Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am gestrigen Dienstag mehrheitlich beschlossen, die zwei südlichsten Linden in der Badstraße an der Blankenlocher Festhalle an ihrem Platz zu belassen. Der Beschluss basiert auf einer neuen Alternativvariante, die von der Stadtverwaltung ausgearbeitet worden war. Dafür wird der darunter liegende Kanal mit einem Verfahren saniert, das nur eine begrenzte Haltbarkeit hat.
Baubürgermeistern Sylvia Tröger stellte das Bebauungsplanverfahren zum Wohnpark Mittendrin, der auf dem Gelände des alten Hallenbads sowie dem alten Parkplatz der Festhalle entstehen soll, in der Sitzung umfassend dar. “Es war im ganzen Prozess klar, was passiert”, erklärte sie. “Die Öffentlichkeit wurde stärker eingebunden als gesetzlich vorgeschrieben”, ergänzte Nicole LaCroix (CDU). Andere Stadträte ließen jedoch durchblicken, dass ihnen die Auswirkungen auf den Baumbestand nicht klar gewesen seien. “Das Problem mit den Linden wurde nicht richtig gesehen”, gestand Volker Stelzer (Grüne), der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht selbst Mitglied des Gremiums gewesen war. “Es ärgert mich, dass wir nicht erkannt haben, dass es um so viele Bäume geht”, so Thomas Hornung (CDU). In den Umwelt- und Artenschutzgutachten habe dazu nichts gestanden. “Die Linden sind dem Gemeinderat und dem größten Teil der Bürger nicht aufgefallen”, sagte auch Sven Schiebel (Freie Wähler). “Es ist uns zum richtigen Zeitpunkt nicht bewusst gewesen”, so Lutz Schönthal (CDU).
Leider sei der Einwand der Bürger zu spät gekommen, um noch etwas grundlegend ändern zu können, war die fraktionsübergreifende Meinung. Der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan “Erschließung Wohnpark Mittendrin” wurde in der Gemeinderatssitzung vom Mai 2020 getroffen. In den Eingaben der Bürger wird bereits dort – also bevor der Plan rechtskräftig wurde -, auf die Bäume verwiesen. Die Stadtverwaltung kommentierte die Eingabe in der damaligen Sitzungsvorlage wie folgt: “Die Bäume am alten Festhallenparkplatz, der nach Süden verlegt wird, müssen aufgrund der Verlegung der Badstraße und der Anlage des neuen öffentlichen Platzbereichs zwischen Festhalle und Plangebiet des ‘Wohnpark Mittendrin’ entfernt werden.”
Vergangene Woche führte die Stadtverwaltung ein Gespräch mit der Interessengemeinschaft, deren Ziel die Erhaltung der sechs Linden ist. Dabei wurde ein Alternativvorschlag vorgestellt, über den der Gemeinderat nun abzustimmen hatte: Zwei Linden könnten an ihrem Platz erhalten bleiben, wenn der darunter liegende Abwasserkanal nicht ausgetauscht, sondern innen saniert wird. Die Kosten dafür lägen bei etwa 40.000 Euro. Dafür würde die im September beschlossene Verpflanzung von zwei Bäumen entfallen. Diese Alternative hätte allerdings eine begrenzte Haltbarkeit von etwa 20 Jahren.
“Technisch ergibt das keinen Sinn”, urteilte Nicole LaCroix (CDU). “Das ist nicht nachhaltig.”
Die Freien Wähler sahen hingegen vor Ort bessere Chancen für die Bäume, da schließlich nicht sicher sei, ob verpflanzte Bäume auch anwachsen. Da die Varianten kostenneutral seien, könne man sich mit der Alternative anfreunden, so Klaus Mayer. Wolfgang Sickinger (SPD) schloss sich dieser Sichtweise an. Einer Verpflanzung habe er nicht zugestimmt, aber der neue Kompromiss sei eine tragfähige Lösung.
