Mut zur Entscheidung haben

Scheidende Baubürgermeisterin Sylvia Tröger

Beitragsbild: Martin Strohal

Von Martin Strohal | 07.07.2021 12:42 | Keine Kommentare

Sylvia Tröger verlässt die Stutenseer Stadtverwaltung

Nach ziemlich genau fünf Jahren ist es vorbei: Am 5. Juli hatte Baubürgermeisterin Sylvia Tröger ihren letzten Arbeitstag im Stutenseer Rathaus. Der endete mit einer von ihr geleiteten Ausschussitzung. Wie es beruflich weitergehe, sei noch nicht gänzlich klar. Angebote gebe es jedoch. Der CDU Blankenloch bleibe sie weiterhin treu. Martin Strohal von meinstutensee.de hat sie Ende Juni zum Gespräch an ihrem Arbeitsplatz besucht.

“Stutenseebad mein erstes großes Kind”

Sylvia Tröger stammt aus dem sächsischen Meerane. Sie studierte Architektur in Dresden und Biberach. Nach ihrem Abschluss war sie an verschiedenen Stellen in Baden-Württemberg und zuletzt beim Gebäudemanagement im Landratsamt Karlsruhe tätig.

Zur Person

Im Mai 2016 war sie zur Nachfolgerin von Matthias Ehrlein gewählt worden und begann ihre Arbeit am 1. August an der Seite von Oberbürgermeister Klaus Demal. Kurz darauf begann die große Auseinandersetzung um die Bebauung des Lachwalds. In einem Bürgerentscheid wandte sich die Mehrheit der Einwohner:innen gegen die geplante Abholzung, was letztendlich zum Rücktritt Demals führte. Als dessen Stellvertreterin hatte Tröger nun neben ihrem Dezernat die Amtsgeschäfte des Stadtoberhaupts zu führen und musste zudem die Neuwahl organisieren. Im Juli 2018 wurde Petra Becker zur neuen Oberbürgermeisterin gewählt. Zuletzt habe es Tröger an Freiheiten und Anerkennung gefehlt, was sie zur Ankündigung ihres Rücktritts bewegte.

Fünf Jahre war Sylvia Tröger Baubürgermeisterin der Stadt Stutensee. Zum Abschlussgespräch treffe ich sie in ihrem Büro im zweiten Obergeschoss des Rathauses. Es ist Ende Juni und früh am Morgen. Am 5. Juli wird Tröger ihren letzten Arbeitstag haben, um noch ein paar letzte Projekte wie den Neubau der Stafforter Mehrzweckhalle auf den Weg zu bringen.

Startsprung von Sylvia Tröger und Sylvia Duttlinger zur Eröffnung des neuen Bades

Was wird denn in Stutensee von ihr bleiben, wenn sie nicht mehr da ist? War die Zeit lang genug, um eigene Akzente zu hinterlassen? Da sich Bauprojekte üblicherweise über mehrere Jahre ziehen, war doch sicher einiges schon von ihrem Vorgänger angestoßen worden, beispielsweise das neue Hallenbad.

„Das Stutenseebad trägt auch meine Handschrift“, sagt Tröger. Der Architekturwettbewerb sei zwar bereits gelaufen gewesen. Aber die wichtigste Phase komme danach mit Ausgestaltung und Bauqualitäten. Dabei geht es um Zeitplanung, Kosten, Nachhaltigkeit, Bauausführung und ähnliches.

Baufeldfreimachung Wohnpark Mittendrin (Februar 2021)

Als wichtiges Thema in diesen Jahren sieht sie die Innenentwicklung, die mit dem Wohnpark Mittendrin auf dem Gelände des alten Hallenbads langsam Fahrt aufnehme. “Das hat mir sehr am Herzen gelegen und wird gut”, resümiert sie. Neben diesen großen Themen, zu denen auch der geplante Neubau der Stafforter Mehrzweckhalle zählt, haben überwiegend Sanierungs- und Weiterentwicklungsmaßnahmen an Schulen und Kindergärten Trögers Zeit in Stutensee geprägt.

