Jugendbeteiligung vor Neustart

1. Jugendforum Stutensee

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 18.10.2021 8:20 | Keine Kommentare

Seit Ende 2015 gilt in Baden-Württemberg eine geänderte Gemeindeordnung. Jugendliche müssen seitdem angemessen an den Vorhaben beteiligt werden, die sie betreffen. In Stutensee wurde daraufhin das Jugendforum ins Leben gerufen. Im März 2018 fand der erste Termin statt. In diesem und den folgenden Treffen wurden vielerlei Ideen entwickelt. Was ist daraus geworden? Was macht das Jugendforum heute, fast vier Jahre nach seiner Gründung?

“Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Dafür sind von der Gemeinde geeignete Beteiligungsverfahren zu entwickeln.” So beginnt der neue Paragraph 41a der Ende 2015 geänderten Gemeindeordnung in Baden-Württemberg. Die konkrete Umsetzung bleibt den Städten und Gemeinden überlassen. Die Jugendlichen in Stutensee wollten sich nicht dauerhaft binden und haben deshalb gegen einen Jugendgemeinderat gestimmt. Vielmehr wurde eine offene, projektbezogene Beteiligung, das Jugendforum, bevorzugt.

Von den etwa Hundert Jugendlichen, die am ersten Termin teilnahmen, ist während der Corona-Zeit nur noch ein “harter Kern” übrig geblieben. Die Stimmung unter den Teilnehmer:innen ist gemischt. Auf die Frage, was von den vielen Ideen aus den drei großen Jugendforumveranstaltungen bislang umgesetzt wurde oder wie die Jugendlichen in die Projekte der Stadt eingebunden waren, konnten sich die von meinstutensee.de befragten Jugendlichen nur an eins erinnern: Die Namensfindung für den “Wohnpark Mittendrin”. Ansonsten seien die Ideen von den Gemeinderäten und der Verwaltung mitgenommen worden, es sei aber nichts passiert.

“Eine Idee aus dem Jugendforum waren beispielsweise Begegnungshütten für die Stadtteile Spöck und Staffort”, teilte Florian Bernauer, Pressesprecher der Stadtverwaltung mit. Die Umsetzung dieser Maßnahme sei dann aber leider pandemiebedingt nicht möglich gewesen.

Die Jugendlichen seien aber auf andere Weise aktiv gewesen, betont die Verwaltung: Es habe ein “Literarisches Menü” gegeben, eine “Lesung zum Frühstück” und eine Schreibwerkstatt. Zur Landtagswahl und zur Bundestagswahl veranstalteten die jungen Leute Podiumsdiskussionen im GrauBau. “Die genannten Aktionen sind zwar keine direkten Maßnahmen der Jugendbeteiligung, aber ein Resultat eben dieser”, so die Stadtverwaltung.

“Viele Aktionen und Maßnahmen fielen leider der Pandemie zum Opfer”, so Bernauer. “Wir wären für die Stadtverwaltung über den GrauBau jederzeit ansprechbar gewesen”, entgegnete ein im Jugendforum aktiver Jugendlicher, der namentlich nicht genannt werden möchte, auf unsere Anfrage. “Aber wir wurden bei keinem Vorhaben, das im Gemeinderat diskutiert wurde, einbezogen.” Es sei immer unter Ausschluss der Jugend entschieden worden, obwohl die Gemeindeordnung vorschreibe, dass die Jugendlichen befragt werden müssten.

Die Vorlagen des Gemeinderats enthalten seit dem Beginn des Jugendforums die Option, die Jugend zu dem Thema zu befragen. Wie oft ist das passiert? “Es gibt keine institutionalisierte Jugendvertretung in Stutensee”, erläutert Pressesprecher Bernauer. “Aktionen entstehen dynamisch aus den bisher vier Jugendforen heraus. Und durch die Entwicklung einer Jugendbeteiligungs-App erhoffen sich Stadtverwaltung und Gemeinderat eine noch engmaschigere Zusammenarbeit und Dynamik der Beteiligung.”

Die Fertigstellung der angesprochenen Jugendbeteiligungs-App war für Sommer 2020 geplant gewesen. Aktuell seien hierzu noch datenschutzrechtliche Fragestellungen zu lösen.

Die politischen Vertreter im Gemeinderat loben einhellig die Einbeziehung der Jugend. Mit der konkreten Umsetzung zeigen sie sich aber nicht rundum zufrieden.

“Die Jugendlichen sollten mehr in Kommunalthemen eingebunden werden, nicht nur in Namensfindungen”, meint die CDU/FDP-Fraktion. Die bislang aufgesetzte Jugendbeteiligung sei wichtig, würde jedoch noch nicht die Vorstellungen der Fraktion erfüllen. “Wir haben bereits mehrfach die Einbeziehung angeregt.”

Die Freien Wähler zeigen Verständnis für die Frustration der Jugendlichen über die Dauer bis zur Umsetzung von Maßnahmen, halten das Jugendforum jedoch prinzipiell für eine sehr gute Plattform zum Austausch zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Jugendlichen. Es müsse jedoch künftig intensiver genutzt und auf eine breitere Basis gestellt werden. “Eines hat das Forum leider noch nicht geschafft, dass alle Stadtteile angemessen mit Jugendlichen vertreten sind.”

“Wir wünschen uns eine Verbesserung in der praktischen Umsetzung des Forums”, so die Grünen. Die Aufgabenverteilung zwischen Jugendlichen, Verwaltung und Vertretern des Gemeinderats sowie die Kommunikationswege müssten klarer formuliert werden. “Eine Kontaktperson in der Stadt für sämtliche Anliegen aus dem Jugendforum – wie sie für den Gemeinderat existiert – halten wir für sinnvoll.” Auch die Grünen vermissen die Einbindung der Jugendlichen in die Gemeinderatsarbeit. “Vom Jugendforum sollten jeweils Vertreter:innen in die Gemeinderatssitzungen oder auch Ausschussitzungen eingeladen werden.” Wichtige Themen seien beispielsweise die Entwicklungen der Stadtplanung und der Schulen sowie die Maßnahmen rund um Zukunftsthemen wie den Klimaschutz.

“Leider sind die im Jugendforum engagierten Jugendlichen, die bereits mehrere Ideen zu Projekten entwickelt hatten, durch die Coronapandemie ausgebremst worden”, bedauert die SPD-Fraktion. Das Engagement der Jugendlichen hätte auch während der Pandemie aufrecht erhalten werden müssen, beispielsweise durch digitale Veranstaltungen. Die SPD erinnert dabei insbesondere an die Forderungen, Jugendtreffs in den nördlichen Stadtteilen einzurichten, sowie freies WLAN an häufig frequentierten Stellen verfügbar zu machen.

“Das Jugendforum findet bislang zu selten statt”, kritisiert die Junge Liste. “Eine wirkliche Beteiligung, bei einmaliger Sitzung pro Jahr, sehen wir darin noch nicht.” Kürzere Treffen alle drei bis vier Monate werden von der Jungen Liste bevorzugt. Man sehe durchaus Themen, bei denen eine proaktive Einbindung der Jugendlichen sinnvoll wäre. “Beim Thema ‘Abenteuerspielplatz Spöck’ sollen erst auf unsere Anregung hin Jugendliche an der Entwicklung beteiligt werden.”

Die Stadtverwaltung lobt das Jugendforum als “hervorragende Einrichtung”. Im Herbst dieses Jahres soll es einen Neustart geben.

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