Stadt will Dächer für Solarstrom verpachten

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Beitragsbild: torstensimon/pixabay.com

Von Martin Strohal | 31.10.2022 12:11 | 1 Kommentar

Der Stutenseer Gemeinderat ist sich grundsätzlich einig, Strom über Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Gebäuden produzieren zu wollen. Die Stadtverwaltung wurde vom Gemeinderat immer wieder gedrängt, endlich mit der Umsetzung zu beginnen. Aber soll sie auch alles selbst durchführen? Oder sollen einige Dächer an eine Bürgerenergiegenossenschaft verpachtet werden, die Bau und Betrieb übernimmt? Darüber gab es unterschiedliche Meinungen im Gemeinderat.

In der Sitzung am 24. Oktober stellten Vertreter der Umwelt- und Energieagentur eine Gesamtausbaustrategie bis 2025 vor. Teil davon ist, dass die Stadt nicht alle Anlagen selbst baut und betreibt, sondern einen Großteil an eine Bürgerenergiegenossenschaft verpachtet. Bürgerenergiegenossenschaften (BEG) arbeiten ehrenamtlich, nicht gewinnorientiert, haben Kompetenz und Erfahrung sowie direkte Kontakte zu Handwerksbetrieben und Lieferanten, so die Umwelt- und Energieagentur im Landkreis Karlsruhe (uea). Alles Punkte, die der Stadtverwaltung beim Bau von Photovoltaik-Anlagen fehlen. Die Umsetzung in Zusammenarbeit mit einer BEG sei deshalb wesentlich schneller. “Es geht um eine Weichenstellung”, so Erste Bürgermeisterin Tamara Schönhaar. “Soll die Gemeinde eine Anlage nach der anderen selbst bauen oder arbeiten wir mit einer BEG zusammen?”

Die Verwaltung schlug vor, von acht Stromverbünden zwei selbst umzusetzen: zum einen den Verbund Rathaus, Pestalozzi-Schule und Sporthalle an der Pestalozzi-Schule, zum anderen die Friedrich-Magnus-Schule in Friedrichstal mit Sporthalle. Überall sei der Eigenverbrauch des erzeugten Stroms relativ hoch. Anders als beispielsweise bei der Theodor-Heuss-Schule in Büchig, bei der nur ein kleiner Teil selbst verbraucht werden könnte.

Darüber gab es Einigkeit im Gemeinderat. Doch sollen die anderen städtischen Dächer verpachtet werden?

Nicole LaCroix (CDU/FDP-Fraktion) sah an dem Vorgehen mit externen Partnern grundlegende Probleme: “Es geht hier um Steuergelder, mit denen wir Gelder generieren könnten, wir sollten selbst vom Profit profitieren.” Dazu kämen rechtliche Probleme wie die Beweissicherung bei Schäden am Dach oder mögliche auftretende Undichtigkeiten.

“Das Modell der Bürgerenergiegenossenschaften gibt es schon lange, es funktioniert”, entgegnete der Vertreter der Umwelt- und Energieagentur. Die Anlage könne nach Laufzeitende an die Stadt übergeben werden. Das sei alles vertraglich regelbar. Während die Stadt bei selbst gebauten Anlagen erst nach einigen Jahren Profit mache, würde sie von einer BEG schon von Anfang an Einnahmen erzielen. Im Übrigen würden die Photovoltaik-Module mit Ständern auf dem Dach aufgebaut, es erfolge keine Dachdurchdringung.

LaCroixs Fraktionskollege Thomas Hornung (CDU) verwies darauf, dass beim Schulzentrum die meiste Selbstnutzung von Strom möglich sei. Deshalb wolle er diesen Stromverbund auf keinen Fall an eine BEG verpachten.

Die Themen “Geschwindigkeit” und “Entlastung der Verwaltung” waren die zentralen Argumente der anderen Fraktionen. “In der Verwaltung gibt es keine Kapazität, um mehr als eine Anlage pro Jahr zu bauen”, so Kathrin Weisser (Grüne). Zudem habe die Stadt keine Investitionskosten und müsse auch für den erzeugten Strom weniger bezahlen. Es werde also schon von Anfang an gespart.

