Grüne zum Bürgerentscheid: “Wir wollen kein Baugebiet im Lachwald”

Beitragsbild: Jonas Riedel/Martin Strohal

Von Martin Strohal | 23.01.2018 20:33 | 3 Kommentare

Am 18. Februar 2018 findet in Stutensee der Bürgerentscheid zum Thema Lachwald statt. Die Frage auf dem Stimmzettel lautet: “Sind Sie dafür, dass der Lachwald in seiner jetzigen Form erhalten bleibt und der Beschluss des Gemeinderats zur Aufstellung eines Bebauungsplans “Lachwald II” aufgehoben wird?” meinstutensee.de hat mehrfach über dieses Thema berichtet.

Vor der Abstimmung geben wir allen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen sowie den Bürgerinitiativen die Möglichkeit, ihre Position darzustellen und zu begründen.

In folgendem Artikel geht es um die Grünen-Fraktion. Ihr Fraktionsvorsitzender Lars Zinow hat zu unseren Fragen Stellung bezogen.

meinstutensee.de: Im Zusammenhang mit dem Lachwald sind die Themen “kostengünstiges Wohnen” und “Einnahmen aus Grundstücksverkäufen” im Gespräch. Was ist für Ihre Fraktion der Hauptgrund für das Baugebiet “Lachwald II”?

Lars Zinow: Wir Grünen Stutensee wollen an dieser Stelle kein Baugebiet. Wir sehen keinen Grund, der wirklich höher wiegt, als die Erhaltung des Lachwaldes.

meinstutensee.de: Wie wollen Sie dann zum einen den Bedarf an Wohnraum decken und zum anderen Geld für die vielen geplanten Investitionen einnehmen?

Lars Zinow: Das Thema Bedarf an Wohnraum ist kein Stutenseer Thema, sondern muss auf landes- und bundespolitischer Ebene angegangen werden. Investitionen sind in einem viel höheren Maße, als die Erlöse aus Lachwald II (und III) einbringen, nötig. Laut Haushaltsrede von Herrn OB Demal haben wir dann aber keine stadteigenen Grundstücke mehr. Das Tafelsilber ist dann weg! So kann doch keine zukunftsfähige Haushaltspolitik gemacht werden! Abgesehen davon wird der Lachwald mit Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechts in 2020 einen ganz anderen Wert bekommen. Böse Zungen behaupten ja, dass die hohe Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Bebauung des Lachwald-Geländes genau damit zusammenhängen…

Die finanziellen Mittel sind ja für alle möglichen Ansprüche aus den Ortsteilen vorhanden. Die Prioritätenliste, die im Gemeinderat beschlossen wurde, setzt seltsamerweise die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum nicht an erste Stelle, sondern einen dritten Kindergarten in Büchig und die Halle in Staffort. Beide Punkte haben erstaunlicherweise dasselbe finanzielle Volumen, wie der mögliche Erlös aus dem Lachwald-Verkauf…

meinstutensee.de: Wäre es auch eine Möglichkeit, den halben Lachwald frei zu verkaufen und mit den Einnahmen günstigere Grundstücke in den nördlichen Stadtteilen zu kaufen und dort kostengünstiges Wohnen zu realisieren?

Lars Zinow: Dies steht für uns nicht zur Diskussion. Der Lachwald wäre trotzdem irreparabel geschädigt. Außerdem lehnen wir grundsätzlich Spekulationen mit Grund und Boden ab.

meinstutensee.de: Halten Sie es für zielführend, dass Stutensee für sich allein das Thema kostengünstiges Wohnen angeht? Der Flächennutzungsplan wird vom Nachbarschaftsverband überkommunal abgestimmt. Warum ist das beim kostengünstigen Wohnen nicht so?

Lars Zinow: Kostengünstiges Wohnen und viel wichtiger sozialer Wohnungsbau kann nur sinnvoll in Zusammenarbeit mit einer entsprechenden Bundes- und Landespolitik angegangen werden. Daher ist sicherlich auch eine überregionale Zusammenarbeit mit dem Nachbarschaftsverband oder auf anderen Ebenen zusammen mit den Nachbarkommunen, besonders auch Karlsruhe, sinnvoll und notwendig.

meinstutensee.de: Was ist für Sie kostengünstiges Wohnen und was wollen Sie damit erreichen?

Lars Zinow: „Kostengünstiges Wohnen“ als Begriff ist nicht definiert und somit wenig aussagekräftig. Wir setzen uns für sozialen Miet-Wohnungsbau ein, um Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen.

meinstutensee.de: Sie meinen damit, nur Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein?

