Über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten am Montagabend der Online-Veranstaltung der Deutschen Bahn. Thema war der Ausbau der Bahngleise zwischen Mannheim und Karlsruhe. Vertreter von Bahn und der beteiligten Planungsbüros informierten über den aktuellen Sachstand und beantworteten die Fragen der Teilnehmer:innen ausführlich. Auch wenn sich nicht alle Anwesenden mit dem Projekt einverstanden zeigten, war die Resonanz bezüglich des Umgangs der Bahn mit den Fragen überwiegend positiv,.
“Bekomme ich Schadenersatz, wenn eine Bahnstrecke hinter meinem Grundstück gebaut wird?”, “Warum wird nicht alles untertunnelt?”, “Warum sind Vogelschutzgebiete von der Trasse betroffen?”, “Wie sieht es mit dem Schallschutz aus?” – Die über 250 per Chat eingereichten Fragen waren überwiegend sachlich. Detaillierte Nachfragen zu lokalen Gegebenheiten wurden jedoch aussortiert und sollen im Nachgang beantwortet werden.
Bestandsstrecke überlastet
Stand der Dinge: Die Deutsche Bahn ist von der Bundesregierung beauftragt worden, die Gleisverbindung zwischen Mannheim und Karlsruhe zu erweitern. Zum einen, weil dies Teil einer internationalen Vereinbarung ist – bessere Verbindung der Hochseehäfen Rotterdam und Genua -, aber auch ganz einfach, weil die Strecke derzeit schon zu voll ist und es deswegen immer wieder zu Verspätungen komme, wie der Projektleiter der DB Netz Stefan Geweke erläutert.
Eingriff in die Natur
Der dem Baubeginn vorgelagerte Prozess wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Geweke rechnet mit einer Fertigstellung Ende der 2030er-Jahre. Aktuell wird nach einem geeigneten Trassenverlauf gesucht. Da die Region sehr dicht besiedelt ist und die verbliebenen Freiflächen teilweise Schutzflächen für Natur oder Trinkwasser sind, gebe es keinen einfachen Weg.
Im Gegenteil: Die Hürden – die Fachleute sprechen von “Raumwiderständen” – seien überall hoch bis sehr hoch. Dazu kommt, dass die Strecke auch nicht im Zickzack durch die Landschaft verlaufen soll, sondern möglichst direkt, um Fahrzeiten nicht unnötig zu erhöhen. Das könne dazu führen, dass auch geschützte Gebiete durchquert werden müssen. Das Dilemma sehe so aus: Liegen die Gleise nah an den Orten, sind Menschen betroffen, liegen sie weiter entfernt, wird Natur zerstört.
Bei solchen Eingriffen bevorzugen die Planer der Bahn eine Bündelung mit bestehender Infrastruktur, beispielsweise einer Autobahn. Eine neue Zerschneidung von Naturflächen sei schlimmer. Bei Wegfall von Waldflächen müsse es einen forstlichen Ausgleich an anderer Stelle geben. “Es ist uns bewusst, dass wertvolle Landschaft betroffen sein wird”, so Planer Martin Stolzenburg. Punktell könne es sogar Eingriffe in die allerhöchste Kategorie der Raumwiderstände geben.
Tunnel sind teuer
Für den Abstand zu Orten gebe es keine gesetzliche Vorgabe, so die Planer. Je näher eine Strecke jedoch einem Ort komme, desto schlechter würde ihre Bewertung im Vergleich zu anderen Varianten ausfallen. Ein Tunnel komme grundsätzlich nur in Frage, wenn es oberirdisch keine Alternativen gebe. Die Bahn müsse sorgsam mit den Steuergeldern umgehen, und Tunnel seien sowohl im Bau als auch im Betrieb bedeutende Kostenfaktoren.
Nicht nur für Güterverkehr
Generell sei die geplante Neubaustrecke nicht ausschließlich dem Güterverkehr vorbehalten. Da die bereits bestehende Verbindung zwischen Karlsruhe und Mannheim wohl direkter und damit kürzer sei, werde diese zwar künftig bevorzugt vom Personenverkehr genutzt werden. Allerdings könnten Fernzüge auch die Neubaustrecke nutzen. Sogar die Nutzung durch S-Bahnen und die Einrichtung von S-Bahn-Haltepunkten an der neuen Strecke schloss Geweke nicht aus. Er betonte allerdings, dass der Regionalverkehr vom jeweiligen Bundesland bestellt werden müsse. Das sei nicht Aufgabe der Deutschen Bahn und der Bundesregierung und deshalb auch nicht Bestandteil der derzeitigen Planung und des Budgets.
