Wohnen im Alter: Zurück auf Anfang

Vierundzwanzigmorgenäcker Juni 2022

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 30.10.2023 7:38 | 5 Kommentare

Unter dem Titel “Wohnen im Alter” läuft seit einigen Jahren in Spöck die Planung einer Wohneinrichtung für ältere Menschen. In einem Wettbewerb hatten Stadtverwaltung und Gemeinderat das beste Konzept ausgewählt. Nun hat sich der Sieger jedoch aus dem Verfahren zurückgezogen. Auch die Nächstplatzierten halten ihr Angebot nicht aufrecht. Statt dass die Bauarbeiten beginnen, muss das Projekt nun neu aufgerollt werden.

Im Sommer 2022 hatte sich die Jury für den Entwurf des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) und der Pfeil Projektentwicklung entschieden. Ein Pflegeheim mit ergänzendem betreuten Wohnen hätte im Spöcker Neubaugebiet entstehen sollen.

Im Juni diesen Jahres hat der ASB die Stadtverwaltung darüber informiert, dass er das Projekt aufgrund der verschärften Personalsituation nicht mehr realisieren könne und wolle. Daraufhin wurden die nächstplatzierten Anbieter angefragt. Grundsätzliches Interesse sei bei allen noch vorhanden, so die Stadtverwaltung. Allerdings könne keiner mehr sein damals abgegebenes Angebot aufgrund der geänderten Preissituation aufrecht erhalten.

“Das Verfahren ist daher ohne Leistungserbringer abzuschließen und als gescheitert anzusehen”, ist das Fazit der Stadtverwaltung. Für den Wettbewerbsprozess waren 120.000 Euro im Haushalt vorgesehen gewesen. Ungefähr 25.000 Euro seien aktuell noch verfügbar.

“Das Projekt ist kläglich gescheitert”, stellte Lutz Schönthal für die CDU/FDP-Fraktion fest. Das sei äußerst unangenehm, auch für die Bürgerinnen und Bürger und den Seniorenbeirat. Er erinnerte daran, dass die CDU bereits 2019 einen möglichen Betreiber an der Hand gehabt hätte, der Gemeinderat dann aber ein umfangreiches Verfahren gestartet habe, das sich über zwei Jahre hingezogen hat. Anschließend habe sich der, der den Zuschlag erhalten habe, lange Zeit gelassen. Nun sei die Bausituation ungünstig. “Wir müssen uns selbst an die Nase fassen”, meinte Schönthal. Die Wirtschaft drehe sich schneller als die Verwaltung. Er hoffe, dass man nun im beschleunigten Verfahren auch beschleunigt zum Ziel komme.

“Die Enttäuschung im Ortschaftsrat Spöck und in der Bevölkerung ist sehr groß”, berichtete Ortsvorsteherin Karin Vogel (Freie Wähler). “Uns ist etwas vorgemacht worden, wir haben uns auf einen großen Träger verlassen.” Die Stadt könne eigene Grundstücke nicht direkt vergeben, entgegnete sie Schönthal. Das Verfahren sei richtig gewesen. Der Prozess habe sich allerdings zäh gestaltet. Insbesondere hätte sie sich eine schnellere Kommunikation gewünscht, da die geänderte Situation bereits seit Juni bekannt gewesen sei. “Jeder Anbieter musste informiert werden, jeder hat eine Fristverlängerung beantragt”, erläuterte Baubürgermeisterin Tamara Schönhaar die späte Kommunikation. Anwaltliche Beratung habe ergeben, dass eine Schadenersatzforderung nicht erfolgversprechend sei.

Die Situation sei bedauerlich, so Christine Stemke (Grüne). Nun müsse man auch Kurzzeitpflege integrieren und andere Wohnformen ergänzen. “Wir müssen auf die individuellen Bedürfnisse eingehen”, meinte sie.

“Wir müssen politisch entscheiden, was wir wollen”, so Tobias Walter (Junge Liste). Das Bild sei bei der Bürgerveranstaltung nicht ganz klar gewesen. Er wünschte sich, bei künftigen Projekten Konventionalstrafen ins Auge zu fassen. “Die Art und Weise, an der langen Hand hingehalten zu werden, geht so nicht, das ist unverschämt”, so sein Fazit. Selbstkritisch stellte er fest, dass das Gremium früher die Notbremse hätte ziehen müssen.

Die Stadtverwaltung bereitet nun ein beschleunigtes Verfahren vor.

forum Kommentare

Andreas Haßmann

Beschleunigte Verfahren hört sich schon wieder schlecht an.
Städtische Grundstücke werden wiederum ohne Ausschreibung überlassen, oft zu einem sehr niedrigen Preis. Hier ist eigentlich nur Erbpacht möglich um dann nach vielleicht 75 oder 99 Jahren Zugriff zu erhalten.
Bezüglich Schadensersatz, der Gewinner hat an einem Wettbewerb teilgenommen und gewonnen. Dies auch anerkannt und die Stadt bleibt auf 100 000 Euro Verlust sitzen. Man sollte dringend sich mal richtig informieren. Aber der zukünftige ist ja schon ausgewählt.

