Reihe ist allerdings aus unser Sicht aus vielerlei Gründen nicht sinnvoll und oft nicht genehmigungsfähig.
Nach wie vor ist Umwelt- und Naturschutz ein wichtiger Punkt in der Grünen Politik, auch hier in Stutensee.
So ist uns der Erhalt der Wiesen, die durch teils schon jahrhundertelange Nutzung entstanden sind, zum Erhalt eines Kulturgutes genauso wie für den Arten- und Biotopschutz wichtig. Hier finden allerdings seit einigen Jahren besonders in Blankenloch durch Übernutzung als Pferdeweiden oder auch durch Aufschüttungen, seltener auch durch illegalen Umbruch, Zerstörungen dieses wichtigen Lebensraumes statt. Hier bitten wir die Verwaltung dringend, gerne auch in Zusammenarbeit mit den kreisweiten Behörden, dem Einhalt zu gebieten, ggf. auch durch Verhängung von Strafen. Appelle haben hier in letzter Zeit nicht gefruchtet.
Wir als „Stadt im Grünen“, wie es unser Stadtmarketing gerne nennt, müssen unser Grün auch schützen und pflegen und da ist uns gerade im Landschaftsschutzgebiet in den letzten Jahren nicht genügend getan worden. Auch Biotopvernetzungsmaßnahmen müssen wieder verstärkt durchgeführt werden. Hier war Stutensee vor Jahren einmal wirklich gut; leider ist das Engagement in dem Bereich seither deutlich zurückgegangen. Hecken, Alleen, Waldränder sowie Acker- und Gewässerrandstreifen sind hier die Stichworte.
Positiv, wenn auch langsam, entwickelt sich die Renaturierung der Fließgewässer in Stutensee. So sind der Erwerb der Wasserrechte von der Mühle Friedrichstal sowie der hoffentlich demnächst stattfindende Bau des Nadelwehrs in der Pfinz bei den Fischteichen in Blankenloch wichtige Schritte zur Umsetzung der EU-Richtlinien zur Durchgängigkeit von Fließgewässern.
Die geplanten Pflanzmaßnahmen von 2020 Bäumen bis 2020 ist eine tolle Idee, die, wenn mit einheimischen Laubbaumarten durchgeführt, Stutensee noch lebenswerter machen wird. Diese Maßnahmen müssen jetzt forciert angegangen werden; bis 2020 ist gar nicht mehr so viel Zeit. Der Erhalt besonders von älteren Bäumen ist allerdings mindestens genauso wichtig. Hier wurden in letzter Zeit leider einige Fehler gemacht.
Wir beantragen, dass in Stutensee ähnlich wie in der Stadt Karlsruhe ein Baumschutzverordnung erarbeitet und in Kraft gesetzt wird. Das hierfür sinnvolle Baumkataster, in dem jeder Baum ab einer bestimmten Größe und Art erfasst wird, kann in Verbindung mit den Baumpflanzungen, z. B. auch der 1150 Bäume in Spöck, begonnen werden.
Und noch etwas zu der Artenwahl bei Baumpflanzungen: In Verbindung mit den Bebauungsplänen für neue Baugebiete ist verbindlich vorgeschrieben, dass nur aus einer dem Bebauungsplan beigefügten Artenliste Bäume auf den privaten Grundstücken gepflanzt werden dürfen. Wenn es schon der Verwaltung aus personellen Gründen nicht möglich ist, diese Auflagen zu kontrollieren, so muss doch zumindest diese Artenliste und der Hinweis auf diese Auflagen allen Bauwilligen in Stutensee zur Kenntnis gebracht werden, z.B. in Verbindung mit der Baugenehmigung oder entsprechendem Schriftwechsel. Der Aufwand ist gering, der Effekt dürfte positiv sein. Auch dies ist ein Antrag unser Fraktion.
Weiterhin aktuell bleibt für uns das Thema „Blumenwiesen auf geeigneten öffentlichen Flächen“ . Es ist nicht nachvollziehbar, dass entsprechende Maßnahmen in anderen Gemeinden problemlos und mit großer Akzeptanz in der Bevölkerung durchgeführt werden können, nur in Stutensee soll das nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sein. So seltsam sind wir Stutenseer doch nun wirklich nicht! Bei der Gelegenheit wünschen wir uns irgendwann in 2014 die Erläuterung des aktuellen Standes des Ökokontos von Stutensee. Oft wird eine Verzögerung bei entsprechenden Auskünften mit der angespannten Personalsituation begründet.
Hier bitten wir um eine echte volle Stelle des Umweltbeauftragten der Stadt Stutensee; dies ist einer Großen Kreisstadt würdig. Der derzeitige Stelleninhaber ist als Personalratsvorsitzender mit einer, durchaus wichtigen und sinnvollen, Arbeit zu 80 % ausgelastet. Das lässt für die Umwelt viel zu wenig Spielraum.
Thema Energie:
Wir dürfen die Chance, die sich uns durch den Bau des neuen Schwimmbades bietet, nicht ungenutzt lassen und müssen eine dezentrale Energieversorgung durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) an dieser Stelle untersuchen.