“Wir sollten die Linden wenigstens für 20 Jahre retten”, so Volker Stelzer (Grüne), “bis die Neupflanzungen größer geworden sind.”
“Mir ist der Kompromiss viel lieber als eine Versetzung”, meinte auch Thomas Hornung (CDU).
Marius Biebsch (Junge Liste) äußerte Zweifel, ob der Gemeinderat ohne eine geänderte Faktenlage überhaupt erneut über dasselbe Thema entscheiden dürfe. “Es ist ökologisch nicht sinnig, den Kanal für nur 20 Jahre aufwändig zu sanieren”, fügte Tobias Walter (ebenfalls Junge Liste) hinzu. Das sei kein guter Kompromiss, sondern nur eine Verschiebung in die Zukunft, und dann müssten die Bäume letztlich doch gefällt werden.
Das sah auch Lutz Schönthal (CDU) so. “In 20 Jahren wird es dann eine erneute Diskussion geben.” Man solle lieber eine Versetzung probieren. Im Übrigen erstaune ihn die Diskussion über sechs Bäume, während bei privaten Bauprojekten zur Innenverdichtung ebenfalls ältere Bäume gefällt würden, ohne dass es jemanden interessiere.
Der Gemeinderat lobte einhellig die Verwaltung für ihr Zugehen auf die Interessensgemeinschaft und die Erarbeitung von Alternativen. “Wir haben um Lösungen gerungen”, beschrieb es Oberbürgermeisterin Petra Becker. Sie habe jedoch keinen Zweifel daran, dass im bisherigen Verfahren alle Erwägungen stattgefunden hätten. Als Konsequenz will die Verwaltung bei künftigen Bauprojekten in den Plänen deutlich kennzeichnen, welche Bäume erhalten werden können und welche nicht. Bei der Planung für die Stafforter Mehrzweckhalle sei das bereits geschehen.
Nach einer kontroversen Diskussion stimmte der Gemeinderat mit 17 zu 8 Stimmen für die Alternativlösung, also den Erhalt von zwei Linden an ihrem jetzigen Platz bei gleichzeitig nur eingeschränkt haltbarer Sanierung des darunter liegenden Kanals.
forum Kommentare
Die Diskussion scheint die 20 Jahre Haltbarkeit des Inliner-Verfahrens zu betrachten als wäre dieser Zeitraum in Stein gemeisselt und unterstellt die Abwasserleitung bräche am Tag danach krachend in sich zusammen. Eine Recherche im Internet zeigt, dass dem Verfahren Lebensdauern von 40 bis 70 Jahren bescheinigt werden. Das relativiert doch viele der oben getätigten Aussagen und gibt den Linden eine deutlich längere Perspektive.
Jetzt teilen sich die Meinungen im städtischen Rat zu Bäumen und ihren Sein-Alternativen oder -Nicht Sein-Perspektiven. Zu begrüßen ist, dass wenigstens bei einigen einstimmigen Mai 2020-ContraBaum-Beschlußfassern etwas Gewissen und Reue gezeigt wird, das gesamte Schnellbaupaket nicht vollständig entschnürt zu haben oder bei der früheren Entscheidung nicht zuständig gewesen zu sein. Schön gesagt- Zum richtigen Zeitpunkt nicht bewusst gewesen- deshalb zum falschen Zeitpunkt dann zum großen Problem geworden.
Was es nun mit der Kanalsanierung auf sich hat, lässt sich für Nichtinformierte des derzeitigen Zustandes nur erahnen. Entweder die verbleibenden alten Rohre direkt unter den dann zwei Bäumen sind bereits defekt oder man rechnet demnächst damit, da bereits zerstörender Wurzeleinwuchs vorhanden ist. Das Institut für unterirdische Infrastruktur hält hierzu auch nachhaltige Lösungen bereit. Dazu sei auch die nachhaltige Frage erlaubt: Was war früher da? Die Rohrleitung oder die Lindenbäume?