Lärmschutz
Beim Thema Lärmschutz verwiesen die Planer auf die gesetzlichen Grenzwerte, die rechnerisch eingehalten werden müssten. Schadenersatz für verbauten Ausblick gebe es nicht. Erschütterungen ließen sich nur durch Abstände zu Wohnbebauung berücksichtigen.
Wie geht es weiter?
In den nächsten Wochen und Monaten werden die bereits erarbeiteten Linienkorridore optimiert sowie Segmente, also Teilstrecken, miteinander verglichen. Im September sollen durchgehende Linienvarianten vorgestellt werden, und bis Mitte 2023 soll die Variante feststehen, die in das Raumordnungsverfahren gehen wird. Bis dahin sei es jedoch möglich, dass man auch nochmal einen Schritt zurückgehe und wieder Verläufe in die Diskussion nehme, die eigentlich bereits ausgeschieden seien. Das sei allerdings wenig wahrscheinlich.
Stutensee vielleicht betroffen
Im derzeitigen Planungsstand ist ein Trassenkorridor zwischen Friedrichstal und Spöck, vorbei am Stafforter Baggersee zur Autobahn A5 als Möglichkeit enthalten. Naturschützer lehnen diese Variante wegen des Vorkommens geschützer Tierarten ab. Auch die Politik ist gegen eine Zerschneidung von Stutenseer Freiflächen. In der nächsten Gemeinderatssitzung am kommenden Montag wird ein entsprechender Antrag aller Fraktionen und der Jungen Liste auf der Tagesordnung stehen, um ein entsprechendes Zeichen zu setzen. Die Stadtverwaltung Stutensee plant eine eigene Online-Informationsveranstaltung am 1. Februar.
Die Aufzeichnung der Bahn-Veranstaltung wird in Kürze auf der Projekt-Website www.mannheim-karlsruhe.de abrufbar sein.
forum Kommentare
ENDE der 30- er Jahre???—-Na denn Tschüss and Rock`n Roll –da ist vielleicht GEO-politisch schon alles anders geregelt in Europa. Die A5 vielleicht schon 12 -spurig (pro Richtung), der Stafforter Baggersee (Erdgold Canyon) ausgetrocknet, die seltenen Vögel alle schon ausgeflogen. Da schau ich mir das Chaos aus sicherer Entfernung dann doch lieber von OBEN an.
Hallo Kwg
Ich glaube solange dauert es nicht, die Bahn will so nur die Bevölkerung ruhig stellen. In unserem Bereich grossen Radlader auspacken einmal durch und 4 Brücken gebaut, schon sind Sie an der A 5. Ich rechne mit Ende 20er.
Auch das wird noch knapp —Herr Hassmann. Denken Sie wirklich, dass die dieses Tempo einschlagen können? Aber da das ja die Bahn nicht selbst baut, sondern HochTief, Bilfinger+Berger oder Züblin- könnten Sie recht haben, dass es dabei nicht zu den vom Bahnverkehr gewohnten Verspätungen kommt. Aber diese ewigen Klagen und Verfahren wegen Enteignung vor Gericht usw. Das dauert. Da müsste die Ampel der Ampelkoalition ja die ganze Zeit auf GRÜN stehen, aber das sind doch eigentlich die Bremser, die die LOK über freies Feld zum Stehen bringen wollen. Auf der einen Seite städtische Innenverdichtungen als angedachte Lösung – auf der anderen Seite unsinniger und unmäßiger Flächenverbrauch und unkommentierter Verlust bester Landwirtschaftslagen. Da sind mir hundert, zweihundert geräuschlose Einfamilienhäuschen mit Solarenergie und kleinem Fischteich für die Reiher, auf diesen Flächen zehnmal lieber wie 350, hin und her ratternde, glühende Funken versprühende Güterzüge am Tag.