Lars Zinow: Was Sozialwohnungen angeht, ja. Hier gibt es mittlerweile eine viel zu große Gruppe deutscher und eingewanderter Menschen, die aus äußerster Not heraus Wohnraum brauchen. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, die diese Grenze gerade noch nicht erreicht haben, aber auch Wohnraum – normalerweise den viel zu seltenen Mietwohnraum – brauchen. Für letztere Gruppe ist das Konzept für Wohnungen auf dem Neise-Areal in Blankenloch vorbildlich. Hier muss in Stutensee deutlich mehr gemacht werden.

meinstutensee.de: Warum will sich Stutensee angesichts der angespannten Haushaltslage mit städtischen Subventionen diesem Thema annehmen?

Lars Zinow: Für uns ist sozialer Wohnungsbau und Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen vordringlich. Wir sehen uns verpflichtet, solchen Wohnraum in ausreichender Menge, auch durch Verdichtung und Aufstockung in Wohngebieten, zu schaffen, z.B. auch im Neise-Gelände und 24-Morgenäcker in Spöck.

meinstutensee.de: Welche Bedeutung hat der Lachwald für Sie?

Lars Zinow: Der Lachwald schützt Büchig gegen Lärm, Luftschadstoffe und Hitze. Gerade im Winter ist er auch ein guter Schutz gegen kalte Nordost-Winde. Umweltexperten sind wie wir der Meinung, dass Wälder in direkter Nähe von Siedlungen besonders wertvoll sind; es gibt Beispiele, wo kleine Wälder sogar extra innerhalb von größeren Neubaugebieten angelegt werden. Der Lachwald ist Lebensraum von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten und hat eine Bedeutung als Trittsteinbiotop zur Biotopvernetzung in Ost-West-Richtung. Für Kinder und Jugendliche hat der Lachwald gerade in der heutigen Zeit von Handys und PCs einen hohen Wert als Spiel- und Rückzugsraum; für die Anwohner ist der Lachwald ein Naherholungsgebiet.

meinstutensee.de: Waren Sie überrascht angesichts der Proteste? Was hätte man rückblickend anders machen können, um die Bürger besser einzubinden?

Lars Zinow: Nein, wir waren nicht überrascht. Schon bei der ersten Diskussion des neuen Flächennutzungsplanes vor mehr als drei Jahren hätte eine Bürgerbeteiligung durchgeführt werden müssen. Reine Information über in nicht öffentlichen Sitzungen beschlossene Fakten im Nachhinein reicht nicht aus!

meinstutensee.de: Von Stadtverwaltung und restlichem Gemeinderat wird Ihnen das “Vorpreschen” mit Ihrer Infoveranstaltung im Februar vorgeworfen. Weshalb wollten Sie die von der Stadt geplante Veranstaltung im April nicht abwarten?

Lars Zinow: Für uns Grüne zählt zu Demokratie, dass Menschen VOR einer Entscheidung informiert und am Besten auch befragt werden. Die Info-Veranstaltung der Stadt im April war am Tag NACH der Entscheidung in Gemeinderat und Ausschüssen geplant. Das ist die falsche Reihenfolge; so nimmt man die Bevölkerung bei schwierigen Entscheidungen nicht mit. Mit einer guten Argumentation für eine Bebauung des Lachwaldes – die es ja durchaus auch gibt – hätte die Bevölkerung, besonders in Büchig, eher mitgenommen werden können und evtl. hätte es diesen großen Protest gar nicht gegeben.

meinstutensee.de: Hätte es ohne die Grünen überhaupt die Bürgerinitiativen und damit den anstehenden Bürgerentscheid gegeben? Wie sehen Sie das rückblickend?

Lars Zinow: Wir denken, dass es die Bürgerinitiative sicherlich auch gegeben hätte; wahrscheinlich mit wesentlich mehr Aggressivität, da sich die Büchiger Bevölkerung dann zu Recht überfahren gefühlt hätte. Die Tatsachen hätten die Büchiger – und die anderen Stutenseer – halt erst später erfahren und wären dann genauso auf die Barrikaden gegangen. Uns Grünen ging es immer vorrangig um Transparenz von demokratischen Entscheidungen! Die Bürgerinitiative hat sich dann völlig unabhängig von uns direkt nach unser Infoveranstaltung gebildet. Wiederum unabhängig davon gibt es natürlich auch innerhalb der Bürgerinitiative Mitglieder der Stutenseer Grünen. Hier ist die Reihenfolge aber in der Tat die, dass erst die Bürgerinitiative kam, dann auch die Aktivität von Mitgliedern der Grünen.

meinstutensee.de: Welche Motive sehen Sie bei den Gegnern der Lachwaldbebauung? Schließlich handelt es sich ja um Bürger aus ganz Stutensee, nicht nur um direkte Anwohner. Können Sie diese Motive nachvollziehen?