PfeilPro

Sehr geehrter Herr Strohal, liebe Leser und Leserinnen, lieber Herr Hassmann,
Leider ist Ihre Darstellung sehr einseitig und unvollständig. Sie hatten hierzu weder beim ASB nachgefragt noch bei uns als Planer und Projektentwickler. Genauso wenig macht es uns Spaß an einem Wettbewerb teilzunehmen und hierfür sehr viel Zeit und Geld in die Hand zu nehmen um dann am Ende das Projekt absagen zu müssen. Die Verwaltung wollte trotz eines bereits vorhandenen qualifizierten Bebauungsplans unbedingt ein zeitaufwendiges und kostenaufwendiges neues Bebauungsplan Verfahren starten. Dies obwohl unsere Planung so gut wie keine Verstöße gegen den Bebauungsplan vorliegen hatte. Zudem wären wir auch bereit gewesen entsprechend so umzuplanen dass es überhaupt gar keinen Verstoß mehr gegen den Bebauungsplan gegeben hätte. Die wenigen Punkte welche nicht im Bebauungsplan entsprochen hätten wie z.B die Lage der Tiefgarageneinfahrt hätten auch ohne Probleme im Rahmen einer Befreiung gelöst werden können. Die Verwaltung wollte auf keinen Fall unserer monatelangen bitte folgen und auf einen neuen Bebauungsplan verzichten. Es ist ein Unding hier nur einseitig wieder die bösen Investoren und die Bösen Planer an die Wand stellen zu wollen. Wir als Planer und auch der ASB hatten allergrößtes Interesse an einer umfassenden zügigen Durchführung des Bauvorhabens solange die finanzierungsrahmenbedingungen noch gepasst hatten. Wertvolle Zeit wurde auf Seiten der Verwaltung durch völlig unnötige Bürokratie vertan und verschwendet. Alle reden von Bürokratieabbau aber in Stutensee war genau das Gegenteil der Fall. Warum soll ein völlig neuer vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt werden wenn das Seniorenzentrum auch mit dem bestehenden qualifizierten Bebauungsplan genehmigt werden kann? Diese Frage wurde uns nie beantwortet und es hatte sich so lange gezogen bis dann auch der ASB aufgrund der katastrophalen Personalsituation im Pflegebereich die Notbremse gezogen hatte. Auch im Pflegebereich dominiert inzwischen die Bürokratie auf allen Ebenen. Dies geht von der Neueinstellung willigen Personals, welche keine Arbeitserlaubnis bekommen bis hin zu ausufernder Dokumentationspflicht des Pflegepersonals über jeden Handgriff so dass dies zwischenzeitlich fast 50% der Arbeitszeit beansprucht. Ich weiß nicht in welcher Bürokratie phase wir uns in Deutschland befinden aber Deutschland erstickt an den eigenen besserwisserischen Vorgaben und an der eigenen Regulationswut. Die eigentliche produktive Arbeit wird immer weiter zurückgedrängt und leider einer völlig überzogenen Regelungswut geopfert. Überall werden nachhaltige Projekte gefordert aber ist die alles lähmende Bürokratie ein nachhaltiges Konzept? Oder ist etwa die undifferenzierte Verunglimpfung von Investoren und Planern eine tragfähige Basis um das Bauen wieder attraktiv zu machen?
Viele Leute sollten sich abgewöhnen immer nur andere zu kritisieren und sollten sich stattdessen selbst mal an die Nase fassen. Entschuldigen Sie bitte die klaren Worte aber anders kann man das langsam nicht mehr ausdrücken. Ihre Pfeil Projektentwicklung gegründet 1992.

FH...

… @PfeilPro vielen Dank. Mit Ihren Ausführungen kommt Licht ins Dunkle. Ich will das jetzt nicht werten. Allerdings wird klar, woran es gehapert hat: Die Stadt wollte für die Sondernutzung des Geländes für „Wohnen im Alter“ von Beginn an einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (siehe z.B. oben verlinkter Artikel von meinstutensee.de vom 03.06.2022). Dadurch wären spezifische Vorgaben und Regelungen möglich gewesen. PfeilPro wollte diese Nutzung in den existierenden B-Plan „quetschen“. Offensichtlich wurde darüber monatelang kontrovers diskutiert, bis schließlich die Zinsen und Baukosten explodiert waren…

-kwg-

“Wir gehen davon aus……” , dass das nun auch wieder in die Hose ging und als Fehlschlag bezeichnet werden kann.

Andreas Haßmann

An Pfeil pro
Hallo, ich gab wieder was an der Gemeinderatssitzung zu hören war. Ihre Sicht der Dinge war zumindest den Bürgern nicht bekannt, aber sehr gut jetzt ihre Stellungnahme, so kann sich jeder ein Bild der Situation machen. Trotz allem bleibt die Stadt auf 100000 Euro sitzen, ob selbst verschuldet ist zu prüfen. Der Gemeinderat ist wiederum als Aufsicht gefragt.