Als Leiterin des Dezernates II habe sie die Stabstelle Umwelt geschaffen. Daraus sei inzwischen ein kleines Team geworden, das auch in Bebauungsplanverfahren integriert sei: „Das erzeugt eine Zusammenarbeit, die es früher nicht gegeben hat.“

Verfahren um den Lachwald sei „wichtige Erfahrung“ gewesen

Demonstration zur Erhaltung des Lachwalds

In den fünf Jahren habe es jedoch auch Konflikte gegeben, verrät Sylvia Tröger. Angetreten war sie 2016 mit dem Vorsatz, der Innenentwicklung Vorrang zu geben sowie die Bürger:innen an städtischen Vorhaben zu beteiligen. Doch nur wenige Monate nach ihrem Amtsantritt kam es mit der Planung zum Bauvorhaben Lachwald zu einem ersten großen Konflikt in ihrer Amtszeit. Das Thema sei schon am Laufen gewesen, als sie im Rathaus anfing, schildert sie die damalige Situation. “Man kommt nicht zu einer neuen Stelle und sagt: Alles Quatsch hier!“ Um die Dinge richtig beurteilen zu können, sei sie noch nicht lang genug in Stutensee gewesen. “Wäre das schon mein drittes Jahr gewesen, hätte ich das wahrscheinlich anders beurteilt.” Das Thema sei für sie eine wichtige Erfahrung gewesen. Sie hoffe auch, dass es nicht wieder zu einem Bürgerentscheid kommen werde.

Petra Becker, Sylvia Tröger

Die nächste Herausforderung stellte sich ihr direkt im Anschluss: Oberbürgermeister Klaus Demal trat von seinem Amt zurück. Damit hatte Tröger als seine Stellvertreterin die Geschäfte im Rathaus zu führen. Gemeinsam mit Bürgermeister Edgar Geißler habe sie „alles geschmissen“, auch die OB-Wahl organisiert, erinnert sie sich. “Das fiel alles in die ersten anderthalb Jahre. Das war eine Herausforderung.”

Beteiligung der Bürger:innen

Protestplakat

Danach begann gleich eine neue Phase: „Ich bin angekommen, habe die Leute, die Vereine und Fraktionen kennengelernt, und man hat auch was aus dem Ort gehört.“ Das habe ihr Sicherheit gegeben. “Mit der Erfahrung, die ich jetzt nach fünf Jahren habe, ist es fast ein bisschen schade, dass ich jetzt gehe.” Obwohl sie bei Amtsantritt für eine Einbindung der Bürger:innen und offene Kommunikation geworben hatte, kam es auch bei der Entwicklung des Wohnpark Mittendrin zu Konflikten mit der Bevölkerung. Eine Interessensgemeinschaft bildete sich und kämpfte für den Erhalt von Lindenbäumen. “Widerstände gibt es immer”, stellt Tröger fest. Damit müsse man umgehen und Lösungen suchen.

Bürgerbeteiligung “Zukunft Wohnen Stutensee”

Direkt nach dem Bürgerentscheid führte die Stadtverwaltung eine größere Bürgerbeteiligung durch unter dem Motto „Zukunft Wohnen Stutensee“, auch „Perspektivwerkstatt“ genannt. Von dieser und den erarbeiteten Ergebnissen war jedoch bald nichts mehr zu hören. Das bedauere sie, sagt sie. Einige der von ihr angestoßenen Dinge wie die erwähnte Einrichtung der Stabstelle Umwelt, die Innenentwicklung und die naturnahe Gestaltung von Grünflächen im Stadtgebiet habe sie mit den Ergebnissen aus der Bürgerbeteiligung begründet. Sie habe sich Einzelmodule rausgezogen, mehr habe die Zeit nicht zugelassen. Durch die Oberbürgermeisterwahl seien neue, andere Ideen ins Rathaus gekommen. Aber man könne daran weiterarbeiten. Die Ergebnisse seien ja vorhanden.