Lars Zinow: Wie Sie unserer Antwort auf die Frage zur Bedeutung des Lachwalds entnehmen können, können wir diese Motive sehr gut nachvollziehen.

meinstutensee.de: Wie beurteilen Sie den Umgang mit den Bürgerinitiativen?

Lars Zinow: Wünschenswert wäre eine offenere, gleichberechtigtere Umgangsweise der Stadt mit den Bürgerinitiativen auf Augenhöhe, da es sich hier um eine ernstzunehmende Gruppe innerhalb der BürgerInnenschaft Stutensees handelt. Dies gebietet unsere Demokratie; Bürgerinitiativen sind ein wichtiger Teil davon. Ein Veröffentlichungsrecht der Bürgerinitiativen im Amtsblatt der Stadt Stutensee wäre daher wünschenswert gewesen.

meinstutensee.de: Und wie ist es, mit vier Personen der großen Mehrheit des Gemeinderats entgegen zu stehen?

Lars Zinow: Grundsätzlich sind wir es gewohnt, nicht die Mainstream-Meinung zu haben. Oft sind wir mit unseren Ansichten 10 bis 20 Jahre zu früh (also Trendsetter ;-)) Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass unsere damalige Forderung nach Tempo 30 in den Ortschaften mittlerweile common sense ist? Abgesehen davon, haben wir bei persönlichen Gesprächen mit anderen Stadträten den Eindruck, dass wir nicht nur vier Personen mit einer Meinung pro Lachwald im Gemeinderat der Stadt Stutensee sind. Das wird sich möglicherweise wegen Fraktionsdisziplinen in manchen anderen Fraktionen nicht bei den Abstimmungen im Gemeinderat bemerkbar machen. Aber sicherlich werden auch Nichtgrüne am 18.2. mit JA stimmen

 

Weitere Stellungnahmen zum Bürgerentscheid:

forum Kommentare

Das muss man ihnen lassen den Grünen: Sie haben das ganze Thema der BIs mit aus der Wiege gehoben, aber im aktuellen Wahlkampf, genauso auch schon die Monate davor hört man gar nichts von denen.
Im Gegenteil, man könnte meinen sie haben mit der ganzen Sache nichts zu tun. Dabei gibt es sehr enge Bande zwischen den BIs und den Grünen. Dem interessierten Leser, der sich auch mal etwas tiefer in die Sachen einliest, als nur in das aktuelle Facebook-Bashing, weiss, dass die Hauptsprecherin der BI, Frau Suhr im Vorstand der Stutensee Grünen sitzt! Und das soll ohne Interessenskonflikt und Informationsaustausch ablaufen? Wer soll denn das glauben!
Aber schön immer den anderen Kuppelei vorwerfen……

FH...

Die Bürgerinitiativen gingen aus einer Info-Veranstaltung der Grünen hervor wie hier zu lesen ist: https://www.meinstutensee.de/2017/03/buergerinitiative-rettet-den-lachwald-gegruendet/
Insofern sollten personelle Überschneidungen der abgespaltenen BI “lachwald-erhalten.de” um Frau Suhr mit dieser Partei auch nicht überraschen. Das ist auch kein Geheimnis, was Sie hier “entdeckt” haben. Da es nicht verboten ist, gleichzeitig in einer Partei und BI zu sein und das Ziel bezüglich Lachwald identisch ist, ergibt sich auch kein Interessenkonflikt.
Die andere BI “rettet-den-lachwald.de” um Hr. Gompper ist nach eigener Aussage politisch unabhängig.
Nebenei: Ich bin in keiner der BIs.

sicher niemand vor, weil Kuppelei eigentlich ein eher lockerer Zusammenhalt ist, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Das war vielleicht so, bevor alles öffentlich wurde und man im stillen Kämmerlein Pläne schmieden konnte, doch jetzt nicht mehr. Die Anderen, wie sie es so salopp bezeichnen, haben sich vielmehr zu einer Allianz zusammengeschlossen, was schon paar Nummern größer ist. Sie tragen damit gemeinsam Verantwortung und marschieren Schulter an Schulter, zu allem bereit um ihr gemeinsames Ziel zu erreichen, die brauchen doch nich kuppeln.

Und wo das Problem mit Frau Suhr liegen soll, kann ich wahrlich auch nicht erkennen – irgendwie ist das vielleicht für sie witzig, der Beitrag erscheint mir letztlich aber sinnfrei.