Ohne nun die Einstellung der Interessengemeinschaft zu diesem Kompromiss zu kennen, ist die zunächst knallharte NoGo – Meinung der Stadt, zu einem kleinen Akzeptanzgehabe, etwas altes Lindengrün am ursprünglichen Standort zu erhalten, ummutiert. Die fehlende Nachhaltigkeit des Umschwenkens machte zunächst die Ratsrunde. Ohne Erfolg. Die Kosten für eine 20-Jahresrohrsanierung oder eine geplante Umpflanzung heben sich gegenseitig auf – da enstehen also momentan keine Kosten, und wie das dann in zwanzig Jahren in diesem Hintergarten-Bauabschnitt und seiner zukünftigen Verrohrung aussieht, weiß heute auch noch niemand. Insofern ist die Befürchtung, dass sich diese Diskussion in zwanzig Jahren wiederholen wird, auch nur CDU- spekulativ.
AUSBLICK 2040:
Erstens sind die Bäume jetzt 60 Jahre alt, Stutensee hat eine tolle 1A-Streibsche Baumsatzung und das Wohnpark-Cafe hat bei der Einweihung vor vielen Jahren den schönen Namen „Zwischen den Linden“ erhalten. Frau OB LaCroix schlürft mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Tobias Walter-Lindenbaum aus dicken Volkswohnungstassen, auf dem kostenbegünstigten baumschattigen Freisitz einen geeisten Lindenblütentee für 7.75 € aus eigenem Anbau. Gegenseitig stellen sie fest , dass der direkt unter ihnen verlaufende Abwasser-Kanal in seinem Inneren immer noch nicht zugewachsen ist und Frau OB will wissen, ob Walter-Lindenbaums damals befürchteter Ökounsinn, humanökologisch oder politökologisch gemeint war. Das von Lutz Schönthal 2020 befürchtete Desinteresse bürgerlicher Einstellung „Achtung Baum fällt – mir doch egal“ ist auch nicht eingetreten, da die oberste Naturschutzbehörde Baden-Wü per Gesetz verordnete, dass Bäume mit einem Stammdurchmesser von 80 cm nahe der Grundstücksgrenze stehend, nicht mehr gefällt werden dürfen, da sie aufgrund verzweigter Untergrundbewurzelung in alle Richtungen, mehreren Eigentümern gleichzeitig gehören. Zurück zu den Wurzeln. Meine Wurzeln-Deine Wurzeln-Unser Baum. Die Bauminitiative VALLUCA – Stutensee e.V. hat es nach vielen Versuchen geschafft, dass sämtliche Bäume auf kommunalen und privaten Grundstücken, in eine Abwägungsberatung vor einer Bebauung aufgenommen werden und deshalb teilweise Häuser jetzt um Bäume herum gebaut werden müssen. Ein Wählergeschenk von CDU – Ministerpräsident Kretschmann nach seiner Wiederwahl 2026 “erstmalig als Schwarzer” war ein Erlass, dass Bäume auf denen sich Hornissennester, Bruthöhlen von Schwarzspechten und Fledermäusen oder Vogelnester von Zwippammern befinden, weder geschnitten, bestiegen, geschweige denn gefällt werden dürfen. Natürlich hat das für große Verwirrungen auf dem Bauamt gesorgt. Einige grüne Lungen in den alten Ortskernen, bereits für eine mehrstöckige Innenverdichtung verplant, konnten erhalten werden, und die dortigen Anwohner sind dankbar, dass sie mal noch neben sehr geräuschvollen wasserstoffbetriebenen Turbinengüterzügen, dem Gesang einer vereinsamten Amsel lauschen können, die auf der Suche nach einem kleinen Regenwurm, auf einer kleinen noch nicht versiegelten Fläche innerhalb des Hundezwingers ist. Und der Hund kann keine Vögel leiden.
Eine schöne, friedvolle Adventszeit – liebe Stutenseer. Haltet durch – bleibet gsund.