Stadtentwicklungsplan: „Wir haben Aufgaben zu erfüllen!“

Zum Beispiel im Rahmen des kürzlich vom Gemeinderat beschlossenen Stadtentwicklungsplans 2035. Diesen sehe sie jedoch kritisch. Während die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung eine umfangreiche Betrachtung und Beteiligung vorsah, was vom Gemeinderat auch mehrheitlich gebilligt wurde, wäre sie eher dem Antrag von Grünen-Stadtrat Karl Mittag gefolgt, erst einmal zeitkritische Themen vorzuziehen wie die Flächen für den Flächennutzungsplan. “Man braucht die große Schiene und die Weitsicht. Man sollte sich die Zeit nehmen, das zu diskutieren”, meint Tröger. Gleichzeitig schränkt sie jedoch ein: “Aber wir haben Aufgaben zu erfüllen! Wir haben keine riesen Kapazitäten übrig und müssen effizient arbeiten. Kapazität kostet Geld.” Für den Flächenpool sei es schon fünf nach zwölf. Flächenentwicklung und Naturschutz/Umwelt würden zusammenhängen. Wichtig sei es, Dinge voranzutreiben und Entscheidungen zu treffen.

“Für die Gemeinschaft denken“

Einweihung nach Sanierung des Kindergartens “Lachwald”

Überhaupt wiederholt sie im Laufe des Gesprächs öfters, wie wichtig es ihr sei, sich eine Meinung zu bilden und dann aber auch entsprechende Entscheidungen zu treffen. Sie wolle nichts überstülpen, Vorhaben würden immer gemeinsam mit dem Gemeinderat entwickelt. “Es gibt gewählte Strukturen, die anzuerkennen sind. Das ist mir wichtig. Man muss sich nicht aufgeben, man muss eine Meinung haben und Entscheidungen treffen. Wenn man das nicht mehr tut, wird es schwierig.” Ihr sei die Einbindung der Bürger:innen durchaus wichtig. Allerdings sei das auch ein Zeitfaktor. “Wenn ich was anfange, will ich auch, dass es umgesetzt wird, und nicht drei Jahre Arbeitsgruppen haben.” Sie sehe ihre Aufgabe darin, für die Gemeinschaft zu denken. Wenn es einen Widerstand geben sollte, müsse man schauen, wie man das löst. „Erst mal ist es meine Aufgabe, für die Gemeinschaft zu denken, und die ist oft eine stille Masse, nicht die, die laut sind. Das gefällt vielleicht nicht immer jedem. Aber das ist meine Einstellung zu meiner Arbeit gewesen.”

Neben der Flächenentwicklung sieht Tröger auch weitere Handlungsfelder, die ihr Nachfolger bzw. ihre Nachfolgerin ihrer Meinung nach angehen sollte. Neben Themen wie dem Breitbandausbau und dem Schienengüterverkehr sei das auch die Weiterführung der Stadtbahnlinie S2. Diese Themen würden aktuell anstehen. Sie würden nicht warten, bis Stutensee einen Stadtentwicklungsplan habe.

Weggang: „Brauche Luft zum Atmen“

Privates Abschiedsfoto nach der letzten Gemeinderatssitzung

Im Gespräch erweckt Tröger den Eindruck, noch voll für ihre Arbeit zu brennen und Ideen zu haben. Warum dann aufhören? Dass das Verhältnis zwischen ihr und der Oberbürgermeisterin schwierig ist, klang bei der Ankündigung ihres Rücktritts durch. Darin wurde Petra Becker mit keinem Wort erwähnt. Sie habe kein Problem mit Hierarchien in Verwaltungen, sagt sie. Ihr fehle jedoch die Freiheit bei der Arbeit. “Beim alltäglichen Arbeiten brauche ich Luft zum Atmen. Ich möchte da auch sehr ernst genommen werden, möchte mitgenommen werden, ich brauche eine Würdigung. Das ist etwas ganz Menschliches.“ Bei einer 60-Stunden-Woche müsse man glücklich sein mit dem, was man tut. “Ich gehe hier erhobenen Hauptes raus.”

Nach der Ankündigung ihres Rücktritts habe sie sofort Angebote bekommen. Sie wolle nun aber erst in Ruhe darüber nachdenken. “Es wird nach wie vor das Thema Architektur im Mittelpunkt stehen, ich werde kein Café aufmachen”, meint sie lachend. “Ich bin mit Herzblut Architektin und Stadtplanerin.“ Sie sei wegen ihres Weggangs etwas traurig, aber freue sich auch auf etwas Neues.

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