Auch Karin Vogel (Freie Wähler) hob den geringeren Verwaltungsaufwand hervor. Es gebe genügend erfahrene BEGs in der Region bis hinauf nach Heidelberg. “Es geht um Klimaschutz, nicht um Rendite.”

“Wir sollten das nicht weiter hinauszögern, es kommt auf Schnelligkeit an”, betonte Wolfgang Sickinger (SPD). Seine Fraktion sei “sehr offen” für BEGs. Trotzdem wolle er natürlich vorab den genauen Vertragsinhalt prüfen können, und auch die Dächer müssten zuvor genau untersucht werden.

Bei dem Zeitdruck, der hier aufgebaut werde, bekomme er Gänsehaut, bekannte Klaus Mayer (Freie Wähler). Mit solchen Entscheidungen sei man später meist nicht glücklich gewesen. Er sei von BEGs noch nicht so ganz überzeugt. Er sei zwar nicht grundsätzlich dagegen, es müssten sich aber auch Stutenseer Bürger beteiligen können. Auch Nicole LaCroix (CDU) störte sich daran, dass es nun so dargestellt werde, als wolle ihre Fraktion das Projekt verzögern. “Wir sind zwei Jahre hinterher”, sagte sie. “Wir sind uns alle einig, dass wir es schnell haben wollen.” Aber das sei auch eine Frage von Prioritäten in der Verwaltung.

“Wir erzeugen keinen Druck”, widersprach Oberbürgermeisterin Petra Becker. Die Vorlagen seien nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet. Aber die zeitliche Umsetzung weiterer Projekte sei für die Verwaltung nicht leistbar.

Tobias Walter (Junge Liste) konnte es sich nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass der Gemeinderat sich mit 3 Millionen Euro an NetzeBW beteiligt hatte. Jetzt würde genauso viel Geld für Photovoltaik ausgegeben, allerdings mit wesentlich mehr Ertrag als es Zinsen von der NetzeBW-Beteiligung gebe.

Der Gemeinderat beschloss am Ende einstimmig, dass die Stadtverwaltung die beiden Stromverbünde um das Rathaus und um die Friedrichstaler Grundschule in Eigenleistung mit Solaranlagen bestückt. Der Auftrag an die Verwaltung, die konkreten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine Verpachtung der übrigen Dachflächen an eine Bürgerenergiegenossenschaft zu erarbeiten, fiel bei fünf Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Die tatsächliche Verpachtung der übrigen Dachflächen – sofern es die zu erarbeitenden Rahmenbedingungen zulassen – wurde bei acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen aus den Reihen von CDU/FDP und Freien Wählern beschlossen.

forum Kommentare

Andreas Haßmann

ENDLICH
wird mal begonnen etwas anzuschieben. Wenn sich jetzt der Gemeinderat beschwert wir sind 2 Jahre zu spät, hat er sich das selbst zuzuschreiben.
Anstatt über Windeln, Flaschenringe,Holzstapel auf Wiesen und Hähnchen mit oder ohne Soße zu diskutieren und damit wertvolle Arbeitszeit der Verwaltung zu blockieren , hätte man wie von Herrn Stelzer fast in jeder 2 Sitzung angesprochen ,Energie Maßnahmen anschieben sollen.
Es werden leider zu viele Parteiinteressen vertreten anstatt sich zum Wohle unserer Stadt überparteilich zu einigen.
Der Gemeinderat bestimmt laut Gemeindeordnung was passiert und muß die Verwaltung mit Bürgerwünschen und eigenen Ideen füttern.
Die angesprochenen 3 Millionen sollte man sich sofort,bei der ersten Rückholmöglichkeit sichern .
Allein eine Pv Anlage auf dem Rathaus hätte dieses Jahr die Rendite der EnBw geschlagen.
Alle großen Tagesstromverbraucher wie Klärwerk, Wasserwerk, Schulen usw. sollte man in Eigenregie verwirklichen.
Jetzt schauen wir mal ob in kürzester Frist bis Anfang Januar, die ersten öffentlichen Ausschreibungen verfügbar sind. Gedacht ist an das Jahr 2023 nicht 2030.
Zumindest 1-2 Dächer sollte man mit Stutenseer Bürgerbeteiligung verwirklichen.