Gerade in Verbindung mit den Sporthallen des Schulzentrums, der Mensa, des Schulzentrums selbst sowie eventuell sogar einer neuen Bebauung auf dem alten Schwimmbadgrundstück und dem Neise-Gelände bietet sich so etwas an. Auch eine Kombination mit regenerativen Energiequellen wäre einem modernen Stutensee gerecht.
Auch in neuen Baugebieten müssen auch seitens der Stadt Wege gefunden werden, den maximalen Energieverbrauchswert pro Quadratmeter Wohnfläche zu begrenzen. Hier geben Bund und Land mittlerweile einige sinnvolle Vorgaben, die mittels Energieausweis auch gut nachvollziehbar sind. Mit welchen der vielen möglichen Methoden diese Werte dann im Einzelnen erreicht werden, bleibt den Bauherren freigestellt. Eine gute Information durch die Stadt zu den zahlreichen Fördergeldern für energiesparende Maßnahmen wird solche Vorgaben sicherlich gut umsetzbar machen. Hier sind die Aktivitäten im Rahmen von ZEOZWEIFREI in Ortskernsanierungsgebiet Blankenloch eine sinnvolle Ergänzung.
Vorgeschrieben Firstrichtungen in Nord-Süd-Richtung, die also eine Ausrichtung zur optimalen Nutzung von Sonnenenergie unmöglich machen, müssen in Bebauungsplänen unterbleiben, zumal es nach aktueller Rechtsprechung einen Rechtsanspruch auf Ausrichtung einer Dachseite nach Süden gibt und somit andere Vorschriften sowieso nichtig und sinnlos sind.
Leider zeigen die Hausmeisterschulungen zum Thema Energieeinsparungen an öffentlichen Gebäuden nur teilweise eine Wirkung. Wenn zur besseren Zugänglichkeit eines Gebäudes ein Keil zum Offenhalten der inneren Tür einer doppelten Eingangstür benutzt wird, geht jedes Mal beim Betreten des Gebäudes Warmluft verloren, die eigentlich geplante Kälteschleuse verliert ihre Wirkung. Dauerhaft gekippte Fenster in beheizten Räumen sind ein weiteres Beispiel, wie es nicht sein sollte, nicht sein darf.
Thema Soziales und Bildung:
Sehr positiv bewerten wir die Einrichtung eines Zuges einer Ganztagesgrundschule in Blankenloch. Hier wird sich zeigen, wie dieser angenommen wird es ist sicherlich ein sinnvoller Weg zur verlässlichen ganztägigen Bildung und Betreuung von Grundschulkindern. Ebenfalls positiv entwickelt sich die Kleinkindbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Mit Hilfe der Fördergelder der Grün-roten Landesregierung konnte Stutensee hier vieles in die Wege leiten.
Die weitere Entwicklung der Schullandschaft muss weiterhin genau beobachtet werden. Wir brauchen einen überregionalen Bildungsplan zur Zusammenarbeit und Lastenverteilung mit benachbarten Kommunen. Es wird sicherlich nicht möglich sein, in jeder Kommune eine Werkrealschule am Leben zu erhalten. Regionale Schulplanung muss dringend stärker in den Blick kommen und der Weg dahin begangen werden.
Zusätzlich müssen wir auch offen sein für neue Schulkonzepte. Auf jeden Fall müssen wir bei neuen Ideen und Maßnahmen die Eltern mitnehmen.
Auf dem Weg zu einem kinder- und vor allem auch jugendgerechten Stutensee sind wir hoffentlich ein Stück weiter gegangen. Der neue Abenteuerspielplatz beim TSG in Blankenloch wird hoffentlich auch von Kindern über 12 Jahren angenommen werden; der nächste Sommer wird es zeigen. Auch in den anderen Ortsteilen sind entsprechende Einrichtungen geplant oder in Umsetzung. Hierzu ein Appell an alle Jugendlichen: Bitte nutzt diese Plätze so, dass weder Müll noch Scherben oder gar die Zerstörung von Spielgeräten die Nutzung dieser Spielplätze unmöglich machen. Ihr würdet euch selbst schaden.
Zum Thema „seniorengerechtes Stutensee“ hat OB Demal in bei der Einbringung des Haushaltes schon einiges gesagt. Es freut uns, dass unsere Kritik an den teils überhaupt nicht rollator-gerechten Bodenbelägen auf Plätzen oder Gehwegen aufgegriffen wurde. Auch der Vorschlag, einen Seniorenbeirat ins Leben zu rufen, findet unsere Zustimmung.
Ähnliches könnten wir uns übrigens – auch in Verbindung mit der Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre – für Jugendliche als Jugendbeirat vorstellen.
Zum Schluss möchten wir wie immer allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung sowie allen freiwillig Engagierten in Stutensee unseren Dank aussprechen.
Eine moderne und lebenswerte Stadt braucht interessierte aktive Bürger. Im Gegensatz zu den häufig zu hörenden Klagen gibt es diese engagierten Bürgerinnen und Bürger auch in den meisten Bereichen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Haushaltsplanentwurf der Stadt Stutensee für 2013 sowie dem Entwurf des Wirtschaftsplanes des Eigenbetriebes Abwasserbeseitigung Stutensee zu und hoffen, dass unsere Anträge zügig abgestimmt und umgesetzt werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle: Bündnis 90/Die Grünen Stutensee
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